„Diese Methode wird nur selten genutzt. Viele Menschen denken, dass dabei ein Eingriff am Rückenmark durchgeführt wird, sie haben Angst vor etwaigen Lähmungen nach dem Eingriff.“ Unwissenheit führe zu Unsicherheit, weshalb die Expertin klarstellt: „Wir entnehmen Knochenmark aus dem Beckenkamm, das ist weit weg vom Rückenmark. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“
Die sogenannte periphere Stammzellenspende wird auch am Montag bei dem Frankershäuser Lorenz Schöggl durchgeführt. Etwa 80 Prozent aller Stammzellenspenden werden so gewonnen, weiß die Expertin. „Der Spender spritzt sich vier Tage, zwei Mal täglich, ein körpereigenes Wachstumshormon (G-CSF) in die Bauchdecke, welches das Ausschwemmen der weißen Blutkörperchen und der Stammzellen aus dem Knochenmark ins periphere Blut bewirkt“, erklärt die Ärztin. Dr. Pollok-Kopp: „Gezielt ausschließlich Stammzellen zu vermehren, ist nicht möglich.“
Die Stammzellen werden mithilfe von sogenannten Zellseparatoren ohne Narkose aus dem Blut gesammelt. Das Verfahren nennt sich Stammzellapherese und dauert etwa vier bis fünf Stunden. „Das Blut von Herrn Schöggl wird dabei in einem ständigen Kreislauf aus einer Armvene durch den Separator geleitet und mittels Zentrifugation in die einzelnen Bestandteile aufgetrennt“, erklärt die Expertin.
Dafür werde lediglich in jede Armbeuge ein Zugang (eine Braunüle) gelegt. Die Entnahme erfolgt ambulant und ohne Narkose. „Bei diesem Vorgang werden die benötigten Stammzellen in einem Beutel abgesammelt, die restlichen Zellen werden Herrn Schöggl über die adere Armvene wieder in den Blutkreislauf zurückgeführt“, erläutert Dr. Pollok-Kopp.
Als Nebenwirkung der Behandlung können laut der Ärztin grippeähnliche Beschwerden (Kopf- und Gliederschmerzen) auftreten, die sich aber mit regulären Schmerzmitteln gut behandeln ließen und unmittelbar nach der Stammzellentnahme auch wieder abklingen. Dr. Pollok-Kopp: „Langzeiteffekte sind seit dem Beginn dieses Verfahrens vor über 30 Jahren bisher nicht bekannt geworden.“
„Wer sich typisieren lässt und schlussendlich eine Stammzellenspende abgibt, rettet mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Leben“, sagt die Ärztin. Rund 25 Prozent aller Menschen, die an Blutkrebs erkrankt sind und eine Stammzellenspende brauchen, bekommen die rein statistisch von einem Geschwisterspender.
„In der Realität sind es allerdings eher weniger. Deshalb ist es so wichtig, dass sich viele Menschen typisieren lassen“. Aufgrund der unterschiedlichen Zellmerkmale sind beispielsweise Eltern kein optimales Match für die Erkrankten. Dr. Pollok-Kopp: „Natürlich ist niemand verpflichtet, eine Stammzellenspende zu leisten, wenn eine konkrete Anfrage kommt.“ Wer den Prozess starte, werde ausführlich aufgeklärt und kann in Ruhe eine Entscheidung treffen.
„Theoretisch ist eine Absage jederzeit möglich, ich persönlich weise aber immer darauf hin, dass es günstige und ungünstige Momente für eine Absage gibt. Irgendwann bekommt der Empfänger die Nachricht, dass ein passender Spender gefunden wurde“, sagt Dr. Beatrix Pollok-Kopp.
„Wenn ein Spender nach ausführlicher Aufklärung und Untersuchung zunächst schriftlich zugesagt hat und die Bereitschaft zur Spende nach Beginn der Behandlung des Patienten dann doch zurückzieht, gerät der Patient in eine lebensbedrohliche Situation. Das ist dann schwer zu vermitteln. Über diese Situation werden die Spender aber auch aufgeklärt.
Darum sollte man sich am besten zu einem früheren Zeitpunkt konkrete Gedanken machen, ob man zu einer Stammzellspende bereit ist, beispielsweise bei der Anfrage für eine Bestätigungstypisierung, die immer vor der Stammzellspende durchgeführt wird. Natürlich wird aber niemand zur Spende überredet oder genötigt“, betont sie.
„Wenn man selber oder enge Angehörige an Leukämie erkranken und als letzte Überlebenschance nur noch eine Stammzellentransplantation helfen könnte, würde man sich doch auch wünschen, dass es dann einen passenden Spender oder Spenderin gibt“, so die Expertin.
Weiter erklärt sie, dass für etwa zehn Prozent aller Betroffenen weltweit kein passender Spender gefunden wird. „Auch wenn leider nicht alle Patienten nach einer Stammzelltransplantation überleben, so bleibt den Angehörigen der Trost, dass wirklich alles Mögliche getan wurde, um das Leben des Betroffenen zu retten – und der Spender oder die Spenderin hat so oder so Großartiges geleistet“, sagt Dr. Beatrix Pollok-Kopp. >> So geht es Lorenz Schöggl nach der Stammzellenspende. (Theresa Lippe)