1. Startseite
  2. Lokales
  3. Göttingen
  4. Gleichen

Immenser Verkaufserlös für die Realgemeinde-Forst Diemarden: Eiche finanziert neuen Wald

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Thomas Kopietz, Christian Mühlhausen

Kommentare

Ein Forstmitarbeiter steht an einer gefällten Eiche.
Mächtige gefällte Eiche. Die Realgemeinde-Forst Diemarden fällte und verkaufte eine 200 Jahre alte Eiche für einen Rekordpreis. Das Geld wird in Neupflanzungen investiert. © Christian Mühlhausen

Das Fällen einer riesigen Eiche beschert der Realgemeinde-Forst Diemarden einen Rekorderlös: Der Verkauf bringt so viel Geld, dass damit ein neuer Eichen-Wald gepflanzt werden kann.

Diemarden – Dieser neue Eichen-Wald wird dann in 200 Jahren „geerntet“. Sie hat als Jungbaum vermutlich noch Napoleon erlebt, mehrere Kriege überstanden, auf einem Waldhügel oberhalb von Diemarden den Wandel der Kulturlandschaft über die vergangenen 200 Jahre verfolgt, unter ihren Kronen weideten einst Rinder und Schweine.

Jetzt ist eine dicke Eiche mit einem tadellosen Stamm im Wald der Forstgenossenschaft Realgemeinde-Forst Diemarden gefällt und zur Wertholzversteigerung gefahren worden. Dort brachte sie den höchsten Festmeterpreis, den ein Baumstamm dort erzielt hat, nämlich 1.738 Euro pro Festmeter.

Das bedeutet, dass der gesamte 6,3 Festmeter messende Stamm der Genossenschaft fast 11.000 Euro eingebracht hat. Damit könnte die Geschichte des 12,20 Meter langen und in der Mitte 82 Zentimeter starken Stammes aus dem Diemardener Forst erzählt sein.

Doch Hubert Pieper, Vorsitzender der Forstgenossenschaft sowie Manfred Mingram als betreuender Förster von der Försterei Groß Schneen im Forstamt Reinhausen, ist das zu kurz gedacht. Sie laden ein zum Pressegespräch im Wald - und um dort deutlich zu machen, was Nachhaltigkeit im Forst bedeutet.

„Da wurde nicht einfach so eine hiebsreife Eiche gefällt“, sagt Hubert Pieper. Mehrere Generationen von Förstern hätten diesen Eichenbestand über viele Jahrzehnte gepflegt, immer wieder die besten Stämme gefördert und dafür weniger gute Bäume gefällt. Immer mit dem Ziel, dass eines Tages hier besonders wertvolle Stämme geerntet werden können.

Pieper betont, wie wichtig ihm eine kontinuierliche, verlässliche Betreuung des Privatwaldes durch kundige Förster ist, bei dem Nachhaltigkeit vor Ertrag steht.

Denn die jetzt gefällt Eiche hatten mehrere Förster seit 30 Jahren immer wieder in Augenschein genommen und geprüft, ob sie gesund ist, noch wächst und gar Krankheiten drohen, wie Fäule oder Schadorganismen.

2021 fiel dann die Entscheidung, auch nachdem mehrere Eichen in der Nähe allmählich abstarben: „Wir ernten.“ Das Warten hat sich gelohnt, denn die Preise fürs Eichenholz sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen.

Was wir hier geerntet haben, wurde von mehreren Generationen vor uns gehegt und gepflegt.

Hubert Pieper, Vorsitzender der Forstgenossenschaft

„Was wir hier geerntet haben, wurde von mehreren Generationen vor uns gehegt und gepflegt“, sagt Pieper. Er sehe sich daher als Vorsitzende in der Verantwortung in einer Art Generationenvertrag. Und macht auch gleich deutlich, warum von dem Erlös nicht viel übrig bleibt. „Das Geld haben wir gleich nebenan investiert und zwar, bevor wir es überhaupt hatten“, scherzt er.

Vor zwei Jahren entstand 100 Meter entfernt auf Anregung von Förster Mingram ein neuer Eichenwald – auf etwa Sportplatzgröße hatte die Trockenheit der vergangenen Jahre hier die Bäume zum Absterben gebracht, eine unbewaldete Freifläche ist entstanden. Die Eiche ist eine so genannte Lichtbaumart, was bedeutet, dass sie auch als Jungbaum einen freien Himmel braucht und keinen Schatten von dort stehenden Nachbarbäumen“, verdeutlicht Mingram.

Fällt ein Eichensamen also in einem geschlossenen Wald auf den Boden, hat sie kaum eine Chance.

Die Freifläche als Störung im Wald bot jetzt aber genau diese Chance für die Baumart Eiche, die es ansonsten nicht so leicht hat in einem naturnahen Waldbau mit dem Dauerwald als Vorbild, in dem auf gleicher Fläche ständig alte, mittelalte und junge Bäume wachsen und in dem daher Freiflächen wie diese nicht vorkommen (sollten).

Einen Wald aus Eichen neu zu begründen, statt mit Nadelhölzern, Buchen und Edellaubhölzern, das ist auch eine Frage des Geldes. Denn einen Zaun zu bauen gegen hungrige Rehe und die teuren Eichenpflanzen, das gehe ins Geld.

Hinzu kommt: Während beim Nadelholz schon nach einem viertel Jahrhundert erste Erträge anfallen bei Durchforstungen, dauert es bei der Eiche viel länger. Und während eine Fichte mit 90 Jahren, eine Buche mit 120 Jahren hiebsreif ist, dauert es bei der Eiche 180 bis 200 Jahre. Zudem ist auch das Risiko für den Einzelbaum über die längere Laufzeit viel höher. „Aber da wären wir wieder beim Generationenvertrag“, sagt Pieper: „Wir pflanzen jetzt etwas an, von dem man erst ab 2200 stärkere Bäume ernten kann.“

Von der Entscheidung für die Eiche profitiert auch die Tierwelt: Auf einer Eiche leben bis zu verschiedene 250 Tierarten, vor allem Insekten und Vögel. Die Baumart trägt dadurch also auch zu mehr Artenvielfalt im Wald bei.

Übrigens: Man hätte die alte Rekord-Eiche auch nicht sich selbst überlassen können, wie Pieper sagt. „Wir können uns solche Investitionen in den Wald, solche Eichenanpflanzungen nur leisten, wenn wir auch Erlöse aus dem Holzverkauf haben.“ Zudem sei es eine Frage der Logik: „Wir wollen Produkte aus Holz statt aus Kunststoff und lieber heimisches als aus den Tropen importiertes. Dann müssen wir das über Jahrzehnte herangepflegte Holz auch nutzen dürfen.“

Und was wird aus der gefällten Rekord-Eiche? Ein Furnierwerk aus dem Münsterland hat die Eiche aus Beethovens Zeiten ersteigert und will ihr Holz in hauchdünnes Furnier schneiden.

Aus einem Kubikmeter Holz können laut Werk rund 1.000 m² Furnier entstehen. Die Eiche reiche laut Landesforsten aus, um ein kleines Fußballfeld vollständig mit Furnierholz in 0,6 Millimeter Stärke zu bedecken. (Christian Mühlhausen/Thomas Kopietz)

Auch interessant

Kommentare