Herz-Erkrankung schlägt oft auf die Psyche – Forscher mit deutlicher Forderung

Experten fordern für die Behandlung von Menschen mit einer Herz-Erkrankung zwingend eine psychologische Therapie. In der Göttinger Klinik gibt es sie.
Göttingen – Der schwere Verlauf einer Herzschwäche kann die Psyche der Patienten stark belasten – und so auch die Behandlung der Herzerkrankung beeinflussen. Bleibt das Gefühl von Hoffnungslosigkeit über einen längeren Zeitraum bestehen, kann gar eine Depression entstehen. Das stellt ein internationales Expertenteam in einem Positionspapier fest. Sie fordern, dass die psychische Betreuung fest in das therapeutische Behandlungsprogramm integriert werden muss – wie es am Herzzentrum der Göttinger Uni-Klinik bereits geschieht.
Die Experten fassen in dem Papier die aktuellen Erkenntnisse und die klinische Bedeutung von Herzschwäche und Psychosozialen Folgen zusammen. Beteiligt ist als Autor Prof. Christoph Herrmann-Lingen der Direktor der Klinik für Psychosomatik/ Psychotherapie an der Uni-Medizin Göttingen (UMG).
Herz-Erkrankungen belasten Psyche – Forscher aus Göttingen fordern psychologische Betreuung
Zurück zu Folgen, wie der Depression: Diese wiederum führt durch biologische Auswirkungen wie seltene Tumore oder entzündliche Prozesse auch zur Verschlechterung der Herzschwäche. „Daher sollte die Aufmerksamkeit für die seelischen Komplikationen der Erkrankungen wichtiger Bestandteil der therapeutischen Begleitung der Herzinsuffizienz-Patientien sein“, sagt Herrmann-Lingen. Angesichts der bislang wenig erfolgreichen Therapiemöglichkeiten einer die Herzinsuffizienz begleitenden Depression fordert die Arbeitsgruppe, dass Psychiater und Psychosomatiker hinzugezogen werden.

Viele Patienten werden auch durch das Fortschreiten der Krankheit traumatisiert. Die Folge: Sie versuchen, die Krankheitsrealität zu verleugnen, was wiederum die geforderte Mitarbeit und Selbstfürsorge der Patienten erschwert. In diesen Fällen empfehlen die Experten um Professor Herrmann-Lingen neue psychologische Gesprächstechniken und ergänzende telemedizinische Behandlungskonzepte.
Schreitet die Herzschwäche fort, bringt das weitere Probleme und Behandlungsnotwendigkeiten mit sich: So sind manche Patienten dann auf den „Einbau“ eines Defibrillators oder – im End-Stadium der Erkrankung – auf ein Linksherz-Unterstützungs-System (LVAD) angewiesen. Aber: Der operative Eingriff und die Auswirkungen sind für viele Patienten zusätzlich belastend – auch für den Kopf. In diesen Fällen sollte die psychologische Unterstützung und Begleitung im Behandlungsplan stehen.
Göttinger Experten erklären: Herz-Erkrankungen können weitere gesundheitliche Folgen haben
Die Autoren wünschen sich auch, dass eine stationäre oder ambulante palliative Versorgung früh angeboten wird. „Patienten, ihre betreuenden Angehörigen und das medizinisch-pflegerische Personal sollten in die Prozesse, auch über Entscheidungen zum Lebensende, einbezogen werden“, sagt Herrmann-Lingen und kündigt Maßnahmen an: „Für die Umsetzung werden wir Trainings-Curricula für die Beteiligten entwickeln.“
Die in dem Positionspapier formulierten Forderungen stoßen beim UMG-Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Prof. Gerd Hasenfuß, der auch Vorsitzender des UMG-Herzzentrums ist, auf offene Ohren. „Das Positionspapier enthält wichtige Aussagen und begleitende, psychologische Behandlungskonzepte für Patienten mit Herzinsuffizienz.“ Herzmediziner Hasenfuß weiß aus langer Erfahrung, „dass Herzerkrankungen für viele Patienten sowie deren Angehörige eine erhebliche Belastung darstellen“. So ist die Psychokardiologie für ihn und am UMG-Herzzentrum seit langem „eine wichtige Ergänzung der biomedizinischen Hochleistungsmedizin“. Für Hasenfuß „gehört sie unbedingt zum Behandlungskonzept dazu“, wie er kürzlich in einem Gespräch mit unserer Zeitung sagte.
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Das dies so ist, zeigt, dass die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit der Station 2024 Teil des UMG-Herzzentrums und somit organisatorisch wie räumlich integriert ist.
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So entsteht aus UMG-Sicht „eine intensive Zusammenarbeit von Ärztinnen, Psychologen, Pflege-Fachkräften sowie Spezialtherapeuten“. Das ermögliche „eine optimale, ganzheitliche Versorgung der Herzpatienten“, sagt Hasenfuß, der diesen breiten Ansatz seit Beginn der 2000er-Jahre an der UMG lebt und dort implementiert hat.

Das Zusammenspiel von Herz und Hirn, die negativen Effekte und positiven Einflussnahmen spielen an der Uni-Klinik also eine bedeutende Rolle. Ein Symbol dafür entsteht gerade auf dem westlichen Teil des UMG-Geländes: das „Heart&Brain“-Zentrum, in dem es auch um die Erforschung der Wechselwirkungen bei Herzinfarkt und Schlaganfall gehen wird, insgesamt um die „Translation“ – das heißt, die schnelle Übertragung der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung auf die Patienten – damit auch die Herzschwäche bald noch mehr an Bedrohlichkeit verlieren kann. (Thomas Kopietz)
Forscher aus Göttingen haben zudem herausgefunden, dass eine Corona-Erkrankung dem Herz enorm schaden kann.