Möglicher Direktverkauf: Altes Gefängnis in Göttingen bleibt der Zankapfel

Wie geht es mit dem ehemaligen Gefängnis in der Göttinger Innenstadt weiter? Darüber ist ein heftiger Streit entbrannt. Anfang Mai soll eine Entscheidung fallen.
Göttingen – Die Zukunft der früheren Justizvollzugsanstalt an der Oberen Masch in Göttingen bleibt ein Zankapfel. Das Haushaltsbündnis aus SPD, CDU und FDP im Rat will den Gebäudekomplex auf dem Wege der Direktvergabe verkaufen. Daran gibt es scharfe Kritik von mehreren Seiten.
Die Idee der Direktvergabe präsentierte das Haushaltsbündnis zur Überraschung von zahlreichen Anwesenden als Tischvorlage im Bauausschuss. Wesentlicher Grund für den Vorschlag: Das Bündnis möchte das Tempo bei dem Projekt machen. Sie befürchtet, dass erst 2027, 2028 oder gar erst 2029 für eine Nachnutzung zur Verfügung stehen könnte.
Zwei Anforderungen an mögliche Interessenten
An einen möglichen Interessenten für den Gebäudekomplex stellt das Bündnis zwei Anforderungen: So soll der Bewerber Erfahrungen bei der Entwicklung vergleichbarer Immobilien haben und eine entsprechende Referenzliste einreichen. Außerdem muss der potenzielle Käufer bereit sein, sich einem Vertrag zu unterwerfen, in dem die städtebaulichen und bauleitplanerischen Ziele der Stadt abgesichert werden.
Wir wollen wegkommen von einem investorengesteuerten Städtebau.
Gegen diese Vorgehensweise zeichnete sich bereits während der Bauausschusssitzung massiver Widerstand ab. Grüne, Linke und das Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung kritisierten scharf, dass sie von den Plänen des Haushaltsbündnisses erst in der Sitzung erfahren haben. Das sei schlechter Stil.
Grünen-Ratsfrau Dagmar Sakowski sprach mit Blick auf den Vorstoß von SPD, CDU und FDP von einem „Rückfall in die städtebauliche Steinzeit“. Und weiter: „Wir wollen wegkommen von einem investorengesteuerten Städtebau.“
Verwaltung fordert „Konzeptvergabe“
Kritik an dem Vorgehen des Haushaltsbündnisses kommt auch von Baudezernent Frithjof Look. Er spricht sich für eine „Konzeptvergabe“ aus. Dadurch bestehe die Chance auf unterschiedliche und unkonventionelle Nutzungskonzepte. Die Grünen sprechen sich weiterhin für eine Machbarkeitsstudie. Erst müsse geklärt werden, welche Möglichkeiten in dem Gebäude bestehen.
Scharfe Kritik an den Plänen an dem Projekt kommt zudem von der Initiative, das sich für ein soziales Zentrum in dem Ex-Gefängnis machen wollen. Aktivisten hatten den Komplex im vergangenen Jahr tagelang besetzt – wir berichteten, um den Forderungen nach dem sozialen Zentrum Nachdruck zu verleihen. Während der Diskussion im Ausschuss war erneut deutlich geworden, dass die Stadt die Sanierung des Gebäudes nicht finanzieren kann.
Investor aus Braunschweig zog sich zurück
Ursprünglich sollte ein Investor aus Braunschweig die Immobilie entwickeln. Trafo Hub wollte aus dem früheren Gefängnis einen „Co-Working- und Co-Living-Space“ machen, bei dem Interessenten vorübergehende Arbeits- und Wohnmöglichkeiten bekommen können. Allerdings hatte sich das Unternehmen im November von dem Projekt zurückgezogen und dies mit gestiegenen Baukosten, Zinssteigerungen und Auswirkungen des Ukraine-Krieges begründet.
Wie es am Ende weitergeht, soll nun während der nächsten Bauausschusssitzung Anfang Mai abschließend entschieden werden. (Bernd Schlegel)
Initiative spricht von „verstörenden Plänen“ des Haushaltsbündnisses
Die Initiative, die sich für ein soziales Zentrum in der ehemaligen JVA einsetzt, spricht unterdessen mit Blick auf die aktielle Entwicklung von „verstörenden Plänen“ des Haushaltsbüdnisses. Sie zielten auf ein Aus für das soziale Zentrum.
„Mit einer Schnellvergabe ohne politische Kriterien kann in keinem Fall den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprochen oder gar ansatzweise entgegengekommen werden. Alles bisherige bürgerschaftliche Engagement, unsere Konzeptarbeit, unsere Weiterentwicklungen werden missachtet. Was hier passiert ist ein Exempel für Gentrifizierung aller erster Klasse“, sagt Anna Müller von der Initiative. (bsc)