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Angebot von Aktivisten: Eine Bleibe für „Boat People“ in Göttingen

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Wird dieses Haus an der Oberen Masch in Göttingen eine Unterkunft für Bootsflüchtlinge? Die Bewohner wollen drei Gerettete aufnehmen. © Bernd Schlegel

Göttingen – Die Region Hannover hat sich im vergangenen Oktober zum „sicheren Hafen“ für Flüchtlinge erklärt. In Göttingen stimmte die Ratsmehrheit von CDU und SPD gegen eine entsprechende Initiative von Linken, Grünen und Piraten. Doch jetzt gibt es ein Unterbringungangebot für Bootsflüchtlinge von einem Hausprojekt in der Uni-Stadt.

Bei der Ablehnung wurde unter anderem mit angeblich fehlendem Wohnraum und mit den zusätzlich anfallenden Kosten bei der Versorgung argumentiert. Diese Gründe seien vorgeschoben, sagen die Bewohner des Göttinger Hausprojektes „OM10“. Sie bieten an, drei aus Seenot gerettete Flüchtlinge in ihren Räumen aufzunehmen und vollständig für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Die Finanzierung werde über Spenden gewährleistet.

„Damit setzt die OM10 ein praktisches Zeichen gegen die von der Stadt Göttingen behauptete Handlungsunfähigkeit bezüglich der Aufnahme von Geflüchteten und die bisherige Weigerung, Göttingen als ‘sicheren Hafen’ zu erklären“, heißt es in einer Mitteilung.

Im November 2015 hatten ein paar Dutzend junge Leute das zuvor sechs Jahre leer stehende Gewerkschaftshaus in Göttingen besetzt. Nach langen Verhandlungen kaufte die Initiative „Our House OM10“ 2017 das mehrstöckige Gebäude, seither richten die Aktivisten es überwiegend in Eigenarbeit als Wohnraum und Stadtteilzentrum her. Die Buchstaben O und M stehen für den Straßennamen Obere Masch, die 10 für die Hausnummer.

Ihr Angebot erfolge „aus Verzweiflung über das massenhafte, geduldete und herbeigeführte Sterben an den Grenzen Europas und strategische Fehlplanungen der Stadt Göttingen bei der Wohnraumbeschaffung“, erklärt die „OM10“.

Sie verstehe ihre Zusage als humanitären Akt, der allerdings ein falsches politisches Signal aussende: Denn wenn Bewohner und Unterstützer die vollständige ökonomische Versorgung geretteter Menschen übernähmen, entlaste dies gleichzeitig Staat und Politik bei der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags. „Ein Dilemma“, wie die Aktiven selbst einräumen. Um es aufzulösen, verfolgen sie nun eine Art Doppelstrategie.

Zum einen appellieren sie an weitere Menschen und Projekte, ebenfalls ernst gemeinte Angebote für die Unterbringung Geretteter zu machen. Dadurch könne praktische Solidarität sichtbar gemacht und wirksam werden. Auf der anderen Seite will die „OM10“ mit ihrer Offerte den politischen Druck auf Politiker und Behörden erhöhen, damit diese die Abschottung und das Massensterben an den Grenzen stoppen.

3000 Menschen starben auf der Flucht im Mittelmeer

Im vergangenen Jahr starben nach Angaben von Flüchtlingsräten fast 3000 Menschen auf der Flucht vor Krieg und Armut im Mittelmeer, im Januar ertranken bereits mindestens 270 Frauen, Männer und Kinder. Gleichzeit werden zivile Seenotretter bedroht, behindert und juristisch verfolgt. Schiffe wie nun erneut die „Sea-Watch 3“ dürfen weder anlegen noch auslaufen.

Die wenigen Geretteten kommen oft in überfüllten, menschenunwürdigen Lagern wie auf der griechischen Insel Lesbos unter oder werden in lybische Foltercamps zurückgebracht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigte sich jüngst zufrieden damit, gerettete Menschen im Wesentlichen nicht in Deutschland aufgenommen, sondern durch ökonomischen Druck auf andere Länder verteilt zu haben. Insofern – das wissen die Aktivisten aus der „OM10“ – bleibt auch ihr Angebot zur Aufnahme und Versorgung von drei geretteten Flüchtlingen symbolisch. So lange jedenfalls, wie diese Menschen nicht nsach Deutschland und nach Göttingen gelassen werden.

Von Reimar Paul

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