Busfahrer holen 45 ukrainische Flüchtlinge nach Herberhausen

45 Geflüchtete aus der Ukraine hat das Göttinger Unternehmen „Der Fahrdienst“ aus Moldawien in den Stadtteil Herberhausen gebracht. Dort kommen sie vorübergehend privat unter.
Herberhausen – Wie „ein schlechter Traum“ erscheinen Lucy Chebanova die vergangenen zwei Wochen vor. Ein „gutes Leben“ hätten sie und ihr Mann in der südukrainischen Hafenstadt Odessa geführt, den Kauf einer eigenen Wohnung geplant, erzählt sie. „Völlig überraschend“ sei für sie Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine gekommen. Niemals hätten sie sich vorstellen können, dass die russische Armee „mit beispielloser Brutalität“ Zivilisten „des Brudervolkes“ töte.
Odessa und die umliegenden Städte seien nicht auf Bombardierungen vorbereitet, berichtet Chebanova. Anders als in der Hauptstadt Kiew gebe es keine Metro. Die wenigen Bunker in der Stadt verfügten über kein Mobiliar, kein Wasser. So habe sie sich mit ihren anderthalbjährigen Sohn bei Sirenenalarm ins Badezimmer zurückgezogen, das aber kaum Schutz biete.
Kloster vermittelte den Kontakt zu den Göttinger Busfahrern
Russische Verwandte, denen sie am Telefon ihr Leid klagten, hätten ihnen nicht geglaubt. Auf Drängen ihres Mannes sei sie mit ihrem Kind und der Schwiegermutter nach Moldawien geflohen, sagt die Ukrainerin unter Tränen. Ihre Mutter, eine Krankenschwester, sei vor Ort geblieben, ebenso ihre Schwester.
Familie Chebanova kam in einem Flüchtlingslager nahe der moldawischen Hauptstadt unter. Das Kloster der barmherzigen Schwestern vermittelte den Kontakt zu den Göttinger Busfahrern – Dieter Bause, Karl Josef Klöppner und Timo Lehmann. Sie hatten Sanitäter Tim-Merlin Gansneder zahllose Kartons mit Hilfsgütern an die moldawische Grenze zur Ukraine gebracht.
Lange Verhandlungen mit Zöllnern wegen fehlender Frachtpapiere
Gesammelt hatte die Sachspenden das Volpriehäuser Landhotel „Am Rothenberg“. Fahrdienst-Geschäftsführer Markus Kaczmarek erklärte sich bereit, den Transport zu übernehmen. Der Bus fuhr über Österreich, Ungarn und Rumänien. In den Karpaten lag 50 Zentimeter hoch Schnee. Die Serpentinen waren eng.
An der Grenze zu Moldawien gab es lange Verhandlungen mit den Zöllnern, weil keine Frachtpapiere vorlagen. In Moldawien selbst waren die Straßen dann in einem derart schlechten Zustand, dass die Göttinger für die letzten 80 Kilometern zwei Stunden brauchten. Schließlich erreichten sie eine Baptistengemeinde, wo sie die Güter ausladen konnten.
Die Rückreise dauerte 43 Stunden
Die Christen vermittelten ihnen den Kontakt zum Kloster. Dort warteten die Ukrainerinnen sowie drei Männer, zwei Großväter und ein gesundheitlich angeschlagener Mann auf sie. Innerhalb einer Viertelstunde war das schmale Gepäck verladen. Die Rückreise dauerte 43 Stunden. Fünfeinhalb Stunden stand der Bus an der moldawischen, weitere viereinhalb Stunden an der ungarischen Grenze. Visa für den Schengen-Raum waren auszustellen, Fotos zu machen, Fingerabdrücke zu nehmen.
In Göttingen wurden alle Ukrainer auf Corona getestet. Danach ging es weiter zum Herberhäuser Bürgerhaus, wo der Lions Club Bettina von Arnim unter Leitung von Heidrun Korsch, der ehemaligen Leiterin des Hann. Mündener Grotefend-Gymnasiums, für Verpflegung sorgte. Für alle Geflüchteten gab es dann eine Privatunterkunft. Dafür hatte Andrea Gruttke-Henze vom örtlichen Sportverein in Herberhausen gesorgt. (Michael Caspar)