Gemeinsames Projekt von Göttingen und Halle: Mit einer Händel-Oper ins Hier und Jetzt

„Agrippina: A Baroque-Jazz Guide“: Premiere des gemeinsamen Projektes der Internationalen Händel-Festspiele in Halle und Göttingen.
Göttingen – Ein Projekt der Händelfestspiele in Halle und Göttingen hat in Göttingen erfolgreich Premiere gefeiert. Verdienten Applaus hat das Publikum für „Agrippina: A Baroque-Jazz Guide“ in der gut gefüllten Sheddachhalle gespendet.
Der Formation „Il Giratempo“ ist es mit Mezzosopranistin Laila Salome Fischer und Jazztrompeter Pascal Klewer gelungen, Händels Musik aus der Zeit vor mehr als 300 Jahren vielversprechend ins Hier und Jetzt zu holen.
Händel-Festspielorte Göttingen und Halle bringen gemeinsames Projekt „Agrippina“ auf die Bühne
Mit einem Trommelwirbel und dann jazzigen Trompetenklängen geht „Aggrippina“ nach Händel ungewöhnlich an den Start. Dann folgt - sehr verknappt - die Ouvertüre. Auch das Personal ist reduziert. Das sonst personenstarke Ensemble wird von einer Sängerin wiedergegeben. Die Mezzosopranistin Laila Salome Fischer hat alle wichtigen Parts übernommen. Mit ihrem warmen Timbre führt sie das Publikum empathisch durch ungeahnte Gefühlshöhen und -tiefen.
Hier sei kurz und knapp die Handlung erzählt: Die Welt der Kaiserin von Rom, Agrippina, wird erschüttert. Als es heißt, ihr Mann sei ums Leben gekommen, muss sie ihre Stellung im Staate sichern und setzt dabei auf ihren Sohn Nerone: Er soll den Posten des Mannes antreten. Doch ihr Mann lebt und will seinen Retter belohnen: Ottone soll sein Nachfolger werden. Doch weil Poppea Ottone liebt, bringt diese ihn dazu, dem Thron zu entsagen. Nerone entsagt ihr - und kann den Thron besteigen.
Wenn in diesem Spiel mit vielen Wendungen eine Person alle Rollen spielt, braucht es klare Zeichen, wer gerade dran ist. Sehr hilfreich ist hier das Programmheft, wo die stark gekürzte Opernfassung abgedruckt ist. So kann der Zuschauer alle „Verwandlungen“ verfolgen, obwohl die Sängerin nur die Stimmung verändert.
Produktion „Agrippina“ holt Händels Oper ins Hier und Jetzt
Aussagekräftig unterstützend wirken auch die einfachen Illustrationen aus der Hand von Eva Hoppe. Die intrigante Agrippina hat als Zeichen ein A umgarnt von einer Schlange; da Held Ottone nicht auf den Thron kommt, wird für ihn der Thron einfach durchgestrichen.
Ins Hier und Jetzt holt die Produktion Händels Musik mit dem Akzent durch die Trompete. Wenn der Jazztrompeter Pascal Klewer mit einer hadernden Figur ins Gespräch tritt, lässt er sein Instrument pfeifen, ächzen, stöhnen, macht so tiefe Qualen hörbar, an andere Stelle bringt er seine Trompete dazu, in Fanfaren zu jubilieren.
Auch die anderen Musiker von Il Giratempo mit Alfia Bakieva an der Violine, Alex Jellici am Violincello, Max Volbers an Cembalo, Orgel und Blockflöte, Vanessa Heinisch mit Theorbe und Barockgitarre und Perkussionist Stefan Gawlick nehmen die sich wandelnde Stimmung mit dem Fortschreiten der Handlung in ihrem Spiel auf.
Kräftiger Applaus vom Publikum für „Agrippina“ in der Göttinger Sheddachhalle
Alle zeigen musikalische Virtuosität. Dass die Musiker großen Spaß dabei haben, zeigen sie auch daran, wie sie den anderen lauschen, wenn sie selbst gerade nicht gefragt sind.
Gemeinsam mit Vanessa Heinisch habe er das Konzept entwickelt, erzählt Stefan Gawlick nach der Premiere. Seit er vor 20 Jahren in der Händel-Oper „Agrippina“ besetzt war, habe er darüber nachgedacht, wie man die Handlung „eindampfen“ könne. Nun ist aus der Idee eine Vorstellung geworden.
Als der ungewöhnliche Abend nach eindreiviertel kurzweiligen Stunden endet, spendet das Publikum in der gut gefüllten Sheddachhalle kräftigen Applaus mit Johlen und Pfeifen. Fast könnte man neidisch auf Halle werden: Die Hallenser haben diesen großen Abend noch vor sich. (Ute Lawrenz)