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Dieser Mann sanierte einen DDR-Grenzturm

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Aufwändiges Projekt: Der Turm war anfangs in einem miserablen Zustand. © Niemann

Bad Lauterberg. Fredi Willig aus dem Bad Lauterberger Ortsteil Bartolfelde besitzt eine besondere Immobilie: Er hat vor gut 16 Jahren einen alten Grenzturm bei seinem Heimatdorf erworben und dann saniert.

Eine hässliche graue Fassade, zugige dünne Fenster, keinerlei Komfort - eine Traumimmobilie sieht anders aus. Ein Premium-Standort ist es auch nicht gerade: Rundherum nur Bäume, Felder und eine kleine Straße, sonst weit und breit nichts. Trotzdem wollte Fredi Willig diesen Turm unbedingt haben.

Der heute 65 Jahre alte Rentner ist in Bartolfelde, einem Ortsteil von Bad Lauterberg, aufgewachsen. Etwa einen Kilometer südlich verlief die Grenze zur DDR. Hier stand auch ein Turm, von dem aus die Grenze überwacht wurde.

Nach dem Fall der Mauer im November 1989 wurden viele Grenzanlagen und Türme abgerissen. Für Fredi Willig stand damals fest: „Dieser Grenzturm muss als Erinnerung an die deutsche Geschichte erhalten bleiben.“ Da keine staatliche Institution am Erhalt interessiert war, kaufte er den Turm privat.

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Grenzturm-Besitzer: Fredi Willig hat den früheren Führungspunkt der Grenztruppen gekauft und gerettet. Im Innern steht auch eine Puppe mit Uniform. © Niemann

Vorher hatte er allerdings langwierige Verhandlungen mit diversen Behörden führen müssen. Willig ließ nicht locker, bis er schließlich 2001 vom Bundesvermögensamt in Erfurt ein 20 000 Quadratmeter großes Grundstück mitsamt dem Turm erwerben konnte. „Man muss schon ein bisschen verrückt sein, wenn man so etwas macht“, schmunzelt der 65-Jährige. Der Turm war in einem miserablen Zustand. Wie so oft bei leerstehenden Gebäuden, hatten auch hier Unbekannte im Inneren alles verwüstet und mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war: „Sämtliche Fensterscheiben waren kaputt, die Treppenstufen herausgerissen, die Kabel verkohlt, der Keller voller Steine“, erzählt Willig.

Renovierung

Gemeinsam mit Freunden hat er dann nach und nach den Turm renoviert, so dass er wieder begehbar war. „Ein Jahr haben wir dafür gebraucht“, erzählt Willig. Anders als in manchen Grenzlandmuseen ist nur wenig von der Originalausstattung erhalten. „Das hier ist kein Museum, das Gebäude steht auch nicht unter Denkmalschutz“, sagt der Turmbesitzer. Die wenigen Dinge, die noch vorhanden waren, wurden aber wieder eingebaut, etwa die einzige erhaltene Treppenstufe und auch das Treppengeländer.

In den Räumen sind auch eine Fahne, Uniformen, Mützen, Wimpel, ein Honecker-Bild und andere Relikte aus DDR-Zeiten zu sehen. Diese hat Willig aber von anderen Orten zusammengetragen.

Windrose zur Orientierung

Ein etwas kurios anmutendes Original ist eine Windrose, die im Obergeschoss des Turms auf die Decke aufgemalt war – offenbar brauchten die DDR-Grenzer trotz all der Überwachungstechnik auch ganz simple Orientierungshilfen.

Einst Führungspunkt: Turm bietet heute einen grandiosen Ausblick

In den Turm hatten die DDR-Grenztruppen viel Technik eingebaut.

Dafür gibt es einen Grund. „239 Kabel habe ich in diesem Turm gefunden“, erzählt Fredi Willig. Der Grenzturm bei Bartolfelde war ein so genannter Führungspunkt. Von hier aus wurden die umliegenden Abschnitte der insgesamt 1400 Kilometer langen innerdeutschen Grenze mit aufwändiger Funk- und Nachrichtentechnik überwacht und die Einsätze koordiniert. Vor allem im Winter dürfte der Wachdienst oben im Turm kein angenehmer Arbeitsplatz gewesen sein, meint Willig. Zwar habe es einen Elektroofen gegeben: „Aber es ist nie richtig warm geworden.“ Dies hätten ihm einstige Grenzsoldaten erzählt, die damals hier eingesetzt gewesen waren.

Heute können Besucher vom Turm aus einen grandiosen Ausblick genießen: „Bei gutem Wetter kann man bis zum Brocken sehen und sogar den Dampf der Brockenbahn erkennen“, sagt Willig. Von hier oben sieht man auch den alten Kolonnenweg, den damals die Grenztruppen benutzten. Dass der Verlauf so gut zu erkennen ist, ist auch Fredi Willig und seinen Helfern zu verdanken: Mit Zustimmung der Behörden haben sie den Weg, der völlig zugewuchert war, wieder freigeschnitten. Hierüber freuen sich vor allem Wanderer und Radfahrer, weil sie so die einstige Grenze erwandern beziehungsweise „erfahren“ können.

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