Beste Maschine der Welt: Chanel-Kataloge werden in Göttingen gedruckt

In Paris erhalten ausgewählte Kunden von Chanel den neuen, exklusiven Katalog. Gedruckt wird er in Göttingen – mit der besten Druckermaschine der Welt.
Göttingen – In Paris hat „Chanel“ am Mittwoch (18.05.2022) eine neue Kollektion vorgestellt. Auf den Stühlen lagen Kataloge. Gefertigt wurden sie in Göttingen. Von Gerhard Steidl. 30.000 der edlen Bücher gehen an die „Chanel“-Kunden in aller Welt. Mit Oberbürgermeisterin Petra Broistedt hielt Steidl eine Woche zuvor die ersten Bögen für die „Chanel“-Kataloge hoch.
Sie kamen aus „der besten Offset-Druckmaschine der Welt“. Das 2,5 Millionen Euro teure „Evolution“ hat sich Steidl just geleistet, damit er, der von von Farben, von Papier und dem Drucken sowie der Suche nach Perfektion beseelt ist, weiter zur Welt-Elite der Buchdrucker zählen kann.
Göttinger Traditions-Druckerei Steidl fertigt exklusive Chanel-Kataloge
Das 15 Meter lange High-Tech-Monstrum steht in der Halle im unscheinbaren Verlagsgebäude an der Düsteren Straße, mitten in der Altstadt. Das wiederum erfreut die Oberbürgermeisterin: „Diese Investition ist eine Investition in den Standort und die Innenstadt“, sagt Broistedt, die Gerhard Steidl nicht nur als „Handwerker“ und „Künstler“, sondern auch als „Stadtentwickler“ betitelt.
Handwerk in der Altstadt: Was vor Jahrhunderten normal war, ist heute selten geworden. Gerhard Steidl lebt diese von ihm geschätzte Stadtgesellschaft. Dort hat er einst in den späten 60er-Jahren sein Unternehmen gegründet, Plakate und erste Bücher gedruckt. Steidl, heute 70, ist geblieben. Er druckt nicht draußen auf der grünen Wiese in einer gesichtslosen Halle.
Nein, er arbeitet von morgens fünf bis abends um 22 Uhr in Nachbarschaft zu den ältesten Häusern der Stadt, zum Kunsthaus, zum Günter-Grass-Archiv, zum Literaturhaus. Er lebt in seiner über fünf Jahrzehnte hartnäckig verfolgten Vision des „Kunst-Quartiers“ – und bald auch noch quasi mit und für die „documenta 15“, die Künstler, die im Kunsthaus – natürlich – ein Papierkunstprojekt öffentlich machen.
Göttinger Druckerei Steidl: 2,5 Millionen Euro Investition in beste Offset-Druckmaschine der Welt
Die neue Druckmaschine wird auch dabei ein wichtiger Bestandteil sein. Sie wird die Produkte der Künstler am Ende hervorbringen – Bücher in höchster Qualität. So ist der Kauf der hypergenauen „Evolution“-Druckmaschine in der Tat ein Statement für eine Innenstadt mit Handel, Wohnen, Handwerk und Kunst.
Die Kreativität des Top-Druckers oder eines Kochs in einem Sternerestaurant besteht darin, mit den besten, ausgewählten Produkten ein besonders gutes Buch oder ein ebensolches Menü zu kreieren.
Das alles kulminiert in der Person Gerhard Steidl, der auch nebenan wohnt und seine handwerklich wie gestalterisch herausragenden Bücher per Eigenvertrieb in die Welt verkauft, also Handel im besten Sinne betreibt. Für Broistedt ist klar: „Wir brauchen mehr Betriebe, auch Handwerk in der Stadt, als Ausgleich dafür wenn Läden die Stadt verlassen.“
Steidl wird bleiben: „Die Offsetdruck-Technik ist jetzt auf dem Zenit. Und ich möchte bis zum Ende meines Lebens eine solch erstklassige Druckmaschine haben“, begründet er den Kauf der „Evolution“.
Chanel-Katalog erfordert höchste Qualität
Dann schildert er mit klaren Worten, wie solch Fotobücher und Katalogbücher entstehen können, warum seine Bücher „besser sind, als andere, die so verkauft werden“: Es ist das Zusammenspiel von „Know-How“ und Technik. Die sorgt dafür, dass unabhängig von Temperatur und Luftfeuchte „die Qualität immer absolut konstant ist, ein Nachdruck auch nach zehn Jahren wie der Erstdruck aussieht – so wie jetzt mit den Models auf dem „Chanel“-Katalog.
Nachdruck von Neuauflagen, das ist wichtig für den Verlag: „Wir leben davon.“ Manche Bücher sind so in 20. Auflage, die von Günter Grass beispielsweise bleiben gefragt. Seine neue Maschine vergleicht Gerhard Steidl mit einem Flugzeug. Die Systeme sind alle dreifach abgesichert, um Ausfallzeiten zu vermeiden. Die Techniker müssen nur eingreifen, wenn etwas nicht funktioniert „wie Piloten“, sagt Drucker Steidl.
Das aber sei auch eine Verführung. „Man könnte denken, man hat nix mehr zu tun.“ Aber die Kontrolle bis ins kleinste Detail einer Seite durch den Drucker sei weiter „enorm wichtig“. Auch wenn die Maschine sich selbst kontrolliert und das, was sie auswirft. Stimmt etwas nicht, stoppt sie die Walzen, der Warnton klingt wie bei einem Lkw in Rückwärtsfahrt.
Druckermaschine „Evolution“: Experten arbeiteten drei Wochen an Justierung
Drei Wochen hat das Ingangbringen gedauert, haben die Mitarbeiter der Manroland Sheetfeed GmbH wie Vitt van der Kley und Andreas Nickel geschuftet und sind immer noch, wie Druckmaschinen-Experte Michael Mühlen – Steidls „Lebensversicherung“, mit der Feinjustierung beschäftigt. Alles begann damit, dass zwei Sattelschlepper vor dem Haus 100 Tonnen Maschinenteile abgeladen haben“, wie Steidl sagt. Alles passte durch den Eingang. „An jeder Seite war ein Zentimeter Platz!“

Für den exquisiten „Chanel“-Katalog glitten zig Tausende Bögen bis tief in die Nacht durch die neue Maschine. Herauskamen fantastisch scharfe, konturenreiche Fotos auf bestem Papier.
Am Rande des Laufstegs in Paris werden Beobachter wie Chanel-Kunden beeindruckt die Seiten umgeblättern und neben dem Parfüm der Models den Duft der von Steidl gefertigten Katalog-Bücher wahrgenommen haben, geprägt von Papier und Farben. (Thomas Kopietz)
Mit dem Kooperationsprojekt „House of Paper“ wird auch der Steidl Verlag in Göttingen an der documenta fifteen beteiligt sein. Beim Göttinger Literaturhaus war auch Gerhard Steidl vertreten.