„1989 bin ich bei den Montagsdemonstrationen in der DDR nicht mit dabeigewesen, weil mein Mann und ich mit unseren vier Kindern schon vier Jahre vorher in den Westen übergesiedelt waren“, erzählte eine 70-jährige Zahnärztin.
Sie hätten ihren christlichen Glauben in dem kommunistischen Land nicht leben können. Nun schränke der Staat schon wieder ihre „Freiheitsrechte“ ein. Das wolle sie nicht hinnehmen. Sie habe keine Angst vor dem Virus. Mehrere Menschen aus ihrem Umfeld hätten eine Infektion „ohne Probleme“ überstanden. Die amtlichen Statistiken seien „verfälscht“, „Todesfälle“ nach Impfungen würden „vertuscht“, Ärzte, die sich skeptisch äußerten, „mundtot“ gemacht.
Von einem „totalen Missverhältnis“ zwischen dem Virus und den Schutzmaßnahmen sprach ein 75-jähriger Biobauer. Er könne heute über die Grünen, die er einst mitgegründet habe, „nur noch den Kopf schütteln“. Sie würden sich zu regionalen Strukturen bekennen, aber dabei zuschauen, wie durch die Corona-Beschränkungen Versandhandel-Konzerne „boomten“, während kleine Einzelhändler „kaputt“ gingen.
Skeptisch über die Schulmedizin, der es „nur um die Freiheit von Krankheitssymptomen, aber nicht um Heilung“ gehe, äußerte sich eine 52-jährige Industriekauffrau und Kinderpflegerin. Die „verordnete soziale Isolation“ mache Menschen, insbesondere die Älteren, krank. Sie fühle sich „bevormundet“. Jeder müsse selber entscheiden dürfen, welches Risiko er eingehe.
Zum ersten Mal bei einem Corona-Spaziergang dabei war auf Anregung eines Freundes ein 29-Jähriger. Er wolle endlich wieder im Verein Leichtathletik machen und klettern. Er lasse sich nicht impfen, weil eine Corona-Infektion bei jüngeren Menschen nicht so schwer verlaufe.
Er wisse, dass er im Falle einer Infektion andere anstecken könne, das könnten aber auch erkrankte Geimpfte. Das Argument, dass diese bei einer Infektion weniger Viren verbreiteten, wollte der junge Mann nicht gelten lassen. Und dass Menschen an Verschwörungserzählungen glaubten, sei seiner Meinung nach ein „gesamtgesellschaftliches Problem“ und nicht typisch für Gegner der Corona-Maßnahmen.
Unterwegs versuchten Gegendemonstrierende erneut, an die Aufzugsroute zu gelangen, um die Strecke zu blockieren. Einsatzkräfte mussten nach ersten Informationen vereinzelt „auch unmittelbaren Zwang in Form von Abdrängen und Wegschieben und in einem Fall auch Pfefferspray einsetzen.“ Im Zusammenhang mit den Einsatzmaßnahmen sei die Kamera eines Pressefotografen beschädigt worden.
Gegen 19 Uhr endete die Demonstration der Kritiker der aktuellen Corona-Maßnahmen an der Stadthalle. Die Veranstalter gaben bekannt, dass es am kommenden Montag keine Demonstration geben werde.
Nach Beendigung der Demon der Corona-Kritiker wanderten etwa 80 Gegenprotestler vom Albaniplatz in die Innenstadt ab und formierten sich am Gänseliesel zu einem Aufzug, der anschließend mit insgesamt rund 150 Teilnehmenden über die Weender Straße in Richtung Berliner Straße zog. Die von der Polizei als Versammlung bewertete Aktion endete gegen 20 Uhr. (Stefan Rampfel /Michael Caspar)
Corona-Demos gab es laut Polizei am Montag in den Abendstunden auch an anderen Orten im Landkreis Göttingen.
Hann. Münden: Dort nahmen etwa 50 Personen an einer angemeldeten Demo durch die Innenstadt gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen teil. Zu der ebenfalls angemeldeten Gegenkundgebung auf dem Rathausvorplatz kamen in der Spitze bis zu 30 Personen.
Herzberg: Im Südharz beteiligten sich etwa 45 Corona-Kritiker an einer „angezeigten Versammlung“ auf dem Marktplatz, berichtet die Polizei. Von dort setzte sich ein Demo-Zug über die Sonnengasse, An der Alten Mühle zur Hauptstraße in Bewegung. Nach etwa 15 Minuten erreichten die Teilnehmer wieder den Marktplatz. Dort angekommen hielten einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung kurze Redebeiträge, die sich gegen die Corona-Impfpflicht sowie gen die Corona-Maßnahmen richteten. Nach einer rund 30-minütigen Abschlusskundgebung endete die Versammlung nach Angaben der Beamten ohne Störungen. (bsc)