Jüdische Gemeinde in Göttingen trauert um Eva Tichauer Moritz

Die jüdische Gemeinde in Göttingen trauert um Eva Tichauer Moritz. Die langjährige Vorsitzende starb im Alter von 78 Jahren.
Göttingen – Die langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Göttingen und des Vereins Jüdisches Lehrhaus, Eva Tichauer Moritz, ist tot. Sie starb am 15. März im Alter von 78 Jahren in ihrem Heimatland Chile, wie Jüdische Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen sowie das Jüdische Lehrhaus Göttingen mitteilten.
Die Beisetzung findet am 24. März auf dem Jüdischen Friedhof Göttingen statt.
Beisetzung auf dem Jüdischen Friedhof in Göttingen
Tichauer Moritz wuchs als Tochter deutscher Juden in Chile auf. Die Eltern waren in den 1930er Jahren vor den Nationalsozialisten geflohen. Nach dem Militärputsch gegen Präsident Salvador Allende und seine sozialistische Regierung kam Eva Tichauer Moritz in die Bundesrepublik Deutschland.
Eva Tichauer Moritz war seit der von ihr maßgeblich initiierten Wiedergründung der Jüdischen Gemeinde Göttingen e.V. im Jahr 1994 bis 2001 Vorsitzende dieser Gemeinde. Mit Gründung des Lehrhauses Ende jenes Jahres übernahm sie dort den Vorsitz bis zu ihrem Ableben. Und auch bei der Jüdischen Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen - die im Gegensatz zur liberalen reformorientierten Jüdischen Gemeinde eine konservativ geprägte Masorti-Gemeinde ist - hat sie seit deren Gründung 2005 den Vorsitz inne..
Streit über Stolpersteine
Streit hatte es in der jüdischen Gemeinschaft in Göttingen unter anderem über die Verlegung von Stolpersteinen gegeben. Während die Jüdische Gemeinde diese Initiative befürwortete und forcierte, positionierte sich Tichauer Moritz scharf dagegen. Die Namen der Opfer würden durch die Stolpersteine „mit Füßen getreten und beschmutzt“. (Bernd Schlegel, mit epd)
Nachruf des Bündnisses Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
Zum Tod von Eva Tichauer Moritz hat uns ein Nachruf des des Bündnisses Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus erreicht:
Mit tiefer Trauer und großem Schmerz aber mit ebenso großer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von unserer langjährigen Weggefährtin Eva Tichauer Moritz, die am 15. März 2023 an ihrem zweiten Lebensmittelpunkt in Chile verstorben ist.
Eva Tichauer Moritz war vor über 20 Jahren eine der Mitbegründer:innen des Göttinger Bündnisses zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und hat dort zunächst die Jüdische Gemeinde in der Angerstraße und später die Jüdische Kultusgemeinde Göttingen und das Jüdische Lehrhaus Göttingen vertreten und das Bündnis von Anfang an in vielen Rollen geprägt: Als mutige Mitstreiterin; als warmherzige Freundin; als starke Frau; als Brückenbauerin und Integrationsfigur, die über viele Jahre zum Zusammenhalt unseres Bündnisses mehr als nur beigetragen hat.
Wir werden Evas Herzlichkeit, Lebensfreude und Humor nie vergessen und wie sie uns so viele Male auf Veranstaltungen des Lehrhauses und der Kultusgemeinde, wie der langen Nacht der Erinnerung am 9. November, und in der Begegnungsstätte Löwenstein willkommen hieß. Ein Ort, der eine große Bereicherung für die Stadt Göttingen ist, und den Eva Tichauer Moritz maßgeblich mitgeprägt und -gestaltet hat.
Altersunterschiede spielten für Eva nie eine Rolle. Für die Jüngsten wie die Ältesten im Bündnis konnte sie Ratgeberin und Freundin sein.
Eva Tichauer Moritz hat nie eine Auseinandersetzung gescheut, wenn es darum ging, für ihre Überzeugungen einzustehen, gegen kleine und große Ungerechtigkeiten zu kämpfen oder die Welt einfach ein wenig besser zu machen. Eva konnte und wollte in solchen Momenten unbequem sein, auch gegenüber Freund:innen und Bündnispartner:innen. Sie war aber nie eine Rechthaberin. Sie stritt nicht um des Streitens oder des Gewinnens willen, sondern für die Sache. Solidarisch, kritisch und klug – so hat sie auch unser Bündnis zu einem besseren Ort gemacht. Ihre Entschiedenheit im Kampf gegen Antisemitismus und alte wie neue Nazis wird immer ein Vorbild bleiben. Ihr Mut und ihre Klugheit werden uns immer begleiten.
Danke, liebe Eva!
Wir werden Dich vermissen.
Agnieszka Zimowska Geschäftsführung des Bündnisses zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus