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Vertreter von Naturreligionen protestieren gegen Bonifatius-Denkmal

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Protest mit Duftnote: Auch diese Teilnehmerin räucherte. © Yüce

Fritzlar. Sie tragen Zweige mit grünen Blättern als Kopfschmuck und wallende Gewänder oder Umhänge. Viele der Frauen haben ihre Gesichter mit Blättern oder Ranken bemalt.

Manch einer von ihnen sieht aus, als käme er direkt aus einem Fantasy-Film oder von einem Mittelaltermarkt. Andere tragen Jeans, Jacke, Turnschuhe - Straßenkleidung. Oder schwarz und Glatze. Doch eines eint sie: Sie fühlen sich verletzt - von einer Statue. Genauer: Vom Bonifatius-Denkmal auf dem Fritzlarer Domplatz.

Sie, das sind rund 100 Vertreter von Naturreligionen. Sie protestierten gegen das Denkmal und für die Toleranz gegenüber allen Religionen. Das Gegenteil repräsentiere für sie das Bonifatius-Denkmal. Künstlerisch sei es zwar sehr ansprechend, doch das Motiv sei ein Skandal.  

Das Denkmal zeigt den Mönch Bonifatius auf dem Stumpf der einstigen Donar-Eiche stehend, die von ihm im Jahre 724 mit einer Axt gefällt wurde. „Das ist ein gewaltsamer Akt, der die Zwangs-Christianisierung der Deutschen darstellt“, sagt Voenix, der eigentlich Thomas Vömel heißt.

Kurzclip: Demo von Vertretern von Naturreligionen

Der 1,95-Meter Mann mit Irokesenschnitt, tiefer Stimme und festem, etwas zu langem Händedruck betont, dass das die Gefühle Naturreligiöser verletze. „Das ist für uns so, als würde man am Little Bighorn ein Denkmal für General Custer aufstellen“, sagt Voenix. Er hatte zu der Demonstration aufgerufen, um auf sich aufmerksam zu machen. „Wir sind keine einzelnen Spinner“, sagt er.

Gekommen waren die Anhänger aus ganz Deutschland. Eigentlich seien sie noch viel mehr, doch hätten sich viele von ihnen nicht getraut, nach Fritzlar zu kommen. „Weil sie Nachteile befürchten, wenn sie öffentlich zu ihrem Glauben stehen“, sagt Volker Volkmann. Er verstehe das, denn er habe seine Arbeit bei der Volkshochschule verloren, nachdem er sich öffentlich dazu bekannt habe, einer Naturreligion anzugehören, sagte er. „Mich wollte man mit Mitgabeln aus dem Ort treiben.“

esicht zeigen in Fritzlar auch Manuela Scheußner aus Ostfriesland, Kerstin Böhm aus Lehrte und Sina (möchte ihren Namen nicht nennen) aus Marsberg. „Uns Heiden gibt es noch“, sagen sie und halten ein Plakat mit einem Zitat von Alexander von Humboldt in den Händen. „Habt Ehrfurcht vor dem Baum“, steht darauf. Heiden seien die Bäume besonders wichtig, erklären sie. Das Bonifatius-Denkmal verletze auch ihre Gefühle. „Wir wollen zeigen, dass es uns Heiden noch gibt“, sagt Scheußner.

Und dann sagen die Frauen, dass es sie ärgert, dass sie oft in die rechte Ecke gesteckt und deshalb nicht wirklich gehört würden. „Dagegen verwahren wir uns. Wir sind tolerant“ Das sagt auch Voenix noch schnell, kurz bevor er seine Rede vor der Menge hält. Dazu gibt es Harfenklänge, und zwei Frauen gehen mit Räucherwerk durch den Menschenkreis, der sich um die Skulptur aufgestellt hat. Erst weint Voenix, dann schreit er laut auf: „Wir Heiden, wir leben noch, wir sind noch da.“ Dafür gibt es Applaus.

Kurzclip: Demo gegen Bonifatius-Denkmal

Unter den Zuhörern ist auch Dr. Ulrich Skubella. Der Vorsitzende des Fritzlarer Kulturvereins klatscht nicht. Er hört zu. Skubella ist einer der Initiatoren, die sich einst für das Denkmal stark machten. „Ich war neugierig, was heute hier passiert“, sagt er.

Froh sei er, dass es eine friedliche Demonstration sei. Bonifatius sei schließlich der Stadtgründer Fritzlars. „Durch ihn ist hier viel entstanden“, so Skubella (siehe Hintergrund). Verletzen wollte man aber niemanden mit dem Denkmal. Auf ihn wirke die Demo eher wie eine Selbstinzenierung, sagt Skubella.

Fast wie eine Reaktion des Doms auf das ungewöhnliche Treiben vor seinen Toren wirkte es dann auch, als die Glocken in einer Redepause von Voenix mit ihrem eindringlichen Läuten störten.

Das sagt Ubbo Enninga

Das Bonifatius-Denkmal sei im wahrsten Sinne des Wortes ein Denkmal, so Ubbo Enninga, der die Skulptur geschaffen hat. Es war und sei nicht seine Absicht, andere Menschen damit zu verletzen, schreibt Ubbo Enninga an den Initiator der Demonstration in Fritzlar, Thomas Vömel.

Das Denkmal sei beschreibender Natur: die Fällung der Donareiche durch Bonifatius und die Errichtung der ersten Kapelle. Das Christentum als eine spirituelle Tatsache - „Liebe deinen nächsten wie dich selbst!“

Kurzclip: Protest in Fritzlar

„Für mich wird damit der Götterhimmel unserer Altvorderen in keinster Weise angetastet, und was Kirchen unter dem Banner dieser Idee über die Jahrhunderte verbrochen haben, hat mit dem Missbrauch der Macht zu tun, nicht mit Liebe“, so Ubbo Enninga weiter.

Zudem sei Bonifatius, der den Chatten das Heiligtum raubte, von Friesen 754 gewaltsam ins Jenseits befördert worden, und 1245 Jahre später errichtete ein Chatte mit friesischen Wurzeln das Bonifatius-Denkmal.

Die Idee, eine Eiche auf dem Domplatz zu pflanzen, findet Enninga sehr begrüßenswert. „Um ein solches Projekt zum Erfolg zu führen, sollten die Menschen Fritzlars zuvor mit einbezogen werden“, regt er an.

Hintergrund

Der Heilige Bonifatius hatte im Jahre 724 eine dem Germanengott Donar geweihte Eiche gefällt und aus dem Holz des Baumes eine kleine Kirche bauen lassen, wahrscheinlich an dem Ort, an dem heute der Fritzlarer Dom steht. Um die Kirche herum entstand ein Benediktiner-Kloster, die Keimzelle der späteren Stadt Fritzlar.

Aus Anlass des 1275. Geburtstags der Stadt beauftragte der Kulturverein Fritzlar den Stuttgarter Bildhauer Ubbo Enninga, eine Bronzeplastik zu schaffen, die 1999 - dem Tag des Heiligen Bonifatius - auf dem Domplatz aufgestellt wurde. Quelle: Kulturverein Fritzlar

Von Maja Yüce

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