1. Startseite
  2. Lokales
  3. Göttingen
  4. Göttingen

Interview mit Ralf Schmitz: „Jetzt braucht man einen Komiker“

Erstellt:

Von: Thomas Kopietz

Kommentare

Gastiert am 15. März in der Lokhalle Göttingen: Er präsentiert sein aktuelles Programm „Schmitzefrei“.
Gastiert am 15. März in der Lokhalle Göttingen: Er präsentiert sein aktuelles Programm „Schmitzefrei“. © Robert Recker/nh

Ralf Schmitz gastiert mit seinem aktuellen Programm „Schmitzefrei“ Mitte März in der Lokhalle in Göttingen. Wir sprachen mit ihm.

Göttingen – Ralf Schmitz ist ein Irrwisch auf der Bühne, gedankenschnell und spontan. Am Mittwoch, 15. März, ist Ralf Schmitz zu Gast in der Lokhalle. Wir sprachen mit ihm über sein Programm „Schmitzefrei“, die Kultur nach Coronabeschränkungen, die Liebe zum Theater und die Moderation von Kuppel-Shows im TV.

Herr Schmitz, wussten Sie, dass nach ihrem letzten Auftritt in Göttingen die Stadthalle saniert werden musste? Der „Kachelofen“ ist immer noch nicht wieder in Betrieb..

Nee! Wirklich? Wusste nur, dass wir diesmal in der Lokhalle sind, die ist noch mal deutlich größer, nicht wahr?

Allerdings. Haben Sie keine Bedenken, diese größte Halle der Region füllen zu können?

Nein. Es läuft bei meinen Veranstaltungen sehr gut. Ich habe das große Glück, dass viele meiner Shows ausverkauft sind. Fazit: Die Bude ist voll, und die Menschen, die kommen, sind beseelt.

Sind die Menschen, nach zögerlichem Beginn und Nicht-Corona-Beschränkungen, wieder bereit, Tickets für Theater und Kulturveranstaltungen zu kaufen?

Zunächst war es doch so: Zwei Jahre lang bewegten sich die Leute nur zwischen Sofa und Kühlschrank, also blieb die Frage: Wollen sie danach denn überhaupt noch Livekultur erleben? Das langsame Anlaufen des Interesses und beim Kartenkauf war unzweifelhaft vorhanden. Man hat als Künstler und Veranstalter – als es wieder ging – trotzdem immer weiter gemacht, damit die Menschen wieder kommen.

Aber den Menschen hat doch die Kultur gefehlt..

Seit Ende des Jahres 2022 spüre ich, dass es den Menschen wirklich gefehlt hat, sie kaufen auch wieder Karten fürs Theater – das trifft sowohl auf die Vorsichtigen zu, die noch eine Maske tragen, als auch auf diejenigen, die sich selbst beweisen wollen: Corona ist jetzt vorbei. Aber: Bei den Theatern ist man immer noch nicht auf dem Zuschauerniveau wie vor Corona angelangt. Es braucht Zeit.

Sind Ihre Auftritte ausverkauft, weil die Leute wissen: Beim Schmitz bekomme, ich das, auf das ich verzichten musste: Spaß?

Genau das ist es! Ich bin oft gefragt worden, ob man in solchen Zeiten wie Corona und jetzt dem Ukraine-Krieg als Komiker auf die Bühne darf? Dann habe ich eben das gesagt, was Sie in Ihrer Frage formulieren: Gerade in diesen Zeiten braucht man einen Komiker. Den Menschen wird eine Option gegeben, die es ihnen erlaubt, zwei Stunden vom Alltag, den Sorgen abzuschalten, einfach herzhaft zu lachen und so ihre Batterien wieder aufzuladen. Der Humor ermöglicht das. Und gerade deshalb ist unser Beruf jetzt so gefragt wie selten zuvor.

Sie lieben Wortspiele. Ihr Programm heißt nicht zufällig „Schmitzefrei“. Warum der Titel und welchen roten Faden hat es?

Der rote Faden ist das Urlaubsthema. Ich bringe meinen Urlaubskosmos mit, zum Beispiel als ich einmal morgens um fünf die Zimmer- mit der Toilettentür verwechselte, plötzlich nackt im Hotelflur stehe, und mich eine ältere Dame fragt, ob sie ein Autogramm bekommen kann. Das ist absurd und surreal. Aber es gibt noch andere Geschichten. Mehr als die Hälfte des Programms ist improvisiert. Ich spreche mit Menschen im Publikum auch über deren Urlaub. Wir streifen Klischees und entdecken aber auch Neues. So kann dann auch, wie eine Frau erzählte, Spanien schon mal in Gelsenkirchen liegen. So ein spontanes Sahnehäubchen ist natürlich für mich und das Publikum ein Geschenk.

Thematisieren Sie auch Energie- und Klimakrise, den Krieg?

Ich habe keine Nummer, die die Energiekrise, Corona und den Ukraine-Krieg als Thema hat. Aber ich improvisiere viel, spreche mit den Leuten im Publikum. Und dann kommt es durchaus vor, dass so etwas ein Thema des Abends wird. Dann ducke ich mich nicht weg, spüre aber auch, ob die Stimmung dafür da ist oder nicht. Kurzum: Ich reagiere spontan, teilweise auch kurz und heftig – wie es gerade passt.

Spontanität ist die Voraussetzung für Stand-Up-Comedy, birgt aber das Risiko, auch mal kräftig daneben zu liegen.

Es gibt selten – auch bei mir – Grenzüberschreitungen, die man korrigieren muss. Das Wichtigste ist die Authentizität. Bleibt man authentisch und das Publikum merkt, der Mann auf der Bühne provoziert nicht, um zu provozieren, sondern ist einfach so, dann ist alles erlaubt, das ist das Gute.

Sie sind vielseitig, spielen gerne Theater und sind im Fernsehen präsent. Wie schaffen Sie all das?

Leider lässt die Zeit nicht zu, alle Register gleichzeitig zu ziehen. Das Theater ist für mich der Ursprung von allem. Es fehlt mir ein bisschen. Es gibt Planungen, aber sie sind wohl nicht in diesem Jahr umsetzbar. Mein Bühnenprogramm aber ist natürlich auch Theaterspielen, in Rollen schlüpfen, Figuren spielen.

„Take Me Out“ haben sie als Moderator beendet. „Halbpension“ läuft weiter, wie kam es dazu?

Wenn ich Improvisieren kann, ist das natürlich ein Geschenk. Daher freue ich mich sehr, dass die Halbpension weitergeht. Parallel dazu gibt es „Rate My Date“ mit mir als Moderator. Eine neue Dating-Show (lacht verschmitzt). Ja! Es ist aber nicht nur eine weitere Dating-Show. Wir haben einen Dreh gefunden, um dem eine ganz neue Basis zu geben. Ich will nicht zu viel verraten. Sie wird hoffentlich im Frühjahr auf SAT1 anlaufen, und ich bin sehr gespannt, wie die Leute darauf reagieren.

Was reizt Sie an Kuppel- und Dating-Shows?

Ich mag es sehr, auf Augenhöhe mit den Menschen über die Unzulänglichkeiten zu sprechen. Es gibt doch unglaublich viel Zynismus in der Welt, alle machen es sich einfach, stellen irgendwen irgendwo hin, lästern und meckern. Aber irgendwo sind wir doch alle ein bisschen doof, haben einen Katalog im Kopf und laufen mit Unzulänglichkeiten mehr oder weniger durch die Gegend. Diese zu zeigen, finde ich toll. Mit einer verrückten Person, Frau, Mann, Single dort zu stehen und die Kriterien zum Besten geben, bei denen man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, dann aber eben nicht zu lästern, sondern zu sagen: Ey, schau Dir das doch selbst mal genau an.

Ist es nicht schwierig, mit diesen Menschen samt deren Unzulänglichkeiten, Respekt zu zollen?

Nein! Ich benutze die Menschen nicht als Futter, als Opfer, sondern im Gegenteil: Ich spreche mit ihnen ganz normal. Aber: Ich darf durchaus diese Unzulänglichkeiten benennen und sagen: Hey, das ist aber ganz schön bekloppt. Dann darf der- oder diejenige auch darauf reagieren, die Perspektive zu wechseln – und vielleicht selbst darüber lachen. Es macht mir Spaß, die Menschen an die Hand zu nehmen, ihnen den Spiegel zu liefern – aber auf besagter Augenhöhe zu agieren und sie eben nicht respektlos vorzuführen. Wir müssen doch über unsere Unzulänglichkeiten, Fehler und besonders tollen Eigenschaften reden können.

Wie ist es, wenn Menschen zusammenpassen?

Wunderbar. Bei „Take Me Out“ sind dauerhafte Partnerschaften entstanden – und daraus Kinder. Ich bin zu Hochzeiten eingeladen worden. Es hat tatsächlich manchmal nach dem ersten Kennenlernen wunderbar funktioniert. Andererseits: Es ist ja umgekehrt auch wertvoll, zu merken, wer nicht zu einem passt (lacht).

Sind Sie eigentlich fleißig oder ruhelos?

Fleißig! Auch wenn es nicht zu glauben ist, ich kann und will nicht 24 Stunden durch die Gegend laufen und Menschen bespaßen. Vielleicht sind meine Auszeiten etwas kürzer als bei anderen (lacht). Auch ich sitze mit einem Buch still in einem Sessel und lese. Das geht! Ich kann abschalten. Nach der Vorstellung ist das etwas anderes.

Karten: Ralf Schmitz, „Schmitzefrei“, Lokhalle Göttingen, 15. März, 20 Uhr, Tickets ab 38,50 Euro gibt es hier. (Thomas Kopietz)

Zur Person: Ralf Schmitz

Ralf Schmitz (49) ist gebürtiger Leverkusener („der Parkplatz von Köln“), besuchte dort das Lucas-Gymnasium und sammelte erste Schauspiel-Erfahrungen. Nach dem Abi und Zivildienst machte er eine Schauspiel- und Klassische Tanzausbildung, nahm zudem Gesangsunterricht, war Mitglied beim Impro-Theater „Die Springmaus“. Schmitz ist auch im TV präsent, so in „Hotel Zuhause – Bitte Stören“. Er moderierte auch „Take me out“. In Filmen wie „7 Zwerge“ oder „Kung Fu Panda“ war er zu sehen und als Sprecher zu hören. Als Komiker-Vorbilder bezeichnet er auch Heinz Erhardt und Loriot. (tko)

Auch interessant

Kommentare