Eine „Fabrik“ für den forschenden Nachwuchs in Göttingen

In der Nordstadt wächst das Sartorius Quartier: Dort wird am Mittwoch die Life Science Factory eröffnet. Ein Zentrum für junge Forscher und Unternehmer.
Göttingen – Kleindenken gibt’s nicht im Hauptquartier von Sartorius, dafür steht sichtbar auch die imposante Firmenzentrale im Göttinger Industriegebiet. Und für Projekte fahndet der erfolgreiche Pharma- und Laborzulieferer gern weltweit nach Vorbildern. Die Boom-Region Boston (USA) gab die Initialzündung für die brandneue Life Science Factory in Göttingen, wo nun auch die aus der Universität und den Forschungseinrichtungen am Göttingen-Campus sprudelnden und manchmal auch schlummernden Ideen gehoben und in jungen Unternehmen marktreif werden sollen.
Mehr noch: Man will auch überregionale und internationale Firmengründer anlocken – und am Ende am Talente vor Ort halten – auch bei Sartorius. Diese Umsetzung von Forschungserkenntnissen in die Anwendung benennt Sartorius-Vorstandsvorsitzender Joachim Kreuzburg immer wieder als eine deutsche Schwäche im Vergleich zu anderen Nationen wie den USA. „Wir haben da Nachholbedarf – auch in Göttingen.“

Nach Sartorius-Philosophie heißt das: Wir müssen etwas tun, schaffen – etwas, wie die Life Science Factory. Diese neue „Fabrik für Lebenswissenschaften“ ist auf dem 1898 von Florius Sartorius bezogenen Stammgeländes, dem Alten Werk, in der Göttinger Nordstadt entstanden. Das gesamte Areal heißt nun „Sartorius-Quartier“.
2017 wurde dort abgerissen, jetzt stehen neue, teils im alten Industrie-Industrie-Klinker-Baustil sanierte Gebäude für den Gesundheitscampus der Uni Göttingen und Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), ein Gebäude von Ottobock, Freigeist-Hotel und Wohnhäuser – getreu dem Leitmotiv „Bilden, Gründen, Wohnen“.
Nicht alles davon ist fertig, wohl aber die Life Science Factory, die für den Bereich Gründen steht. Sie hat es in sich, bietet eine voll ausgestattet Infrastruktur samt modernster Labore der Sicherheitsstufe S1 die auch zu Hochsicherheitslabore (S2) aufgerüstet werden können, sowie Büros und Begegnungsräume.
„Diese Treffen am Rande und der spontane Austausch sind enorm wichtig“, sagt Life-Science-Factory-Geschäftsführer Sven Wagner. „Auch Menschen, die an völlig unterschiedlichen Produkten und Projekten arbeiten, können von diesem Austausch profitieren.“

Unterstützung finden die Start-up-Gründer auch personell, Laborassistenten und Techniker sind vor Ort oder schnell verfügbar, wie Wagner sagt. Und die Buchung geht fix – wenn Räume frei sind. „Man kann schnell starten, meist innerhalb von 48 Stunden“, sagt Wagner und fügt an: „Vor allem muss keiner Geräte kaufen, Räume langfristig mieten, sich hoch verschulden.“ Variabel sind die Möglichkeiten, reichen von einem Raum oder Labor bis hin zu Kombinationen.
Alles ist in Modulen zu mieten, und preislich abgestuft. Als Mieter haben die Initiatoren Start-ups aus den Bereichen Life-Science, Medizintechnik, Bio-Tech, Diagnostik, Medikamentenentwicklung sowie (digitale) Gesundheit im Auge. Kooperationen im Quartier mit Gesundheitscampus und Ottobock sind möglich, ja erwünscht.
In den gut drei Jahren Entwicklungszeit ist weit mehr entstanden, wie die Programmatik und das Netzwerk, das mit fortschreitender Zeit stetig wachsen soll: der Kontakt zu erfahrenen Unternehmern, Spitzenforschern und Life-Science-Akteuren. Auch Veranstaltungen sind etablierte Formate, so mit der Fraunhofer Gesellschaft.
Wagner nennt einen weiteren wichtigen Aspekt: Experten oder Einrichtungen wie das Ausgründungsmanagement der Uni Göttingen liefern Infos zu Landes-, Bundes- und EU-Förderungen sowie Fundraising-Strategien. Auch Kontakte zu erfolgreichen Unternehmern und Investoren bestehen. „Dabei denken wir auch an Förderer aus Südniedersachsen und Nordhessen – die gibt es durchaus.“

Für Kreuzburg ist die Entwicklung des Quartiers eine „Herzensangelegenheit“. Sie trägt die Sartorius-Handschrift, obwohl es der Investor „Hamburg Team“ entwickelt hat. Sartorius, mit einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag an der Life Science Factory beteiligt, hat auch eine alte Fabrikhalle mit spezieller Dachform – die Sheddachhalle – zur Multifunktionsarena ausgebaut. Beim Literaturherbst fanden dort 800 Besucher Platz. Insgesamt hat das Quartier ein Investitionsvolumen von rund 200 Millionen Euro.
Die Life Science Factory verkörpert inhaltlich wie baulich Sartorius, denn es geht um die Weiterentwicklung des Unternehmens, des Forschungsstandorts Südniedersachsen – und das auf historischem Firmengelände in top-modernen Gebäuden.
Wenn Joachim Kreuzburg davon erzählt, ist die Begeisterung spürbar. Und in 15 Jahren sollen, wenn es nach ihm und Sven Wagner geht, getreu dem Göttinger Vorbild Life-Science Factory in ganz Deutschland weitere Zentren stehen – damit Deutschland aufholen kann. (Thomas Kopietz)
Digitale Eröffnung der Life Science Factory am 19. Januar ab 9 Uhr im Internet: lifescience-factory.com/de.