Herz und Hirn gehören zusammen: Neues Forschungszentrum der Göttinger Uniklinik

Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat ein neues Medizin- und Forschungszentrum: Das „Heart & Brain-Center Göttingen“. Es eröffnet demnächst.
Göttingen – Ein internationales Medizin-Forschungs- und Anwendungszentrum ist in Göttingen entstanden. Das 38-Millionen-Euro-Projekt „Heart & Brain-Center Göttingen“ (HBCG) ist fast fertig und stößt auf großes Interesse – auch in Berlin.
So kam die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Barbara Stark-Watzinger (FDP), bereits vor der Eröffnung, stellte Fragen, nahm Anregungen der UMG-Verantwortlichen und -Wissenschaftler mit nach Berlin, war am Ende beeindruckt von dem, was ab April in dem Herz-Hirn-Forschungsgebäude passieren wird.
Neues Forschungszentrum der Unimedizin: „Heart & Brain-Center Göttingen“ eröffnet bald
Etwas Wichtiges vorweg: Trotz Pandemie, Materialknappheit und Inflation: Das Projekt bleibt laut UMG-Vorstandssprecher Wolfgang Brück „fast im Kostenrahmen und hat auch nur wenige Monate Verzögerung.“ Zum Projekt Fragen und Antworten.

Was ist das Heart & Brain Center Göttingen?
Zunächst einmal ist das Herz und Hirn Zentrum ein Gebäude, dass etwas Neues schafft und zwei Forschungsschwerpunkte der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) zusammenbringt: Neurowissenschaften und Herz-Kreislauf-Medizin. Dementsprechend werden Forscher aus der Medizin und aus den Naturwissenschaften übergreifend eng zusammenarbeiten. Brück spricht von einer „Innovationszusammenarbeit, die es so noch nicht gab“. Das Zentrum bedeute für den Göttingen-Campus einen „Quantensprung“.
Was ist noch besonders an diesem Forschungszentrum?
Einmalig ist auch: In dem Zentrum werden Grundlagenforschung, also die Suche nach Ursachen und Entwicklungen auf kleinster molekularer Ebene von Krankheiten, und die Anwendungsforschung inklusive Diagnostik zusammengebracht. So soll eine Umsetzung – Translation – in die klinische Erprobung am Patienten beschleunigt werden. Ein Aspekt, den auch Ministerin Barbara Stark-Watzinger grundsätzlich als „wichtiges Ziel“ der Medizinforschung bezeichnete.
Warum ein Zentrum für Herz-Hirn-Forschung?
Weil zwischen den Herz- und Hirnerkrankungen Zusammenhänge bestehen, auch, weil beide Organe über die Aktivierung von Nervenzellen zusammen agieren, wie der Direktor der UMG-Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Prof. Gerd Hasenfuß sagt, der das Projekt maßgeblich mit angeschoben hat. So kann ein Herz-Vorhofflimmern auch Auslöser für einen Schlaganfall sein. „Deshalb ist es so wichtig, das zusammen zu untersuchen und zu erforschen“, sagt Prof. Mathias Bär, Sprecher des HBCG. Der parallele Blick auf Herz und Hirn verschaffe zudem einen hohen Erkenntnisgewinn, denn beide Systeme weisen molekulare und funktionelle Gemeinsamkeiten auf. Aber: Unklar ist noch, was diese Wechselwirkungen erzeugt und beeinflusst.
Könnten so auch neue Behandlungskonzepte, Therapien oder gar Medikamente entstehen?
Ja. Das ist ein vorrangiges Ziel der Forscher. Über das Verständnis von Ursachen und Verlauf von Erkrankungen sollen Therapieverfahren entwickelt werden. Aber auch präventive-vorbeugende Maßnahmen sollen entstehen, wie Prof. Christine von Arnim, Direktorin der UMG-Klinik für Geriatrie, betont. Oder vorhandene, wie das in Göttingen entwickelte und aus Stammzellen gezüchtete Herz-Pflaster, verwendet werden.
Welche Erkrankungen von Herz und Hirn stehen besonders im Fokus?
Im Geriatrischen Bereich ist es auch die Demenz. Weitere Beispiele für den Zusammenhang von Herz-Kreislauf- sowie neurologischen und neuro-muskulären Erkrankungen sind: Schlaganfall durch Embolie bei Vorhofflimmern und kognitive Funktionsstörungen bei Herzschwäche. Diese äußern sich in mangelnder Aufmerksamkeit, Lernfähigkeit und schlechterer Informationsverarbeitung. Erforscht werden grundsätzlich auch die Herzfunktionsstörungen bei Parkinson. Auch dabei wollen die Forscher die Zusammenhänge ergründen.
Sind diese Forschungen notwendig?
Ja, denn allein 40 Prozent aller Todesfälle in Deutschland gründen auf Hirn- und Herzerkrankungen. Zwei Millionen Menschen leiden an Herzinsuffizienz, mehr als 1,5 Millionen an Demenz – bei steigender Tendenz, auch aufgrund der Altersentwicklung der Gesellschaft.
Werden dort „neuartige“ Mediziner ausgebildet?
Das ist ein Ziel. Laut Prof. Dörthe Katschinski wird es neue Ausbildungswege für Medizinstudierende geben. Die ersten Doktoranden starten am 1. April in neuen Wissenschaftsprojekten. Am Ende könnt ein „neuer“ Arzt stehen, der Kardio-Neurologe. Klar ist: Zwischen verschiedenen Medizin-Disziplinen und Forschungsfeldern wird eng zusammengearbeitet. Die Ministerin war beeindruckt und sagte: „Sie machen hier etwas ganz Besonderes.“
(Thomas Kopietz)