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Kein Verfahren gegen rechtsextremen "Freundeskreis" wegen Bildung bewaffneter Gruppe

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Das Amtsgericht Göttingen hat die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen Rechtsaktivisten wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe abgelehnt.
Das Amtsgericht Göttingen hat die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen Rechtsaktivisten wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe abgelehnt. © Oliver Killig/dpa

Im Strafverfahren gegen einstige Aktivisten des rechtsextremen „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ hat das Amtsgericht Göttingen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.

Das Strafverfahren wurde wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe eingeleitet. Grund sei die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der in einem anderen Verfahren die Kriterien für diesen relativ selten angewandten Straftatbestand (§ 127 Strafgesetzbuch) genauer definiert habe, teilte ein Sprecher mit.

Da aufgrund dieser erst nach Anklageerhebung aufgestellten BGH-Vorgaben eine Verurteilung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu erwarten sei, habe das Gericht die Verfahrenseröffnung abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft wird nach Angaben eines Sprechers kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen.

Nach dem BGH-Urteil verfügt eine Gruppe nur dann über Waffen und andere gefährliche Werkzeuge, „wenn die Ausstattung mit derartigen Gegenständen für den gemeinsamen Gruppenzweck wesentlich ist, und zugleich nach deren Art und Gefährlichkeit den Charakter des Personenzusammenschlusses (mit-)bestimmt“ (Aktenzeichen 3 StR 585/17).

Das Amtsgericht kam bei der Prüfung der Anklage gegen die Freundeskreis-Aktivisten zu dem Schluss, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Die aufgefundenen Waffen seien an privaten Orten verwahrt worden und damit nicht für die ganze Gruppe zugänglich gewesen, sagte ein Gerichtssprecher. Es habe zwar gewalttätige Vorfälle gegeben. Es habe sich aber in keinem Fall nachweisen lassen, dass sich die Gruppe bewaffnet habe, um einen Angriff auszuführen.

Rechtsaktivisten schon mehrfach vor Gericht

Der sogenannte „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ hatte monatelang einen regelrechten Kundgebungsmarathon in Göttingen und Umgebung veranstaltet. Hauptagitator der rechtsextremen Gruppe war der heute 41 Jahre alte Versicherungsmakler Jens Wilke aus Friedland, der bei der Kommunalwahl 2016 auf der NPD-Liste als Landrat kandidierte und sich regelmäßig als Redner und in Facebook-Videos mit aggressiver Rhetorik lautstark in Szene setzte. 

Im Februar 2017 stellten Ermittler bei einer Razzia bei FKTN-Aktivisten sieben Messer, eine Axt, einen Schlagring, eine Machete, zwei Säbel, zwei Teleskop-Schlagstöcke, zwei angespitzte Schlagstöcke, zwei Schreckschusspistolen, eine Einhand-Armbrust mit fünf Pfeilen und Pfefferspray sicher. 

Im Herbst 2017 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Wilke sowie zwei heute 29 und 24 Jahre alte Gesinnungsgenossen Anklage wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe. Sie warf den drei Rechtsaktivisten vor, sich zu einer Gruppe mit hierarchischer Struktur zusammengeschlossen zu haben, die über eine Vielzahl an Waffen und anderen gefährlichen Werkzeugen verfügte. Sie hätten bei ihren Aktionen Waffen und gefährliche Werkzeuge mit sich geführt und seien grundsätzlich bereit gewesen, die Waffen einzusetzen. 

Verfahren gegen "Freundeskreis": Ein Aktivist schon letztes Jahr verurteilt

Einer der Aktivisten, ein 24-Jähriger aus Northeim, wurde im vergangenen Jahr wegen gemeinschaftlicher Nötigung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Er hatte gemeinsam mit anderen im November 2016 nach einer Kundgebung in Duderstadt an der Göttinger Stadthalle Angehörige der linken Szene verfolgt. Dabei wurden zwei Personen verletzt. 

Im April 2017 wurde er nach einer weiteren Verfolgungsaktion bei einer Demonstration in Friedland festgenommen. Nach Angaben eines Justizsprechers hat der bereits mehrfach vorbestrafte 24-Jährige gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. 

Der 24-Jährige ist außerdem gemeinsam mit Wilke und weiteren Angehörigen der rechten Szene wegen einer gewalttätigen Attacke in Bovenden angeklagt. Er soll im April 2017 an einer Tankstelle einen Mann zu Boden gestoßen und mit Stahlkappen-Stiefeln auf ihn eingetreten haben, während die andere drumherum standen. 

Auch gegen Wilke ist noch ein Verfahren anhängig. Weil er eine Mitarbeiterin der Göttinger Kreisverwaltung als „antideutsches Geschmeiß“ bezeichnet hatte, wurde gegen ihn ein Strafbefehl über 900 Euro erlassen. Gegen diesen hat er nach Angaben eines Justizsprechers Einspruch eingelegt.

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