Göttinger Forscher ist Nervenerkrankungen auf der Spur

Ein Wissenschaftler aus Göttingen ist Nervenerkrankungen auf der Spur. Bei der Forschung ganz vorn dabei ist Professor Rubén Fernández Busnadiego.
Göttingen – Weltweit ganz weit vorn mischen Göttinger Wissenschaftler mit, wenn es darum geht nie dagewesene Einblicke in lebendige Zellen und Nanostrukturen zu werfen. Außerordentlicher Beleg ist dafür der Nobelpreis für Stefan Hell aus dem Jahr 2014 und seine faszinierende Weiterentwicklung der Lichtmikroskopie, dem STED-Verfahren. In Göttingen sind aber auch weitere Forscher in der Bildgebung unterwegs, dringen in schier unvorstellbare Tiefen und Kleinteiligkeiten vor.
Einer davon ist Professor Rubén Fernández Busnadiego. Er erforscht die Funktionen von Proteinen in ihrer Umgebung und ist so Nervenerkrankungen auf der Spur.
Göttinger Forscher ist Nervenerkrankungen auf der Spur
Busnadiego, der am Institut für Neuropathologie an der Uni-Medizin Göttingen (UMG) arbeitet, bekommt nun einen kräftigen Anschub, noch tiefer in ursprüngliches Nervengewebe einzudringen und nie dagewesene Bilder zu liefern. Er . erhält aus einem sogenannten „Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC) rund zwei Millionen Euro für fünf Jahre.
Busnadiego und sein Team arbeiten daran, das Potenzial der Kryo-Elektronentomographie (Kryo-ET) zu erweitern. Ziel ist es, ursprüngliches Nervengewebe in nie da gewesener Auflösung abzubilden. Das Nervengewebe wird zunächst durch Schockfrosten in einem glasähnlichen Zustand konserviert.
Prozesse in Nervenzellen analysieren
Mehr noch: Mit Hilfe der Kryo-ET sollen Prozesse in den Nervenzellen diagnostiziert und analysiert werden, um so die Entstehung von neuronalen Erkrankungen wie spastische Paraplegie (HSP) und die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit (CMT) verstehen zu können. Das wiederum könnte ein Schlüssel für spätere erfolgreiche Therapien dieser vererbten, familiäre Axonopathien sein. Denn viele neurologische Erkrankungen, die eine starke gesundheitliche Belastung und Einschränkung darstellen, sind ursächlich bislang kaum zu behandeln.

Nervenzellen (Neurone) müssen ihr ganzes Leben lang funktionsfähig bleiben. Aber ihre langen Nervenfortsätze, die Axone, in denen viele Aktivitäten stattfinden, sind aufgrund der Entfernung vom Zellkörper besonders anfällig gegenüber Beschädigung oder Zerstörung. Besonders gilt das für die bis zu einem Meter langen Axone motorischer und sensorischer Nervenzellen. Funktionieren Axone nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr, dann entstehen Erkrankungen, eben jene Axonopathien. Bei einigen sind die Myelinscheiden geschädigt oder zerstört, die Impulsübertragung nur eingeschränkt oder unmöglich.
Mutationen in Genen mit Einfluss auf Proteine
Hauptursache für vererbte, familiäre Axonopathien wie HSP und CMT sind Mutationen in Genen mit Einfluss auf Proteine. Diese Funktionen der Proteine – und ebenfalls Fehlfunktionen – sind mit vorhandener Technik samt geringer Auflösung nicht darzustellen und so unsichtbar. Zudem lassen sich die hoch spezialisierte Architektur der Axone und ihr empfindliches Zusammenspiel mit den umgebenden Zellen nur in der natürlichen Umgebung („in situ“) untersuchen. Das geschieht mit Hilfe von Tierversuchen an Mäusen und Fruchfliegen.
Wir werden so die Grundlagen schaffen, um die Funktion von Proteinen in ihrer physiologischen Umgebung untersuchen zu können, die bedeutsam für die HSP- und CMT-Erkrankung sind.
Später ist geplant, auch ganz neue Einblicke in die Funktionen menschlicher Nervenzellen zu bekommen. „Wir werden so die Grundlagen schaffen, um die Funktion von Proteinen in ihrer physiologischen Umgebung untersuchen zu können, die bedeutsam für die HSP- und CMT-Erkrankung sind“, sagt Prof. Fernández Busnadiego. Er ist auch eingebunden in das Göttinger Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC).
Beeindruckende Forscherkarriere
Busnadiego forschte auch an der Yale-University und am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Seit 2019 arbeitet er als Professor für Strukturelle Zellbiologie an der Göttinger Uni-Klinik. Dort erfährt er auch Unterstützung von Außen: Die Beschaffung der Mikroskope und der erforderliche Umbau der Räume wurden übrigens von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bund und Land Niedersachsen getragen. (Thomas Kopietz)