Carina Hermann (CDU) kritisiert Landesregierung: „Weil verwaltet Niedersachsen.“

Göttingerin Carina Hermann ist seit dem Herbst Landtagsabgeordnete. Wir sprachen mit der Parlamentarischen Geschäftsführerin der CDU-Fraktion.
Göttingen/Hannover – Carina Hermann hat eine steile politische Karriere hingelegt. Als frisch gewähltes Mitglied des Niedersächsischen Landtags hat die in Hannover gut vernetzte Göttingerin, die dort zuvor den CDU-Stadtverband leitete, den Posten als Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion erobert. Mit Hermann sprachen wir über die ersten Wochen in dieser Position, im Landtag und in der Opposition.
Der neue Landtag hat sich vor vier Monaten konstituiert. In der CDU-Fraktion sind 22 von 47 Mitgliedern neu im Parlament, auch Sie selbst. Konnte da die Fraktion überhaupt schon richtig ins Arbeiten kommen?
Ja, wir sind sehr schnell konstruktiv an die Oppositionsarbeit herangegangen. Wir haben uns personell neu aufgestellt und uns hinter Sebastian Lechner als unseren neuen Fraktions- und Landesvorsitzenden versammelt. Die neuen Kolleginnen und Kolleginnen sind hoch motiviert; da bin ich sehr stolz drauf. Wir sind jünger geworden, wir sind weiblicher geworden. Das zeigt sich deutlich in der parlamentarischen Arbeit. Wir kommen manchmal gar nicht mehr so schnell hinter dem großen Ideendrang für Gesetzesvorhaben und Entschließungsanträgen unserer jungen Leute hinterher. Deswegen ist unsere Klausurtagung nun auch so inhaltsreich. Wir beschäftigen uns mit vielen Konzepten als Gegenentwurf zur rot-grünen Landesregierung, die bislang noch nicht so viel liefert.
Ist dieser Vorwurf an die Koalition von SPD-Ministerpräsident Stephan Weil vier Monate nach Amtsantritt nicht etwas hart?
Bislang hat Rot-Grün nicht einen einzigen Gesetzentwurf eingebracht. Auch bei den Entschließungsanträgen hätte ich von SPD und Grünen deutlich mehr erwartet. Wenn man in dem Tempo weitermacht, arbeitet man den Koalitionsvertrag in den fünf Jahren sicher nicht ab. Die Niedersachsen haben einen Anspruch darauf, dass ihr Land von Ministerpräsident Stephan Weil nicht nur verwaltet wird. Niedersachsen ist ein Zukunftsland; hier liegen so viele Dinge auf dem Tisch, die man endlich anfassen muss. So bleiben beispielsweise die Potenziale der Geothermie völlig ungenutzt. An neuen, innovativen Ideen fehlt es völlig.
Machen die Mehrheitsfraktionen Ihnen als Opposition eigentlich das Leben schwer?
Unser Anliegen, die Anzahl der Entschließungsanträge im Parlament von derzeit zwei auf drei oder vier zu erhöhen, hat Rot-Grün einfach abgelehnt. Das zeigt, dass man dort offenbar Angst vor guten Ideen der größten Oppositionsfraktion und sinnvollen Alternativen zum Regierungshandeln hat. Und richtig fassungslos bin ich, weil Rot-Grün im Kultusausschuss eine Anhörung zu unserem Gesetzentwurf zum Erhalt der Förderschulen Lernen abgebügelt hat. Schlichtes Argument: Ein solches Gesetz wollen wir nicht, also brauchen wir uns auch nicht mit der Meinung von Vertretern der Eltern, Schüler und Lehrkräfte zu befassen. Das ist nicht nur undemokratisch, sondern auch nicht gerade souverän.
Ist das aber nicht zumindest effektiv?
Das ist nicht mein Verständnis von Demokratie. Der Landtag soll um die besten Ideen für das Land streiten. Wenn die Opposition ein Thema aufgreift, das viele Menschen betrifft, bei dem viele, übrigens auch in Kreisen von SPD und Grünen, eine andere Meinung haben, muss man doch in der Lage sein, dazu eine Anhörung mit Experten zu machen.
Auf Ihrer Klausur beschäftigen Sie sich auch mit dem Fachkräftemangel. Welche neuen Ideen haben Sie da entwickelt?
Wir wollen Migrantinnen und Migranten in unserem Land gezielt als Fachkräfte gewinnen. Das Motto lautet „mit Herz und Konsequenz“. Wir brauchen diese Menschen, um unseren Wohlstand und unsere Wirtschaft zu sichern. Deswegen müssen wir offener gegenüber Migration sein und beide Seiten der Medaille sehen. Dazu gehört, dass wir Straftäter konsequent abschieben. Dazu gehört aber auch zu regeln, wie wir Menschen, die hier leben, die arbeiten und sich qualifizieren wollen, in unsere Gesellschaft integrieren. Wie wir ihnen Angebote machen, die deutsche Sprache zu erlernen, eine Ausbildung zu machen und Jobs anzunehmen. Wir haben eine große Zahl von Migrantinnen und Migranten mit abgelehnten Asylanträgen aber mit Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Ganz viele von ihnen wollen hier arbeiten. Denen muss man sagen: Du kriegst unter dem Aspekt Fördern und Fordern eine Bleibeperspektive. Da werden wir als CDU einen neuen Weg diskutieren. (Peter Mlodoch)
Zur Person
Carina Hermann (38) ist seit November Parlamentarische Geschäftsführerin in der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion. Damit hat die Abgeordnete den zweitwichtigsten Posten nach dem Fraktionsvorsitz inne.
Zwischen 2013 und 2018 war Hermann Richterin am Amts- und Landgericht Göttingen, später Referatsleiterin im niedersächsischen Justizministerium. Hermann ist verheiratet und lebt in Göttingen, wo sie auch Jura studiert hat.