Max-Planck-Institut
Göttinger Forscher finden universelle Gesetzmäßigkeiten bei Musikvorträgen
Göttingen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamisk und Selbstorganisation in Göttingen haben universelle Gesetzmäßigkeiten bei Musikvorträgen herausgefunden.
Was macht den Zauber der Musik eigentlich aus? Göttinger Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) haben herausgefunden, dass kleine Abweichungen vom perfekten Rhythmus einer universellen Gesetzmäßigkeit folgen. Genau diese minimalen Schwankungen machten einen Teil der menschlichen Musikperformance aus, so die Forscher.
Rhythmen unter Laborbedingungen getrommelt
Ausgangspunkt für die Untersuchungen des Wissenschaftler-Teams vom MPIDS und dem Bernstein Zentrum für Computergestützte Neurowissenschaften (BCCN) war eine frühere Studie, in der Musiker unterschiedlich komplizierte Rhythmen unter Laborbedingungen nach einem Metronom trommeln mussten. Dabei fanden die Göttinger Forscher heraus, dass Abweichungen auf sehr langen Zeitspannen zusammen hängen und einander beeinflussen können.
„Es ist, als hätte das menschliche Gehirn ein nachhaltiges Gedächtnis für diese Abweichungen“, sagt Theo Geisel, Emeritus-Direktor am MPIDS. Die Göttinger Forscher verlegten das Experiment vom Labor in die wirkliche Welt der komplexen Musikperformance. Dabei konnte die Langzeitkorrelation der Schwankungen auch in echten Musikstücken nachgewiesen werden, die – so nehmen es die Forscher an – ohne Metronom oder äußere Taktgebung aufgenommen wurden.
Die Ergebnisse zeigten laut den Wissenschaftlern noch etwas anderes: Die kleinen Schwankungen, Mikroabweichungen genannt, werden von zwei sich überlagernden Prozessen gesteuert, die zu unterschiedlichen Zeiten dominieren. Die innere Uhr gibt im Kopf den Zeitrahmen vor, ein motorischer Prozess kontrolliert die Fähigkeit, einen Ton oder Schlag zur gewünschten Zeit auszuführen.
Motorischer Prozess steuert rhythmische Variationen
Die rhythmischen Variationen unmittelbar zu Beginn eines Stückes werden hauptsächlich vom motorischen Prozess bestimmt, während auf langen Zeitskalen der durch die innere Uhr gesteuerte Prozess dominant ist. Sofern kein Metronom den Takt vorgibt, kann der Rhythmus auf lange Sicht also nur durch die innere Uhr die vorgegebene Präzision erreichen.
Laut den Göttinger Forschern scheint das Zusammenspiel der beiden Prozesse einer charakteristischen Gesetzmäßigkeit zu folgen. Einen Genre-Unterschied haben die Wissenschaftler nur bei kurzen Zeitskalen festgestellt, die durch den motorischen Prozess beeinflusst sind.
„Es ist interessant, dass diese Langzeitschwankungen der Stücke immer ähnlich zu sein scheinen – egal, ob es sich um ein Jazz- oder Rockstück handelt. Sie sind charakteristisch für unsere innere Uhr“, sagt Viola Priesemann, Leiterin der MPI-Forschungsgruppe. Auf kurzen Zeitintervallen gehörten die Rhythmusschwankungen jedoch zu den stärksten Mitteln musikalischer Individualität und persönlichen Ausdrucks.
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