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Bundesweiter Aufruf: Querdenker sind in Göttingen im Anmarsch

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Von: Melanie Zimmermann

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Ein großes Polizeiaufgebot steht 2016 auf dem Vorplatz des Göttinger Bahnhofs
Sieht so erneut der Bahnhofsvorplatz am Samstag, 1. April, aus? 2016 gab es diverse Aufmärsche rechtsextremer Gruppen in Göttingen. Das Bündnis gegen Rechts stellte sich ihnen schon damals entgegen. (Archivbild) © Privat/nh

Vermeintliche „Friedensdemonstration“ auf dem Göttinger Bahnhofsvorplatz am 1. April kommt aus der Querdenker-Szene. Gegenkundgebungen sind angekündigt.

Göttingen – Nein, es ist kein Aprilscherz. Pünktlich zum 1. April wird die Uni-Stadt zum Mittelpunkt zahlreicher Demonstrierenden. Grund: Unter dem Motto „Frühlingserwachen für mehr Menschlichkeit“ wird in den sozialen Netzwerken seit Wochen zu einer vermeintlichen Friedensdemonstration am Samstag auf dem Bahnhofsvorplatz in Göttingen aufgerufen.

Die Organisatoren sind unbekannt, scheinen jedoch aus der „Querdenker-Szene“ zu kommen. Entsprechend gibt es bereits diverse angemeldete Gegendemonstrationen.

Bundesweiter Aufruf in der Querdenker-Szene: Am 1. April findet eine Demo in Göttingen statt

Bereits seit Montag, 27. März, ziehen täglich ab 17.30 Uhr Autokorsos durch das Göttinger Stadtgebiet, hinein ins Umland bis in den Landkreis Northeim. Begleitet von der Polizei rufen die Teilnehmenden via Lautsprecher dazu auf, am 1. April um 13 Uhr zur Kundgebung auf den Bahnhofsvorplatz zu kommen.

Laut dem Göttinger Bündnis gegen Rechts handelt es sich bei dem Veranstalter um den aus Nordrhein-Westfalen kommende Michael Schele. Bereits in der Vergangenheit habe Schele regelmäßig Autokorsos und Kundgebungen veranstaltet und sei dabei thematisch von der Corona-Pandemie zum Ukraine-Krieg gewechselt. Bei einer Querdenker-Großdemo in Kassel im Jahr 2021 wurde Schele von der Polizei festgenommen.

Bis einschließlich Freitag, 31. März, wurden der Stadt Göttingen Versammlungen in Form von Auto-Korsos angezeigt, teilt Stadtsprecher Dominik Kimyon auf Nachfrage mit. Nach den der Stadt vorliegenden Angaben sei vorgesehen, mit sieben bis zehn Fahrzeugen in langsamer Geschwindigkeit im Auto-Korso durch die Straßen zu fahren – in Begleitung der Polizei Göttingen.

Mit täglichem Autokorso rufen Veranstalter zu einer „Friedensdemonstration“ auf

Via Lautsprecher werden dabei Anwohnerinnen und Anwohner zur „Friedensversammlung“ auf dem Bahnhofsvorplatz mit anschließendem „Spaziergang durch die Innenstadt“ eingeladen.

Schon die Wortwahl des Veranstalters weckt Erinnerungen an die Aufrufe zu Spaziergängen, die während der Corona-Pandemie stattfanden und aus der sich deutschlandweit formierten Querdenker-Szene kamen.

Die Bedeutung des Begriffs „Frühlingserwachen“ in der deutschen Geschichte

Am 6. März 1945 startete die letzte große Offensive des Dritten Reiches im Zweiten Weltkrieg: die Operation Frühlingserwachen.

In den zusammenbrechenden Strukturen von Wehrmacht und Kriegswirtschaft gelang es den Deutschen, noch einmal eine große Streitmacht zusammenzuziehen.

An der Operation Frühlingserwachen nahmen 430.000 Soldaten, etwa 800 Panzer und Sturmgeschütze, 6.000 schwere Geschütze und Mörser teil. Sogar 800 Flugzeuge hatte man zusammengekratzt. (mzi)

Laut Stadtsprecher Dominik Kimyon, der ausdrücklich betont, dass die Stadtverwaltungen grundsätzlich keine Versammlungen genehmige, sondern lediglich seitens der Versammlungsbehörde eine Bestätigung erfolgen muss, wurden „sowohl die Autokorsos als auch die Versammlung am 1. April“ von Privatleuten bei der Stadt angezeigt.

Rund 300 Teilnehmende würden demnach zur Kundgebung am Samstag auf dem Bahnhofvorplatz erwartet. Dort startet gegen 14 Uhr auch der „Spaziergang“. Dieser führt über die Berliner Straße und Goethe-Allee in die Innenstadt. Anschließend geht es in Richtung Hiroshimaplatz, von dort Richtung Bahnhof über die Bürgerstraße zurück zum Bahnhof.

Schaut man sich auf der Plattform Instagram das Profil der „Frühlingserwachen“-Demo an, so liest man in den einzelnen Ankündigungen auch immer wieder kritische Sätze zu Corona, Impfung und Bundespolitik.

„Friedensdveranstaltung“: Göttinger Gegenprotest formiert sich bereits

Das Bündnis gegen Rechts ruft für Samstag, 1. April, ab 12 Uhr, am Göttinger Bahnhof zum Protest gegen „das verschwörungsideologische ‘Frühlingserwachen’“ auf. Laut Stadtverwaltung werden auch dort rund 300 Menschen erwartet.

Grünen-Landtagsabgeordnete Marie Kollenrott unterstützt diesen Aufruf auf ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken. „Kommt zusammen mit dem Bündnis gegen Rechts am kommenden Samstag auf die Straße und zeigt, dass in Göttingens vielfältiger, bunter und demokratischer Stadtgesellschaft kein Platz für Querdenker:innen und Nazis ist“, schreibt sie auf Instagram.

Weitere angezeigte Gegenkundgebungen gibt es am Samstag am Auditorium, am Wilhelmsplatz sowie am Hiroshimaplatz.

Die Recherche-Ergebnisse des Göttinger Bündnisses gegen Rechts zur Demo gibt es unter fruehlinggegenrechts.de (mzi)

Einen Hinweis auf den oder die offiziellen Veranstalter gibt es auch auf dem Profil nicht, aber einen Link. Dieser führt zu einer Gruppe des Messenger-Dienstes „Telegram“, der sich in der Querdenker-Szene großer Beliebtheit erfreut.

Was man dort noch findet, sind erste Zusagen. Unter anderem wollen die „Oberhavel Trommler“ den Aufmarsch in Göttingen unterstützen. Ihr Profil zeigt: Sie sind regelmäßig bei Spaziergängen dabei. Genau wie Dr. Daniel Langhans, der in einem Video zu sehen ist.

Der Pfaffenhofener ist kein Unbekannter in der Querdenker-Szene. Wie unter anderem die Augsburger Allgemeine im Mai vergangenen Jahres berichtete, wurde Langhans auf einer Demo in Hannover von der Polizei von der Bühne geholt: Er unterstützte Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. (Melanie Zimmermann)

Streit innerhalb der Querdenker-Szene: Das Landgericht Göttingen hat entschieden, ein Querdenker-Anwalt darf sich nicht zur Filmproduktionsfirma des „Corona-Ausschusses“ äußern.

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