Göttinger Lockruf für junge Wissenschaftsunternehmer

Ein millionenschwerer, wachsender Fonds soll forschenden Jungunternehmern in Göttingen helfen.
Göttingen – Die Life Science Factory in Göttingen gibt es bereits seit einem Jahr, sie bietet Räume und Arbeitsmöglichkeiten sowie Programme für StartUp-Unternehmen in den Lebenswissenschaften. Nun kommt der mit zunächst 12 Millionen Euro ausgestattete „Life Science Valley Fonds“ am Standort Göttingen hinzu.
Vorgestellt wurde das Leuchtturmprojekt für Niedersachsen und die Region Göttingen am passenden Ort: In dem architektonisch beeindruckend neu gestalteten Sartorius-Turm auf dem alten Firmengelände und jetzigen Sartorius-Quartier. Fragen und Antworten zu dem Projekt und den Lebenswissenschaften in Göttingen.
Wer stellt den Fonds auf die Beine?
Das Land Niedersachsen über das Wirtschaftsministerium und die NBank, die Sartorius AG und die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) bringen den „Life Science Valley“ Wachstumsfonds zur Frühphasenfinanzierung von Gründungen aus den Lebenswissenschaften an den Start.
An wen richtet er sich, und mit wie viel Geld ist er ausgestattet?
Adressiert ist das Kapital an wissenschaftliche StartUps aus den Bereichen Biotechnologie, Medizintechnik, digitale Gesundheit, Datenwissenschaft und Arzneimittelforschung mit Firmensitz in Niedersachsen. Auch deshalb ist das Land über Wirtschaftsministerium und die landeseigene NBank zum Start mit sechs Millionen Euro dabei. Weitere sechs Millionen Euro kommen gemeinsam von Sartorius und der UMG. Im Topf sind also zunächst zwölf Millionen Euro Risikokapital. Das Besondere: Der Fonds soll wachsen, er ist also offen für die Hereinnahme weiterer Investoren wie professionelle und ambitionierte Privatanleger. Der Fonds soll auf bis zu 20 Millionen Euro wachsen.
Mit welchen Summen könnten spannende Jungfirmen und deren Projekte unterstützt werden?
Für etwa zehn bis 20 Life-Science-Forscher und -Gründer könnten so in drei Jahren 250 000 bis 500 000 Euro Kapital bereitstehen. Über eine längere Dauer gar mehr als eine Million Euro.
Ist das als Anschub oder fortlaufende Unterstützung gedacht?
„Das ist mehr als nur eine Anschubfinanzierung“, sagt Dr. Sven Wagner aus der von Sartorius finanzierten Life Science Factory, die 2022 in Göttingen eröffnet wurde und wo bereits knapp zehn StartUps arbeiten – in günstig gemieteten High-Tech-Laboren.
Wer verwaltet den Fonds und entscheidet über die Geldvergabe für die Projekte?
Verwaltet wird „Life Science Valley“vor Ort von der gleichnamigen Management GmbH. Geschäftsführer sind Sven Wagner und Marco Janezic. Beide führen auch die Life Science Factory.
Warum wird der Fonds vom Land in Göttingen platziert?
Nun, weil dort eine Infrastruktur vorhanden ist. Zudem hat Göttingen und die Region eine Stärke in den Lebenswissenschaften entwickelt: Der weltweit operierende Konzern Sartorius, Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Institute und die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) sind in den Lebenswissenschaften auf der Überholspur unterwegs. NBank-Vorstand Dr. Ulf Meier nennt als Motivation des Engagements „die Entwicklung von Göttingen sowie der gesamten Region zu einer Life-Science-Hochburg“. Die Lebenswissenschaften sind bereits ein starkes Bein und vor allem ein Zukunftsmarkt für die Stadt und Region Göttingen. „Andere Standorte in Niedersachsen haben auch individuelle Stärken. Für die Lebenswissenschaften aber ist Göttingen der deutliche stärkste Standort im Land“, so Sartorius-Vorstandschef Dr. Joacheim Kreuzburg, der sich freut, dass „die Landesregierung den Mut hat, hier Schwerpunkte zu setzen“.
Was sagen die Beteiligten am Fonds, wie die Universitätsmedizin Göttingen, zum Vorhaben, was motiviert sie mit zu machen?
Das Thema Ausgründungen und StartUps aus den eigenen Forschungen heraus sei mittlerweile zunehmend wichtiger geworden, bilanziert UMG-Vorstandssprecher Wolfgang Brück. Und: Der Transfer von Grundlagenforschung hin zur Anwendung am Patienten sei „eine maßgebliche Aufgabe der Universitätskliniken“. Dabei gelte es, schneller zu werden. Projekte aus der UMG sind auch das aus Stammzellen gezüchtete Herzpflaster, neue diagnostische Möglichkeiten und Therapien bei Gehirntumoren sowie eine Genschere, die Viren zertrümmern kann, wie Brück sagt.
Hat Sartorius ein Eigeninteresse, damit Nachwuchs und Ideen für das Unternehmen zu gewinnen, das in der Bio-Medizin-Branche vorn dabei ist?
Ja, absolut. Sartorius stützt den Fonds, weil es auch ein vornehmliches Unternehmensziel ist, Entwicklungen im Medizinbereich zu beschleunigen: „Es geht darum, neue Medikamente schneller zur Marktreife und zum Einsatz für mehr Menschen zu bringen“, betont Vorstandschef Dr. Joachim Kreuzburg. Grundsätzlich benötige man innovative Ideen, auch aus Reihen junger Unternehmen.
Gehen die Interessen von Sartorius darüber hinaus?
Ja. Das Unternehmen und besonders Vorstandschef Kreuzburg wollen Stadt und Region stärken, als Wirtschaftsstandort mit einem klaren Schwerpunkt, aber auch als attraktive Lebens- und Arbeitsorte. Kreuzburg hat die Vision, dass Göttingen diesbezüglich, wie man im Sportjargon sagen würde, eine Talentschmiede, ein Leistungszentrum für den Nachwuchs im Bereich Lebenswissenschaften wird, zudem starke Forscher vor Ort längerfristig binden kann.
Welches übergeordnete Ziel steckt hinter dem Ganzen?
„Wir wollen als Life-Science-Standort, interessant werden, auch für die ganz Großen in der Medizin- und Pharmabranche“, sagt Marco Janezic. Man sei auch bereits durchaus bekannt und bekommt Anfragen.
Welche Infrastruktur für StartUps gibt es noch in Göttingen?
Es gibt auch den vom Land unterstützten HighTech-Inkubator, der aber eher auf Anschubfinanzierungen abzielt und bereits mehr als 15 StartUps in Göttingen unterstützt. Zudem gibt es dort, wie erwähnt, die Life Science Factory. Herausragend ist, dass diese genannten Strukturen miteinander eng verbunden sind. Es gibt wenig Reibungsverluste. Für die Unterstützungssuchenden bedeutet das: Sie bekommen Informationen und Hilfen weitgehend aus einer Hand. Das ist wichtig gerade für Wissenschaftler, die eine Firma gründen wollen, aber oft komplett mit der Forschungsarbeit ausgelastet sind.
Wer sucht die Ideen, Projekte und StartUps aus, die Geld bekommen sollen?
Für die Life-Science-Valley-Talentspäher um Sven Wagner und Marco Janezic gilt es nun, heraus zu finden, welche Projekte und Jungunternehmen für die Kapitalunterstützung aus dem Fonds in Frage kommen. Dabei geht es natürlich auch um die Produkte und die Chance, diese am Ende verkaufen zu können. „Wir sind die Trüffelschweine“, bringt es Janezic auf den Punkt.
Wann kann das erste Geld aus dem Wachstumsfonds fließen und wie bekommen es StartUp-Unternehmen?
Sie können sich über die Website melden und bewerben. „Ab dem 2. Quartal 2023 steht das Geld für Bewerber bereit“, sagt Janezic.
(Thomas Kopietz)
Infos: lifescience-valley.de und lifescience-factory.com/de