Mammutprozess um Millionenbetrug in Südniedersachsen vorerst geplatzt

Ein Mammut-Verfahren in Südniedersachsen ist geplatzt. Es geht um Betrugsvorwürfe gegen Ex-Chefs des insolventen Göttinger Unternehmens EEV Erneuerbare Energieversorgung AG.
Göttingen/Bovenden – 2000 Anleger sollen um viele Millionen Euro betrogen worden sein. Das Betrugsverfahren gegen Ex-Manager des pleitegegangenen Göttinger Unternehmens EEV Erneuerbare Energieversorgung AG entwickelt sich zu einer unendlichen Geschichte. Die Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Göttingen hatte bereits Termine bis mindestens Ende 2022 angesetzt, doch daraus wird nichts:
Das Verfahren sei nach rund 20 Verhandlungstagen ausgesetzt worden, weil zwei Angeklagte längerfristig erkrankt seien, so ein Gerichtssprecher. Das Gericht hat in dem mittlerweile geplatzten Prozess zahlreiche Zeugen vernommen. Derzeit peile man einen Neustart für Ende 2022 oder Anfang 2023 an, teilte ein Gerichtssprecher mit.
Mammutprozess geplatzt: Verfahren begann im Herbst 2021
Seit Herbst 2014 ist das Verfahren um Anlagebetrug in zweistelliger Millionenhöhe bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig anhängig. Rund dreieinhalb Jahre später erhob die Behörde im Mai 2018 Anklage gegen fünf frühere Verantwortliche des Unternehmens. Danach gingen noch einmal fast dreieinhalb Jahre ins Land, bis im Oktober 2021 der Prozess vor dem Landgericht startete.
Zuvor hatte das Gericht Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass der Mammutprozess vorzeitig platzen könnte. Aus Platzgründen fanden die Sitzungen im Bürgerhaus in Bovenden statt. Neben den regulären Kammermitgliedern nahmen auch noch eine Ersatzrichterin und zwei Ersatzschöffen an der Verhandlung teil. Den fünf Angeklagten standen jeweils zwei Verteidiger zur Seite, und auch zwei Staatsanwälte waren vor Ort.
Mammutprozess geplatzt: Anklage durch Schwerpunktstaatsanwaltschaft
Angeklagt sind ein aus Oldenburg stammender Unternehmensberater, ein Steuerberater aus Wien, ein in London geborener Banker mit britischer und ungarischer Staatsbürgerschaft, ein Forstwirt aus dem Landkreis Hildesheim und ein Rechtsanwalt aus Göttingen. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte in Braunschweig wirft ihnen Betrug in schweren Fall, Kapitalanlagebetrug, Verstoß gegen das Gesetz über das Kreditwesen sowie Untreue vor. Insgesamt seien fast 2000 Anleger betrogen worden.
Die EEV, die mehrere Jahre lang ihren Firmensitz in der Dransfelder Straße in Göttingen hatte, soll ab Herbst 2012 rund 26 Millionen Euro von Anlegern eingeworben haben, zunächst in Form von Namensgenussrechten, ab Anfang 2014 in Form von partiarischen Darlehen. Mit dem Geld der Anleger sollten zwei von der EEV betriebene Projekte – die Entwicklung eines Offshore-Windparks in der Nordsee und der Kauf eines Biomasseheizkraftwerkes in Papenburg – finanziert werden. Die Genussrechte sollten laut Verkaufsprospekt Renditen von bis zu neun Prozent abwerfen. Stattdessen ging die auf dem grauen Kapitalmarkt agierende EEV pleite, Ende 2015 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mammutprozess geplatzt: 680 Fälle werden behandelt
Aus prozessökonomischen Gründen hatte die Staatsanwaltschaft nur etwa 680 Fälle aus der Zeit zwischen Oktober 2012 und August 2014 in die Anklage aufgenommen, bei denen ein Schaden von mindestens 6,4 Millionen Euro entstanden sei.
Die Staatsanwaltschaft wirft den EEV-Managern vor, Anlegern in ihrem Prospekt und anderen Vertriebsmaterialien „bewusst verschwiegen“ zu haben, dass die Planung des Offshore-Windparks „Skua“ erheblich in der Umsetzung gefährdet gewesen sei. Der geplante Windpark lag in den militärischen Übungsgebieten der Bundeswehr, und das Verteidigungsministerium habe seit Jahren in dem anhängigen Planfeststellungsverfahren dem Projekt „aufs schärfste widersprochen“. Hätten die in der Anklage aufgeführten 552 Anleger die wahren Umstände gekannt, hätten sie die Namensgenussrechte nicht gezeichnet und wären nicht geschädigt worden.
Mammutprozess geplatzt: Thema Bewertung
Im Fall des Biokraftwerkprojekts habe die EEV die Anleger in einer Information auch mit einem höheren Gesamtwert getäuscht. (Heidi Niemann)