Wegen Dünger und Massentierhaltung: Grundwasser in diesem Landkreis in Gefahr

Zu viel Dünger, Mist und Gülle sorgen für Nitratbelastung im Grundwasser. Einige Kommunen im Schwalm-Eder-Kreis sind nahe an den Grenzwerten.
Das Problem ist eine verfehlte Agrarpolitik in Deutschland und der EU, sagt Grünen-Politikerin Dr. Bettina Hoffmann. Die Bundestagsabgeordnete aus Niedenstein und Sprecherin für Umweltpolitik der Grünen Bundestagsfraktion macht sich Sorgen ums Grundwasser. Es ist das Nitrat, eine Stickstoffverbindung, die über Mineraldünger und organische Nährstoffe wie Mist, Gülle und Gärreste in die Umwelt und damit in das Grundwasser eingetragen wird, das ihr Kopfzerbrechen bereitet.
Der Grenzwert von 50 Milligramm/Liter (mg/l) ist für Hoffmann eine rote Linie, die keinesfalls überschritten werden darf. Er wurde bei 17 Prozent der Grundwassermessstellen im Jahr 2017 überstiegen. Nahezu ein Drittel des Grundwassers in Deutschland sei wegen hoher Nitratwerte in schlechtem Zustand. An fast 40 Prozent der Messstellen seien in den vergangenen zehn Jahren Nitratbelastungen zwischen 25 und 50 mg/l registriert worden.
Auch im Schwalm-Eder-Kreis gibt es nach Darstellung des Regierungspräsidiums Kassel Grundwasser mit einem Nitratgehalt nahe dem Grenzwert. Dazu zählten die Bereiche um Gudensberg, Guxhagen, Bad Zwesten, Malsfeld, die Schwalm und Schwalm-Knüll. In diesen Gebieten sei mit Landwirten auf freiwilliger Basis vereinbart worden, den Nährstoffeintrag so gering wie möglich zu halten. Doch die Nitratbelastung des Grundwassers im Landkreis steige, sagt Hoffmann. Im Bericht zur Grundwasserbeschaffenheit in Hessen gebe es im Landkreis eine Reihe von Messstellen, bei denen die Belastung seit dem Jahr 2000 wachse.
Betrachtet man die Zahlen über einen längeren Zeitraum, werde die Veränderung deutlicher: Waren in den 70er-Jahren die Werte im Kreis im Bereich von zehn 10 mg/l, stiegen sie auf heute 20 mg/l, in einigen Bereichen sogar auf bis zu 30 mg/l, so die Abgeordnete. Und besonders hohe Nitratwerte gebe es dort, wo die Massentierhaltung hoch sei. Dies betreffe Flächen nördlich von Alsfeld und westlich von Fritzlar. Eine Messstelle zwischen Fritzlar und Homberg erreiche den Grenzwert von 50 mg/l.
Hauptgrund für die Nitratverschmutzung sind laut Hoffmann Massentierhaltung und Überdüngung. Für sie ist es klar, dass die industrielle Landwirtschaft ihren Beitrag leisten müsse, um sauberes, bezahlbares Trinkwasser zu sichern. „Bisher war die Landwirtschaft Teil des Problems statt Teil der Lösung“, sagt sie.
Denn die Folgen des Nitrateintrags seien gravierend. Überdüngung führe zu hohem Nährstoffgehalt in Böden und Gewässern, übermäßigem Pflanzenwachstum und zum Verlust der Biodiversität. Die Folge: Die Aufbereitung des Trinkwassers wird aufwendiger. Trotzdem verschleppe die Bundesregierung die Verschärfung des Düngerechts, kritisiert sie. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs drohe eine Strafe von 875.000 Euro pro Tag. Es sei höchste Zeit zu handeln.
Verfehlte Agrarpolitik als Ursache
Nitrat in den Böden verschmutzt das Grundwasser. Doch wie kommt es dort hin und was ist die Hauptursache der Verschmutzung? Welche Folgen und Gefahren hat dies in unserem alltäglichen Leben? Fragen und Antworten dazu.
Was sind die Haupteintragswege für Nitrat?
Wesentlicher Verursacher ist die Massentierhaltung. Je mehr Tiere, desto mehr Gülle fällt an. Es ist viel mehr, als Pflanzen an Nährstoffen aufnehmen können. Das führt zur Überdüngung. „Genau genommen haben wir ein Abfallentsorgungsproblem in der Massentierhaltung“, sagt die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Dr. Bettina Hoffmann. Aber auch über Gärreste aus Biogasanlagen oder Düngemittel werden Stickstoffverbindungen auf die Äcker gebracht.
Wie hoch ist der natürliche Nitratgehalt?
Im Grundwasser beträgt er zwischen 0 und 10 mg/l. An zahlreichen Messstellen auch in unserer Region liegen die Werte zum Teil deutlich darüber. Auch eine Konzentration zwischen 25 und 50 mg/l ist ein Indiz für eine starke Verschmutzung.
Wie wirkt Nitrat im Körper?
Vom Nitrat selbst geht zunächst keine Gesundheitsgefahr aus. Im Körper können Nitrate von Bakterien zu Nitriten umgewandelt werden. In größeren Mengen können Nitrite den Sauerstofftransport im Blut hemmen. Für Säuglinge kann das lebensgefährlich sein.
Was kann die Landwirtschaft tun, um den Nitrateintrag zu verringern?
Es gehe nicht darum, einzelnen Landwirten die Schuld an der Nitratverschmutzung des Grundwassers zu geben, sagt Hoffmann. Deutschland und die EU verfolgten seit Jahren eine verfehlte Agrarpolitik, die auf Masse und Export setzt. Die Grünen fordern, die Tierhaltung an die Fläche zu binden. Ziel müsse sein, einen Viehbestand von maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar zu bekommen.
Nitratwerte werden kontrolliert
Auch der Schwalm-Eder-Kreis ist nicht untätig und will das Trinkwasser vor Nitrat schützen. Zum einen werden nach Angaben des Landkreises Trinkwasserschutzgebiete ausgewiesen. Zum anderen gebe es regelmäßige Kontrollen nach der Düngegesetzgebung und den EU-Nitratrichtlinien. Zudem führt der Landkreis Gespräche mit Wasserversorgern und Landwirten, um die Düngemengen, -periode und -flächen zu steuern. In Gebieten, in denen das Grundwasser hohe Nitratwerte aufweist, wird das Trinkwasser als Mischwasser verteilt, sodass der Nitratwert am Zapfhahn niedrig ist.