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Mord in Wiesenstraße in Göttingen: Es bleibt bei lebenslanger Haft

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Von: Heidi Niemann

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Göttingen Wiesenstraße: Hier wurde im August eine Frau von ihrem Ex-Partner umgebracht. Das Landgericht hatte für solche Fälle auch die Rechtssprechung kritisiert.
Göttingen Wiesenstraße: Hier wurde im August eine Frau von ihrem Ex-Partner umgebracht. Das Landgericht hatte für solche Fälle auch die Rechtssprechung kritisiert. © Thomas Kopietz

Der Bundesgerichtshof bestätigt ein Mord-Urteil des Landgerichts Göttingen. Die Revision wird als unbegründet verworfen.

Göttingen – Es bleibt dabei: Ein 45-jähriger IT-Spezialist aus Hannover erhält eine lebenslange Freiheitstrafe, weil er seine 51-jährige Ex-Freundin in ihrer Wohnung in der Göttinger Wiesenstraße getötet hat.

Der in Leipzig ansässige 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen als unbegründet verworfen. Das im Juni 2022 verkündete Urteil sei laut BGH damit rechtskräftig.

Mord in Wiesenstraße in Göttingen: Es bleibt bei lebenslanger Haft

Das Landgericht hatte die Tat aus dem August 2021 als Mord eingestuft. Diese strafrechtliche Bewertung hat der BGH bestätigt. Laut Schwurgerichtskammer hat der 45-Jährige seine Ex-Lebensgefährtin heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet. Damit lägen zwei Mordmerkmale vor. Der Angeklagte habe nicht akzeptieren wollen, dass die 51-Jährige nur eine Freundschaft, aber keine Partnerbeziehung mehr mit ihm haben wollte.

Das Landgericht folgte mit seinem Urteil im Wesentlichen den Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger. Die Verteidigung hatte dagegen auf eine Freiheitsstrafe von unter zehn Jahren plädiert, da die Tat ihrer Ansicht nach als Totschlag und nicht als Mord einzustufen sei. Der Angeklagte hatte in dem Prozess ein Geständnis abgelegt.

Entscheidung dürfte große Beachtung finden

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dürfte auch deshalb große Beachtung finden, weil sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklage in ihren Plädoyers dessen bisherige Rechtsprechung kritisiert hatten. Nach den Vorgaben des BGH muss die Tötung eines Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden.

Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, dürfe „als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand“ beurteilt werden.

Der Göttinger Rechtsanwalt und Nebenklagevertreter Steffen Hörning hatte angemahnt, dass diese Rechtsprechung dringend reformbedürftig sei. Mit dieser Argumentation werde den getöteten Frauen eine Mitschuld gegeben. Implizit schwinge der Vorwurf mit: „Hätte sie sich nicht getrennt, würde sie noch leben.“

Plädoyer: Tat steht sittlich auf tiefster Stufe

Wenn jemand die Lebensentscheidung eines anderen nicht akzeptiere und diesen deshalb töte, so stehe dies auf sittlich tiefster Stufe. Auch Staatsanwalt Andreas Buick hatte in seinem Plädoyer gefordert: „Es wird Zeit, dass der BGH seine Rechtsprechung überdenkt.“ Die Tat des Angeklagten sei besonders verwerflich und verachtenswert.

Es wird Zeit, dass der BGH seine Rechtsprechung überdenkt.

Oberstaatsanwalt Andreas Buick hatte in seinem Plädoyer

Auch die Schwurgerichtskammer sah das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe als erfüllt an. Zur Begründung bezog sich der Vorsitzende Richter Tobias Jakubetz insbesondere auf einen Aspekt: Nach den Vorgaben des BGH sind niedrige Beweggründe bei Trennungstötungen dann fraglich, wenn „Gefühle der Verzweiflung und inneren Ausweglosigkeit tatauslösend und tatbestimmend“ seien. Gefühle der Verzweiflung seien bei dem Angeklagten aber nicht zu erkennen gewesen, vielmehr habe er sie „aus kalter Wut erwürgt“, sagte Jakubetz.

Das entscheidende Beweismittel dafür lieferte der Angeklagte selbst: Er hatte am Vorabend der Tat die 51-Jährige ohne Ankündigung besucht und das Treffen heimlich aufgezeichnet.

Dreieinhalbstündige Aufzeichnung

Die dreieinhalbstündige Aufzeichnung wurde im Prozess abgespielt – sie erwies sich als aufschlussreich: Nicht der Angeklagte sei verzweifelt gewesen, sondern seine Ex-Freundin, sagte der Richter. Die 51-Jährige habe geweint, weil er es kategorisch ablehnte, die Beziehung als Freundschaft weiterzuführen.

Er habe sie in die Enge getrieben und darauf bestanden, dass für ihn nur eine Paarbeziehung in Frage komme, anderenfalls würde sie ihn nie wieder sehen. Der Angeklagte sei wütend gewesen, dass sie sich seinen Bedingungen nicht gebeugt habe. Fazit des Richters: „Es war eine abscheuliche Tat.“

Mord wäre beinahe nicht entdeckt worden

Der Mord wäre damals beinahe nicht entdeckt worden, weil der Angeklagte nach der Tat Vorkehrungen getroffen hatte, um den Eindruck zu erwecken, dass die 51-Jährige nach starkem Alkoholkonsum eines natürlichen Todes gestorben sei. (Heidi Niemann)

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