Die Aktivisten hatten am Donnerstag ein Ultimatum zum Verlassen des Gebäudes verstreichen lassen. Deshalb wurde von der Stadt Strafantrag wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung gestellt. Außerdem bat die Verwaltung die Polizei um Unterstützung bei der Räumung.
„Die Polizei hat mit ihrem deeskalierenden Einsatzkonzept eine hochprofessionelle Arbeit verrichtet. Dafür bin ich den Einsatzkräften überaus dankbar“, sagte die Oberbürgermeisterin zu der Polizeiaktion. Sie dankte auch der Berufsfeuerwehr Göttingen, die den Einsatz tatkräftig unterstützte.
Die Initiative Soziales Zentrum und die Stadt werden in der kommenden darüber ins Gespräch kommen, wie die Stadtverwaltung bei der Umsetzung ihres Konzeptes unterstützen kann. „Ich freue mich, dass die Initiative nun ein Gesprächsangebot von mir angenommen hat“, sagt Broistedt. Die Initiative bestätigte unterdessen den Gesprächstermin und macht deutlich, dass die Besetzungsaktion die Tür zu Gesprächen mit der Stadt aufgemacht haben. Mit Blick auf die Göttinger Verwaltungschefin sagt Pia von den Falken: „Da Oberbürgermeisterin Petra Broistedt bisher jeden legalen Weg zu Verhandlungen mit unserer Initiative verweigert, sehen wir die Besetzung als Ausdruck, dass sie so mit dem Engagement aus der Bevölkerung nicht umgehen kann.“
Auch Polizei-Einsatzleiter Rainer Nolte zog am Freitag eine positive Bilanz: „Alle eingesetzten Beamtinnen und Beamte haben ihren Auftrag professionell und mit der notwendigen und angebrachten Besonnenheit erfüllt. Wer den Einsatz vor Ort verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass wir uns wiederholt mit Lautsprecherdurchsagen an die Demonstrierenden und die Personen innerhalb der ehemaligen JVA gewandt haben.“ Dies sei nicht ohne Grund geschehen, denn die „gezielte, deeskalierende Kommunikation mit den Menschen vor Ort“ hatte für die Polizei bei besonderen Einsatz hohe Priorität.
Polizei-Einsatzleiter Nolte: „Wenn wir mit unserer Einsatzphilosophie letztlich für alle Beteiligten zur Herbeiführung der friedlichen Lösung beitragen konnten, bestätigt das unsere Überlegungen und stimmt mich froh.“
Update von Donnerstag, 15.20 Uhr: Die Räumung des Eingangsbereichs der ehemaligen JVA in Göttingen hat offenbar begonnen. Mehrere Dutzend Polizisten sind im Einsatz. Die Beamten haben unterdessen angekündigt, dass Gebäude zu durchsuchen und anschließend zu räumen.
Laut Polizei liegt ein Durchsuchungsbeschluss vor, weil aus dem Gebäude Möbel gestohlen worden seien. Bislang wurde etwa zehn Personen vom Eingangsbereich weggetragen.
Update von Donnerstag, 14.50 Uhr: Die Polizei ist jetzt mit einem Großaufgebot an der ehemaligen JVA in Göttingen vor Ort. Per Laufsprecher werden die Besetzer der Ex-JVA dazu aufgefordert, die Blockade des Gebäudes aufzugeben. Beobachter schließen nicht aus, dass es noch zur Räumung des Gebäudes kommen könnte. Vor Ort sind etwa 200 Demonstranten.
Update von Donnerstag, 12.50 Uhr: Um ihrer Forderung, den Verkauf der ehemaligen Justizvollzugsanstalt (JVA) in Göttingen abzusagen und dort ein Soziales Zentrum einzurichten, Nachdruck zu verleihen, haben am Donnerstag in den Vormittagsstunden 160 Teilnehmer demonstriert. Der Demonstrations-Zug startete gegen 9 Uhr am Neuen Rathaus in Richtung der alten JVA an der Obere-Masch-Straße im Norden der Innenstadt.
Seit dem vergangenen Montag wird die seit vielen Jahren leerstehende JVA von Aktivisten besetzt. Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) hatte den Aktivisten ein Ultimatum gestellt, das am Donnerstag um 10 Uhr ausgelaufen war. Danach wollte die Stadtverwaltung Strafantrag stellen.
Seit Jahren versuchen Initiativen, die aus linken Göttinger Gruppen und der Nachbarschaft hervorgehen, in dem alten Gebäude einen „sozialen und solidarischen Raum“, auch für Geflüchtete, einzurichten. Die Stadt Göttingen hatte im Juli jedoch entschieden, das Gebäude an einen privaten Investor zu verkaufen.
Die Polizei hielt sich am Donnerstagvormittag zurück und beobachtete das Geschehen aus der Ferne. Wann und ob es zu einer Räumung kommt, ist unklar. Vor Ort war auch der neue Göttinger Baudezernent Frithjof Look, der seit Anfang September im Amt ist. Er wollte das Gespräch mit den Besetzern suchen, wurde aber von Sprechchören übertönt. Er machte bei dem Ortstermin deutlich, dass die Verwaltung weiterhin gesprächsbereit gegenüber der Initiative „Soziales Zentrum“ sei und eine einvernehmliche Lösung finden möchte.
Anwesend waren zudem die beiden Landtagskandidatinnen der Grünen und der CDU, Marie Kollenrott und Carina Hermann. „Wir haben uns mit den Besetzern solidarisiert, die in der alten JVA ein soziales Zentrum schaffen wollen“, sagte Kollenrott (Grüne). „Dies ist eine sehr gute Idee aus der Stadtgesellschaft für die Stadtgesellschaft. Es würde dieses Viertel aufwerten.“ Die Oberbürgermeisterin solle keine angstgetriebene Verwaltungspolitik machen, so die Forderung der Grünen.
Carina Hermann (CDU): „Ich halte die rechtswidrige Besetzung für rechtsstaatlich nicht geboten und akzeptiere sie nicht.“ Sie könne es nicht nachvollziehen und erwarte, dass hier zeitnah gehandelt, also geräumt, werde, so Hermann. „Es sind bereits weitere Aktivisten aus dem gesamten Bundesgebiet angereist, die die Besetzer unterstützen.“ Zudem habe man bereits mehrfach Gespräche angeboten, um eine finanzierbare Lösung in einem alternativen Gebäude zu suchen.
Erstmeldung von Donnerstag, 7.29 Uhr: Göttingen – Oberbürgermeisterin Petra Broistedt hat den Besetzern der ehemaligen Justizvollzugsanstalt (JVA) ein Ultimatum gestellt. Sie müssen bis Donnerstag, 6. Oktober, 10 Uhr, das Gebäude verlassen haben, sonst stellt die Stadt Strafantrag.
Das Gebäude sei rechtswidrig besetzt worden, so die Verwaltungschefin. Mit der Aktion will die Gruppe aus Sicht der Oberbürgermeisterin den Beschluss des Verwaltungsausschusses, eines demokratisch gewählten Organs der Stadt Göttingen, nach dem die Verwaltung in Verkaufsverhandlungen mit einem potenziellen Interessenten verhandeln soll, außer Kraft setzen.
„Wer die Umsetzung demokratischer Entscheidungen der politischen Repräsentanten der Stadt durch Hausbesetzungen verhindern will, hat ein befremdliches Demokratieverständnis und ist auf dem Irrweg“, kritisiert Broistedt.
In einem Gespräch unterstrich die Göttinger Rathauschefin, eine für alle Seiten friedliche Lösung finden zu wollen, und appellierte an die Besetzer, das Haus zu verlassen. Sollte das Ultimatum ungenutzt verstreichen, so muss jeder Besetzer mit der Aufnahme seiner Personalien und strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Broistedt unterstrich zudem weiterhin ihre Gesprächsbereitschaft gegenüber der Initiative „Soziales Zentrum“. Den Akteuren bot sie erneut ein Gespräch und die Unterstützung der Stadt bei der Umsetzung ihres Konzeptes an.
Unterstützung für die Forderungen der Aktivisten kommt jetzt von der Grünen Jugend: „Wir solidarisieren uns mit den Besetzern und unterstützen die Forderungen des Sozialen Zentrums. Es darf keinen weiteren Ausverkauf der Stadt mehr geben, sondern es braucht mehr Orte für alle, die nicht nur auf Profitmaximierungen abzielen.“
Die Links-Fraktion im Göttinger Stadtrat und der Kreisverband der Linkspartei sehen in der Besetzung des früheren Gefängnisses im Norden der Göttinger Innenstadt einen „Schritt der Verzweiflung“.
Solidarisch mit den Besetzern erklärt sich zudem auch der „Häuser-Dachverband“ Göttingen: „Während Mieten und Grundstückspreise immer weiter steigen, ist es nicht mehr hinnehmbar, öffentlichen Raum zu privatisieren und kurzfristigen Kapitalinteressen zu opfern“, hieß es.
Aus Sicht des Göttinger CDU-Stadtverbandes haben die Besetzer mit ihrer Aktion dem „Sozialen Zentrum“ einen „Bärendienst“ erwiesen. Die Aktion sei der Ausdruck einer „kleinen, linksextremen Gruppe, die keinerlei Verständnis“ von demokratischen Prozessen und Verfahren habe, kritisierte Stadtverbandsvorsitzende Carina Hermann scharf. (Bernd Schlegel)