Göttinger Forscher und das Gedächtnis der achtarmigen Kraken

Göttinger Forscher messen Gehirnströme bei schwimmenden Kragen und finden seltsame Impulse
Göttingen – Kraken sind geheimnisvolle Tiere: Intelligent und doch so fremdartig erscheinen sie uns Menschen, die sich immer wieder aufmachen in die Tiefen der Ozeane, um Neues über die Octopus-Arten zu erfahren.
Ein internationales Team mit Beteiligung Göttinger Wissenschaftler erforscht die kognitiven- geistigen - Fähigkeiten der Tiere. Ihnen ist es nun erstmalig gelungen, bei frei im Aquarium schwimmenden Kraken deren Gehirnströme zu messen.
Kognitive Fähigkeiten der Kragen begeistern seit 150 Jahren die Forscher
Die besagte Kombination von Intelligenz und Fremdartigkeit veranlasste Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bereits vor 150 Jahren, das Gehirn von Oktopoden zu studieren. Die kognitiven Fähigkeiten faszinieren, weil sie mit denen von Wirbeltieren vergleichbar sind.
So sind Kraken auf der Suche nach grundlegenden Bedingungen für Intelligenz und Kognition „genau die richtigen Tiere für den Vergleich mit Wirbeltieren“, sagt Dr. Tamar Gutnick, Gastwissenschaftlerin an der Uni Neapel. „Dabei ist es wichtig, Hirnaktivität in Beziehung zum Verhalten zu setzen.“
Forscher: Entscheidender Schritt für die Erforschung des Krakenhirns
Zur Untersuchung der Hirnströme nutzten die Forschenden miniaturisierte Datenlogger, die ursprünglich für Vögel entwickelt wurden. Sie wurden abgedichtet und so implantiert, dass die Kraken frei durch ihr Aquarium schwimmen konnten. „So konnten wir Hirnströme und Verhalten synchron aufzeichnen. Das ist ein entscheidender Schritt für die Erforschung des Krakenhirns“, berichtet Professor Michael Kuba, der ebenfalls in Neapel forscht.
Krakenhirn-Aufbau erinnert an Hippocampus bei Säugetieren
Die elektrischen Messungen erfolgten in Hirnregionen, die vermutlich für Lernen und Gedächtnis verantwortlich sind. Deren geschichteter Aufbau erinnert an den Hippocampus, der diese Aufgaben im Säugetierhirn übernimmt und sich dabei verschiedener Aktivitätsmuster bedient.
Eins dieser Muster sind langsame Spannungsausschläge mit überlagerten hoch-frequenten Schwingungen (sharp waves ripples). „Im Kraken beobachteten wir zwar Ausschläge, die in Größe und Zeitverlauf den sharp waves ähneln, allerdings ohne die ripples“, sagt Dr. Andreas Neef vom Göttingen Campus Institut für Dynamik Biologischer Netzwerke, der die Messungen auswertete.
Läuft die Gedächtnisbildung beim Kraken ähnlich wie bei Säugetieren ab?
Ob die Ähnlichkeit der Aktivitätsmuster auf eine vergleichbare Rolle für die Gedächtnisbildung hinweist, ist noch offen. Ebenso unklar ist die Funktion von langsamen, viele Sekunden andauernden Schwingungen im Krakenhirn, die keinem bekannten Aktivitätsmuster ähneln.
All das soll in weiteren Studien untersucht werden. An der Studie waren neben den Forschenden aus Göttingen und Neapel auch Wissenschaftler des Okinawa Institute for Science and Technology sowie der Universitäten Zürich und Kyiv beteiligt. (Thomas Kopietz)
Originalveröffentlichung: Current Biology 2023. https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.02.006