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Mehr Wölfe, mehr Konflikte: Rodewalder Rüde im Visier

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Von: Carolin Eberth

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Die Zahl der Wölfe in Niedersachsen und Hessen steigt.
Die Zahl der Wölfe in Niedersachsen und Hessen steigt. Bundesweit sind es aktuell 128 Wolfsrudel, 35 Wolfspaare und 10 residente Einzelwölfe, die im Wolfsmonitoring erfasst sind. Das Bild entstand im Wildpark Knüll. © Carolin Eberth

Vereinzelt tauchen Wölfe in Südniedersachsen immer wieder auf. Ein Rudel hat sich bislang aber noch nicht hier angesiedelt. Experten sprechen mit Blick auf die Region inzwischen von „Wolfserwartungsland“.

Diese Entwicklung spiegelt sich bei Meldungen über Schäden bei Nutztieren wider: Beispielsweise bestätigte sich, dass im Mai 2019 in Eberhausen, westlich von Göttingen, ein Schaf von einem Wolf getötet wurde. In Niedersachsen wurden 2020 nachweislich 1078 Tiere vom Wolf gerissen, sieben Jahre zuvor waren es noch 24.

Die Wildtiere sind bundesweit auf dem Vormarsch: 128 Wolfsrudel, 35 Wolfspaare und 10 Einzelwölfe erfasst das Wolfsmonitoring. Auch in Niedersachsen gibt es seit 2011 wieder ständig Wölfe. „Wir haben im Januar 2021 35 Wolfsrudel und zwei Wolfspaare registriert. Das könnten etwa 400 Wölfe sein“, sagt Raoul Reding, Wolfsbeauftragter in Niedersachsen. „Allerdings sollte die Zahl als absoluter Mindestwert betrachtet werden.“

Die Zahl an nachgewiesenen Wolfs-Territorien sei in den vergangenen zehn Jahren in Niedersachsen um durchschnittlich 60 Prozent pro Jahr angestiegen. „Aktuell befindet sich die Population in der Phase des exponentiellen Wachstums und wird weiterhin stark ansteigen“, prognostiziert der Wolfsbeauftragte. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch in Südniedersachsen mehr Wölfe unterwegs sein werden.

Für das Wolfsmonitoring, also die Ermittlung und Dokumentation der Tiere, ist die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) verantwortlich.

Doch der Bund hält einen guten Erhaltungszustand noch nicht erreicht. „Aus niedersächsischer Sicht kann die Einschätzung bei einer Reproduktionsrate von circa 30 Prozent und einem Bestand von über 350 Wölfen durchaus kritisch hinterfragt werden“, sagt Lotta Cordes vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz.

Allein der Herdenschutz habe das Umweltministerium im vergangenen Jahr mehr als fünf Millionen Euro gekostet. (Carolin Eberth)

Hintergrund: Der Wolf im Jagdrecht

Den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, wie von einigen Jägern, Nutztierhaltern und dem Land Niedersachsen gefordert, würde auch weiterhin eine generelle Bejagung ausschließen, da er weiter unter Schutz stände und keine Jagdzeiten hätte. Er würde dann unter den Schutzbestimmungen des Jagdrechts liegen und nicht mehr des Naturschutzrechtes. Allerdings ließe sich das Verfahren beim Umgang mit sogenannten Problemwölfen vereinfachen. (ebe)

Bestimmte Wölfe und Rudel reißen zahlreiche Nutztiere: Rodewalder Rüde im Visier

Wölfe haben die niedersächsischen und die nordhessischen Wälder längst erobert – zwei der „heimischen Räuber“ genießen seither die Aufmerksamkeit der Bevölkerung und reißen immer wieder Schafe. Die Rede ist vom „Rodewalder Rüden“ und der „Stölzinger Wölfin“ - dazu Fragen und Antworten

Seit wann sind die beiden Wölfe bekannt?

Der Rodewalder Rüde mit der Kennzeichnung „GW717m“ ist im Februar 2018 erstmalig im Landkreis Nienburg/Weser aufgefallen, da ihm mehrere Angriffe auf Rinder und Pferde nachgewiesen werden konnten. Die Stölzinger Wölfin, auch unter der Bezeichnung „GW1409f“ bekannt, streift offiziell seit August 2019 durch die nordhessischen Wälder. Damals hinterließ sie ihre ersten DNA-Spuren an einem Rotwild-Riss in einem Ortsteil von Spangenberg im Schwalm-Eder-Kreis.

Was haben die Räuber bisher gerissen?

Das Rodewalder Rudel ist bekannt dafür, dass sie gerne große Huftiere reißen wie Kühe oder Pferde. Auch Alpakas und Schafe haben sie auf ihrem Gewissen. Die Stölzinger Wölfin favorisiert bislang Schafe, Ziegen und Wildtiere. Ihre DNA konnte bereits an 32 Tierrissen nachgewiesen werden vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie.

Haben sie Nachwuchs?

Im Rodewalder Rudel sind bereits 16 Welpen vom Wolfsmonitoring in Niedersachsen nachweislich bestätigt worden seit 2018. Die Stölzinger Wölfin hat offiziell noch keinen Nachwuchs, allerdings wollen ein Förster und eine Reiterin im Sommer 2020 Nachwuchs gesehen haben. Weil im Bereich der hessischen Wölfin auch zuletzt ein Rüde nachgewiesen wurde an einem Riss, besteht die Möglichkeit, dass es in diesem Frühjahr Welpen gibt.

Gibt es Abschussgenehmigungen für Problemwölfe?

Für den Rodewalder Rüden wurde bereits Anfang 2019 eine Abschussgenehmigung erteilt, da ihm mehrere Angriffe auf Rinder, Pferde und Schafe nachgewiesen werden konnten, bei dem der vorgeschriebene Herdenschutz überwunden wurde. Im Mai 2020 kam es durch den Isegrim zu weiteren Rissen von Rindern und Pferden. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) erteilte daher erneut im Juli 2020 eine Abschussgenehmigung, die bis zum 31. Dezember 2020 befristet war und jüngst bis zum 15. April 2021 verlängert wurde. Naturschutzvereinigungen stellten mehrmals erfolglos Eilanträge gegen diese Abschussgenehmigung. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die getroffene Prognose, dass die Tötung des Wolfs zur Abwendung wirtschaftlicher Schäden erforderlich sei, gerechtfertigt ist. Es könne davon ausgegangen werden, dass dieser Wolf weiterhin Pferde und Rinder reißt und dadurch Schäden in erheblichem Umfang verursachen werde. Außerdem sei damit zu rechnen, dass der Wolf seine Jagdtechnik auch an seine Nachkommen weitergeben werde. Obwohl die Stölzinger Wölfin ebenfalls mehrfach „wolfssichere“ Schutzzäune überwunden und ihre DNA an 32 Tieren nachgewiesen werden konnte, wurde bislang keine Abschussgenehmigung für die gerissene Räuberin erteilt.

Warum konnte der Wolfsrüde seit Anfang 2019 noch nicht erlegt werden?

Seit nunmehr zwei Jahren versuchen von der Landesregierung beauftragte Dienstleister den Leitrüden des Rodewalder Wolfsrudels zu töten. Wer die beauftragten Dienstleister sind, ist allerdings unklar. Angesichts massiver Anfeindungen und Bedrohungen aus der Tierrechtsszene in der Vergangenheit, sei es notwendig, die Identität der beauftragten Personen zu schützen. „Fanatische Wolfsschützer versuchen immer wieder die Jagd zu sabotieren, auch mit kriminellen Mitteln. Selbst Morddrohungen haben die Jäger schon erreicht“, sagt Raoul Reding, Wolfsbeauftragter in Niedersachsen.

Landvolk fordert Abschuss von Wölfen 

Hannover – Das Landvolk in Niedersachsen hat das Wolfsmanagement als halbherzig und „Augenwischerei“ kritisiert. Wölfe könnten sich in Deutschland und besonders in Niedersachsen, wo der Tisch reich mit Weidetieren gedeckt sei, „pudelwohl fühlen“, sagte Landvolk-Vize Jörn Ehlers am Montag in Hannover.

Statt mit Monitoring, einer „Obergrenze“ und Bejagung ein aktives Wolfsmanagement einzuführen, finde weiterhin „ein Wettrüsten mit sogenannten wolfssicheren Zäunen mit dazugehöriger Bürokratie statt“, bemängelte Ehlers. Wölfe hätten gelernt, dass innerhalb von Weidezäunen leichter Beute zu machen sei als in der freien Wildbahn. „Statt sich weiter an diesen gedeckten Tisch zu bedienen, müssen wir dem Wolf zeigen, dass es auf Niedersachsens Weiden nichts für ihn zu fressen gibt“, betonte Ehlers. Abschüsse seien die einzige Möglichkeit, den Wolf zu vergrämen und der rasant steigenden Population Herr zu werden.

Alle bislang angedachten und eingeführten Maßnahmen seien gescheitert, sagte Ehlers weiter. Es sei weder gelungen, einen einzigen Wolf zu fangen und zu besendern, noch Wölfe, für die eigens Abschuss-Genehmigungen eingeholt und gerichtlich bestätigt wurden, legal zu entnehmen. „Vor dem Menschen braucht der Wolf keine Angst zu haben, die tun nichts. Der einzig begrenzende Faktor ist das Auto“.

Nach Angaben der Landesjägerschaft seien in Niedersachsen bislang 89 Wölfe bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. „Angesichts der starken Reproduktionszahlen ist das eine zu vernachlässigende Zahl“, sagte Ehlers. Aktuell seien in dem Bundesland 35 Wolfsrudel und zwei Wolfspaare bekannt. Schätzungen gingen von mindestens 300 bis 350 Tieren aus: „Dass unser kleines Niedersachsen so viele Wölfe akzeptieren soll wie Frankreich insgesamt, steht in keinem Verhältnis.“ (ebe/epd)

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