Eine berührende Inszenierung
„Wir waren“-Premiere im Deutschen Theater: Das Altern im Spiegel
Göttingen. Das Deutsche Theater (DT) hat sich mit dem Stück „Wir waren“ des französischen Autors William Pellier des Themas „Altern und Alter“ angenommen – in einer sehr berührenden und beeindruckenden Inszenierung hatte „Wir waren“ im Studio Premiere.
Unter den Zuschauern, die sich ihre Sitzplätze suchen, ist auch ein altes Ehepaar, sie bei ihm untergehakt. Sie nehmen in der ersten Reihe Platz, erwartungsvoll wie alle anderen. Dann dreht sich der Mann um und teilt fast lapidar den Menschen hinter ihm mit: „Meine Frau und ich bringen uns in zwei Wochen um“. Das sitzt.
In monologartigen, stark verdichteten Textpassagen erzählen beide von ihrem Vorhaben, sich nach einem letzten Urlaub in ihrem Mietkaufbungalow im Süden samt Pudel im Auto in einen See stürzen zu wollen. Der ansonsten unvermeidbaren Einweisung in „eine spezialisierte Einrichtung“ wollen sie damit entkommen; ein letzter Akt der Selbstständigkeit.
Die Zuschauer erfahren von ihrem eintönigen Leben zwischen Kreuzworträtseln, Fernsehen und dem Treffen des Nachbarschaftsverein gegen Diebstahl und Vandalismus als einzigem sozialen Kontakt.
Sympathie empfindet man nicht so richtig, wenn sie ihre fremdenfeindlichen Bemerkungen loslassen, und doch berührt ihr Schicksal stark. Denn es kommt alles anders als geplant, sie landen doch im Altenheim.
Pellier hat nicht umsonst ein sehr durchschnittliches, fast schon klischeehaftes Paar gewählt. Gleich in mehrerer Hinsicht hält er uns mit ihnen einen Spiegel vor, offenbart, wie wir nicht nur allgemein mit dem Thema Alter umgehen, sondern gewährt uns auch einen bedrückenden Blick in die eigene Zukunft.
Dass das Thema nicht abstrakt bleibt, ist neben der dichten und sehr fein abgestimmten Inszenierung (Antje Thoms, Dramaturgie Michaela Oswald, Ausstattung Lea Dietrich) vor allen Dingen den Schauspielern zu verdanken.
Gaby Dey und Paul Wenning spielen das Paar nicht nur, sondern verkörpern einen alten Mann und eine alte Frau mit all den unbeholfener werdenden Bewegungen und der sich verändernden Mimik überaus realistisch.
Vom als Beschäftigungstherapie eingesetzten, erniedrigendem Spiel mit einem Kinderball, über Wennings ständiges Mundabwischen wegen des Speichelflusses, bis hin zu Deys am Ende völlig leerem Blick wird die Hoffnungslosigkeit des Paares körperlich spürbar. Am Ende lang anhaltender, mehr als verdienter Applaus für Schauspieler und Inszenierung.
• Die nächsten Termine von „Wir waren“ im DT: 29. Januar, 5., 21. und 28. Februar. Karten unter: Tel. 0551/49690
Von Carmen Barann