Die Straftäter, die oft aus dem Ausland agieren, sind technisch gut ausgestattet. „Allerdings sind wir das inzwischen auch. Mit zeitgemäßer technischer Ausstattung, persönlichem Know-how, einer großen Portion Idealismus und langwieriger klassischer Ermittlungsarbeit, erzielen wir hier Erfolge“, ist sich Göttingens Kripo-Chef Oliver Tschirner sicher. (Bernd Schlegel)
Die Täter versuchen in den vergangenen Jahren immer mehr, mit Betrugs-Straftaten zum Erfolg zu kommen. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen: So wurden 2020 in Stadt und Landkreis Göttingen 466 vollendete Taten und 925 Betrugsversuche gezählt. Der Gesamtschaden belief sich dabei auf mehr als eine Million Euro. Im vergangenen Jahr wurde ein ähnliches hohes Niveau registriert, offizielle Zahlen liegen noch nicht vor. 2019 gab es 893 Versuche und 580 vollendete Delikte. (bsc)
Mit verschiedenen Varianten versuchen die mutmaßlichen Betrüger, an Geld und Wertsachen ihrer Opfer zu kommen. Björn Wiesbaum, Leiter der neuen Ermittlungsgruppe, kennt die verschiedenen Maschen. Wir stellen die gängigsten Tricks vor.
Nie aus der Mode gekommen und seit etwa Jahren eine beliebte Variante ist der Enkeltrick. Hierbei werden vorrangig Menschen angerufen, die von Namen her als ältere Personen identifiziert werden können. Die Nummern werden dabei oft aus dem Telefonverzeichnis entnommen. Mit „Hallo ich bin´s.“ startet das Gespräch. Ein vermeidbarer Fehler ist dann zu fragen: „Max bist Du es? Die Verbindung ist so schlecht.“ Schon in diesem Moment bekommen die Täter erste Informationen zum Familienkreis, ohne dass die Opfer es bemerken. Die Geschädigten fragen sich hinterher meist, woher so viel Wissen über die eigene Familie kommt.
Das unerschütterliche Vertrauen in die Instanz der Polizei wird dabei, zum Beispiel durch Betrugs-Anrufe, ausgenutzt. Ein angeblicher Polizist schildert einen Vorfall von einer Einbrecher-Bande.
Die Kontaktdaten der Angerufenen wurden gefunden und da einige Täter entkommen konnten, wird die Sorge um eventuelle Wertgegenstände vorgegaukelt. Es wird daraufhin die amtliche Verwahrung angeboten, bis die vermeintlichen Täter festgenommen wurden.
Häufig wird dabei angeboten, die Wertsachen durch einen angeblichen Polizeibeamten abholen zu lassen oder sie einfach in einer Tüte vor der Tür zu deponieren.
Meist wird bei dieser Tatbegehungsform eine gesundheitliche Notsituation vorgetäuscht. Gerade zur aktuellen pandemischen Lage kamen Fälle vor, in denen zum Beispiel für die Behandlung eines Verwandten teure Medikamente benötigt wurden.
Anrufe erfolgten durch angebliche Mediziner oder die falschen Verwandten selbst, die jedoch nicht verstanden wurden.
Seit einem Jahr gibt es weitere Variationen: Es meldet sich ein angeblicher Angehöriger: „Hilf mir, ich habe jemanden totgefahren und bin hier bei der Polizei.“ Dann meldet sich sofort ein angeblicher Polizeibeamter. Er behauptet, der Angehörige müsste jetzt in Haft, schließlich sei ein Mensch totgefahren worden.
Wenn man genauer nachfragt, wird diese Frage forsch unterbunden. Dann übernimmt ein „Kollege“, beruhigt die Situation und bittet zur Vermeidung der Haft um eine Kaution. Die Polizei macht erneut darauf aufmerksam: Es gibt in der deutschen Strafprozessordnung keine Kaution. Häufig werden in diesem Zusammenhang auch Kontakt zu Staatsanwälten oder Strafverteidigern der Angehörigen vorgetäuscht, um die Situationen dramatischer und glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Zur Geldübergabe werden dann die Opfer in die Nähe der örtlichen Staatsanwaltschaft oder einem Gerichtsgebäude bestellt.
Um noch mehr Glaubhaftigkeit zu erzeugen, wird häufig angeboten die 110 anzurufen und sich die Richtigkeit bestätigen zu lassen. Aber dabei wird nicht aufgelegt, sondern dies wurd nur vorgegaukelt und ein anderer Täter meldet sich, bestätigt die Geschichte und verbindet wieder mit dem angeblichen Kollegen. Einfach zu merken ist der Grundsatz: Nicht am Telefon! Denn Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht erfragen nach persönlichen Daten und finanzielle Dinge nie am Telefon. Dazu wird immer der persönliche Kontakt hergestellt. Die echten Staatsdiener können sich zudem ausweisen.
Ein wichtiger Hinweis: Die Verbindung zur 110 sollte man immer selbst herstellen und die eigenen Handlungen hinterfragen, rät Polizeikommissar Wiesbaum. Außerdem sollte man in jedem Fall die Polizei informieren, wenn man von mutmaßlichen Tätern kontaktiert worden. (Bernd Schlegel)
Das Präventionsteam der Göttinger Polizei mit dem Experten Marko Otte kümmert sich ebenfalls verstärkt um Trickbetrug.
So wurden in den vergangenen Jahren mehrere Projekte entwickelt, mit denen Mitarbeiter von Geldinstituten und Taxiunternehmen sensibilisiert und unterstützt wurden. Sie haben oft den einzigen Kontakte zu potenziellen Opfern.
Neben mannshohen Aufstellern in Geldinstituten und speziellen Kuverts für Bargeldauszahlungen wurden Ende Oktober vergangenen Jahres Warn-Aufkleber für Taxis entwickelt, die mit Unterstützung der Göttinger Funktaxi-Zentrale in den Fahrzeugen angebracht wurden. Mit Erfolg: Bereits zwei Betrugsfälle konnten dadurch bereits verhindert werden. Weitere Infos gibt es hier. (bsc)