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Deutsches Theater Göttingen zeigt „Mitwisser“: Mit antikem Chor in die Moderne

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Von: Ute Lawrenz

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Rollenwechsel durch Änderung der Kostüme: (v. l.) Katharina Pittelkow, Gerd Zinck, Daniel Mühe, Gaby Dey, Nathalie Thiede.
Rollenwechsel durch Änderung der Kostüme: (v. l.) Katharina Pittelkow, Gerd Zinck, Daniel Mühe, Gaby Dey, Nathalie Thiede in einer „Mitwisser“-Szene. © Lenja Kempf

Premiere von „Mitwisser“ von Enis Maci im „dt.2“ des Deutschen Theaters in Göttingen: Spagat zwischen medialer Welt und analoger Theaterkunst.

Göttingen – „Mitwisser“ – das Theaterstück von Enis Maci hat das Deutsche Theater Göttingen im dt.2 auf die Bühne gebracht. Geschildert werden drei schreckliche Morde. Bei der Suche nach den Motiven für die Tat geraten die Mitwisser ins Blickfeld.

Drei Morde geschehen in unterschiedlichem Umfeld. Allein die Koordinaten der Tatorte, die unablässig über die Bühnenrückwand laufen, machen deutlich, dass die Verbrechen schon geographisch in keinem Zusammenhang stehen können.

Premiere im Deutschen Theater in Göttingen: In „Mitwisser“ geht es um drei Morde

Sie stehen symbolisch für eine Besonderheit des Stücks: Die junge, vielgekürte Autorin verbindet die Funktionsweise des Internets als Erzählstrategie mit antiken Formen.

So bringt ein fünfköpfiger Chor in überwiegend grauer Kleidung die drei Morde, um die es geht, auf die Bühne mit Stühlen und beweglichen Podesten, mit denen die Schauspieler immer wieder eigenhändig neue Räume gestalten (Bühne und Kostüme: Mara Zechendorff).

Nur durch Überwerfen einer bunten Jacke oder durch das Hineinschlüpfen in eine Hose schlüpfen die Schauspielerinnen und Schauspieler in die gefragten Rollen, können kurze Szenen, wie zum Beispiel eine Zeugenaussage im Gerichtssaal, überzeugend lebendig werden lassen.

„Mitwisser“ von Enis Maci im Deutschen Theater Göttingen: Rollenwechsel nur durch Kostümwechsel

Beim Zuschauer entsteht so ein Bild von Tyler Hadley, in „Port St. Lucie, Florida, USA“, der nach dem Mord an den Eltern eine Hausparty feiert. Die Einladung dazu an seine Freunde kommt per Message auf dem Handy.

Wie im Blog wird auch geschildert, dass Nevin Yildirim in „Koruyaka, Türkei, Asien“ ihren Vergewaltiger umbringt und dass sich der Fußballfan Nils Donath aus „Dinslaken, Deutschland, Europa“ der IS in Syrien anschließt und dort im Foltergefängnis eingesetzt wurde.

Doch was verbindet einen Elternmord mit der Tötung des Vergewaltigers oder dem Morden für die IS? Laut Enis Maci ist es die Mitwisserschaft, das stille Wissen anderer, das „bis dahin“, das diese Morde nicht verhindert. Auf ihrer topographischen Karte deckt sie die Strukturen auf, die diese Morde möglich machen.

Weitere Vorstellungen von „Mitwisser“ im Deutschen Theater: Es geht um Strukturen, die Morde ermöglichen

Mit Gaby Dey, Daniel Mühe, Katharina Pittelkow, Nathalie Thiede und Gerd Zinck ist der Regisseurin Selina Girschweiler mit Musik von Benedikt ter Braak der Spagat zwischen dem schnellen, sprunghaften Vorgehen in der medialen Welt und der analogen Kunstform Theater mit Rückblicken in die Antike gelungen.

Schon beim Einlass erhalten die Zuschauer einen QR-Code, mittels dem ihnen in kurzen Filmen die Herkunftsorte die drei Hauptfiguren vorgestellt werden.

Auf Tablets werden diese Filme im Bühnenraum gezeigt. Die Dominanz von Englisch als Internetsprache drängt bei Maci auch auf die Bühne: Eine Szene wird nur auf Englisch gesprochen - zum Nachteil für die Theaterbesucher, die in der Sprache nicht sattelfest sind.

Insgesamt ist „Mitwisser“ ein gelungener Abend, der allerdings nicht nur unterhaltend, sondern vor allem sehr fordernd ist. Mit langem Applaus belohnte das Publikum die Leistung. (Ute Lawrenz)

Weitere Vorstellungen am Samstag, 4.März und Dienstag, 14. März. Karten gibt es unter Telefon 0551/4969-300 oder per Mail an theaterkasse@dt-goettingen.de.

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