Premiere im Deutschen Theater: Starker Theater-Abend für starke Nerven in Göttingen

Premiere im DT.2 im Deutschen Theater Göttingen: Das Stück „Pirsch“ erzählt über das Leben einer vergewaltigten Frau.
Göttingen – Gelungene Uraufführung „Pirsch“ im dt.2 des Deutschen Theaters Göttingen. Schwere Kost wird den Theaterbesuchern auf der kleinen Bühne DT.2 im Deutschen Theater Göttingen mit der Uraufführung „Pirsch“ von Ivana Sokola geboten.
Für das Leiden von Menschen, die vergewaltigt worden sind, und den (Nicht-)Umgang mit ebendiesen, hat Regisseurin Christina Gegenbauer starke Bilder gefunden.
Uraufführung im Deutschen Theater in Göttingen: „Pirsch“ thematisiert Leben eines Vergewaltigungsopfers
Nach 15 Jahren kehrt Marinka (Mirjam Rast) in ihr Heimatdorf zurück. Wie jedes Jahr wird dort ein Dorffest gefeiert. Erst tanzt sie, hat Spaß mit ihrem Bruder (Lukas Beeler).
Doch dann beginnt sie, sich zu erinnern: Auf diesem Fest vor 15 Jahren wurde Marinka vergewaltigt, ist aber auch nach dieser langen Zeit nicht in der Lage, es auszusprechen. Die dadurch innerlich Zerstörte wird sichtbar zu einem Bild des Jammers.
Sie beginnt die Suche nach dem Täter. Doch weder ihr Bruder noch die Polizistin Lene (Judith Strößenreuter) stehen ihr für eine Aufklärung zur Seite. Marinka entschließt sich zur Selbstjustiz und wird Gewalt mit Gewalt vergelten.
„Pirsch“ im Deutschen Theater: Opfer macht sich auf die Suche nach ihrem Vergewaltiger
Eine stark ausstellende Kunstform hat Christina Gegenbauer für ihre Inszenierung gewählt. In einem Dschungel aus grünen Girlanden, die von der Decke bis zum Boden gespannt sind (Bühne und Kostüme: Frank Albert) zeigen die Schauspieler Figuren, die von ihren Emotionen überwältigt werden.
Immer wieder heben sie einzelne Worte durch weittragende Betonung hervor. Chorisch sprechen sie die Geschichte aus der Wüste Karakum. Dort brennt seit Jahrzehnten ein ewiges Feuer und hat wie ein Tor zur Hölle einen Krater in den Sand gerissen. Hat Marinka das Tor zur Hölle durchschritten?
Wie Figuren einer Spieluhr tanzen Marinka und ihr Bruder miteinander. Aus dem Schutz des Girlanden-Dschungels tauchen die hechelnden Höllenhunde (Florain Donath, Moritz Schulze, Christoph Türkay) auf, die erst bedrohlich mit bebildern, was Marinka vor 15 Jahren durchlitt, um dann zu ihren drohenden Begleitern werden.
Wandel der Figur „Marinka“: Regisseurin Christina Gegenbauer inszeniert Stück im Deutschen Theater
Marinka wirkt im stark taillierten Lodenrock mit hochgeschlossener Bluse zu Beginn sehr zugeknöpft. Ihr Bild ändert sich, als sie sich zum Angriff entschließt, allein durch ihre dann offenen Haare. Die Hunde tragen Einheitsuniformen, in denen sie sich von dubiosen Dunkelmännern in eine schlagkräftige Armee verwandeln.
Nikolaj Effendi hat für die Pirsch Musik kreiert, die das Geschehen unbarmherzig vorantreibt. Die Zuschauer können die Uhr ticken hören. Die Beleuchtung unter Leitung von Maximilian Rudolph verstärkt den Eindruck, alles ist undurchschaubar – Marinkas Wirklichkeit wird flirrend.
Ein starker Abend für starke Nerven. Die Auseinandersetzung mit einem auch heute noch viel zu oft totgeschwiegenen Thema ist dem Team auf sehr fordernde Weise gelungen.
Weitere Vorstellungen am 12. Februar, 8. und 24. März sowie unter dt-goettingen.de. Karten unter Telefon 0551/4969-300 oder per Mail an theaterkasse@dt-goettingen.de.