Viel Zeit blieb den Menschen nicht, um einige Vorkehrungen zu treffen und um ihre Tiere in Sicherheit zu bringen. „Wir haben die Ställe leer gemacht“, sagt Walter Schmidt. Die Kühe wurden in einen höher gelegenen Bereich getrieben. Schweine und Kaninchen kamen auf einen Kastenwagen und wurden in Sicherheit gebracht. „Mein Vater war damals noch nicht im Krieg. Er wurde erst 1944 eingezogen“, erinnert er sich. Außerdem lebten bei ihnen auf dem Hof Städter, die vor dem Krieg geflohen waren. „Es waren genug Helfer da, um die Tiere wegzubringen.“ Dank der frühen Warnung hätten die Einwohner von Niedermöllrich Zeit zum Handeln gehabt und wurden nicht von der Flut überrascht wie Menschen im Edertal.
„Wir wussten früh genug, was uns erwartet – aber nicht, wie hoch die Flut sein würde“, sagt Walter Schmidt. Letztendlich habe das Wasser auf dem Hof seiner Eltern wohl etwa einen Meter hoch gestanden. „Es ist keiner gestorben und große Schäden gab es auch nicht“, erinnert sich der 92-Jährige. „Fotos hat damals noch keiner gemacht.“
Gegen elf Uhr sei der Flutpegel bereits wieder gesunken, da sich das Wasser in einem immer größeren Gebiet verteilte. Wider Erwarten überstand auch die Brücke über die Eder am Ortseingang von Niedermöllrich die Flut. In Tümpeln habe jedoch noch wochenlang Wasser gestanden. „Wir haben dort Aale gefangen“, sagt Walter Schmidt, der damals schon schwimmen konnte. Der örtliche Pfarrer hatte es ihm und anderen Kindern beigebracht. „Für euch war das eher ein Abenteuer“, sagt Volker Schmidt, Sohn von Walter und Ilse Schmidt. Stärker als Niedermöllrich seien Wabern und Zennern von der Flut betroffen gewesen, so Ilse Schmidt. Die 85-Jährige hat kaum Erinnerungen an die Wassermassen nach der Bombardierung der Edertalsperre. Sie stammt auch aus Niedermöllrich, war 1943 jedoch erst fünf Jahre alt.
„Ich habe vom Oberdorf ins Unterdorf geheiratet“, sagt Ilse Schmidt. 1960 gab sie Walter Schmidt, der hauptberuflich als Landwirt arbeitete, ihr Jawort. Das Paar hat drei Kinder bekommen – einen Jungen und zwei Mädchen. Heute haben sie sechs Enkel und bereits fünf Urenkel. Mittlerweile führt ihr Sohn Volker Schmidt den landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweinemast und Biogasproduktion. Außerdem baut er Zuckerrüben, Getreide und Mais an.
Einige Zeit nach der Überschwemmung fuhr Walter Schmidt zusammen mit seinem Onkel und anderen Einwohnern aus Niedermöllrich einmal mit dem Fahrrad an die Edertalsperre. „Wir haben das Loch in der Mauer gesehen“, sagt er. Es wurde jedoch bereits repariert. (Christina Zapf)