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Besseres Leben gesucht: Deutsches Theater Göttingen zeigt „Fragmente der Zärtlichkeit“

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Von: Ute Lawrenz

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Die Hauptfigut Eddy (Moritz Schulze, Mitte) in einer Szene mit seinem Vater (Marco Matthes, links) und seiner Mutter (Jenny Weichert).
Die Hauptfigur Eddy (Moritz Schulze, Mitte) in einer Szene mit seinem Vater (Marco Matthes, links) und seiner Mutter (Jenny Weichert). © Lenja Kempf/nh

„Fragmente der Zärtlichkeit“ nach Édouard Louis läuft derzeit im dt.2 des Deutschen Theaters in Göttingen. Erzählt wird die Geschichte einer Suche.

Göttingen – Der Weg des Jungen Eddy macht Hoffnung: Ist der Ausbruch aus dem Elend doch möglich? Trotz der Armut der Eltern in der Arbeiterklasse und einer von Gewalt geprägten Kindheit schafft Édouard den Weg ans Gymnasium, wird Autor.

In der Regie von Moritz Franz Beichl wird die Familiengeschichte in Édouards Erinnerung im Deutschen Theater in Göttingen lebendig. Viel Beifall spenden die Zuschauer für eine Geschichte, die an die Nieren geht, im dt.2 des Deutschen Theaters.

Deutsches Theater in Göttingen zeigt Lebensgeschichte von Édouard Louis im dt.2

Eddy liebt seine Mutter – auch wenn diese sein Handeln nicht immer gutheißt. Grausam sei er gegenüber dem Bruder, wirft sie ihm vor, als er dessen selbstgemachtes Geschenk einfach zerstört. Doch es gibt auch Momente des Verstehens, die zu „Fragmenten der Zärtlichkeit“ führen.

Auch mit den Vätern – dem Stiefvater mit zwei eigenen Kindern und dem eigenen, der der Mutter auch noch Zwillinge beschert – fühlt Édouard Gemeinsamkeiten. Und doch, er schämt sich seiner Herkunft. Dass er schwul ist, macht alles umso komplizierter.

Seine Geschichte erzählt Édouard Louis in seinen Romanen. Seine Werke „Die Freiheit einer Frau“ und „Wer hat meinen Vater umgebracht“ dienten als Grundlage für die gelungene Umsetzung im Deutschen Theater. Moritz Schulze als Édouard, Jenny Weichert als dessen Mutter und Marco Mathes in der Rolle der Väter kommen sich nah, um sich dann wieder wegzustoßen.

„Fragmente der Zärtlichkeit“: Romane von Louis dienten als Vorlage für die Inszenierung

Mit seinen soziologischen wie philosophischen Diskursen kommentiert Édouard die Situation der ArbeiterInnenfamilie, kritisiert Politik und Politiker harsch. Dank seiner Fähigkeit, seine Situation zu reflektieren, kann er sich seinen Eltern neu annähern. Vor allem zur Mutter fühlt er tiefe Bindung. Auch sie schafft den Aufbruch aus dem Elend, um in Paris ein neues Leben zu wagen.

Einen überzeugenden (Erinnerungs?-) Raum hat Robin Metzer (auch Kostüme) für die Familiengeschichte gefunden. Die Akteure bewegen sich auf einem zimmergroßen roten Podest, an den Seiten und nach hinten eingefasst von drei Wänden aus rötlich-dünnen Kordeln, durch die sie sich von außen ins Geschehen und auch wieder hinausbegeben können.

Inszenierung zeigt harten Kampf einer Arbeiterfamilie in der kapitalistischen Welt

Es ist, als träten sie in die Erinnerung, um dann wieder daraus entlassen zu werden. Wunderbar ergreifend die Szene, als Eddy im gestreiften Schwulen-Strickpullover für die Eltern einen seiner Lieblingshits singt und die Kordeln zum Gewand der Sängerin werden.

Es ist ein bewegender Abend (ca. 80 Min.), der fragt: Ist sozialer Aufstieg wirklich möglich? Édouard Louis ist der Weg gelungen, doch er ist nur einer von fünf Geschwistern. Mit den drei starken Schauspielern hat Beichl bewegende Bilder für den harten Kampf ums Überleben einer armen Arbeiterfamilie in der kapitalistischen Welt gefunden.

Weitere Vorstellungen am 29. April und 13. Mai um 20 Uhr, am 21. Mai um 18 Uhr sowie im Internet unter dt-goettingen.de.

Karten und Infos erhalten Interessierte unter Tel: 0551/4969-300.

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