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Prominent besetztes Podiumsgespräch im Neuen Rathaus Göttingen

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Sprachen über die Fairtrade-Town Göttingen (von links): Ingo Herbst (Contigo), Leo Pröstler (Waschbär), Regina Begander (EPIZ), Rolf Becker (Grüne Ratsfraktion), Silvia Hesse (Fairtrade), Christel Wemheuer (Landrätin/Die Grünen), Joachim Berchthold (Stadt Göttingen). © Jan Oliva

Göttingen. Seit 1975 gibt es in Göttingen einen Weltladen, 1994 wurde hier die Fair-Handels-Organisation Contigo gegründet und seit 2013 trägt die Stadt den offiziellen Titel Fairtrade-Town. Man kann behaupten: Fairer Handel hat in Göttingen Tradition.

Die Ratsfraktion der Grünen nahm daher die bundesweit stattfindende Faire Woche zum Anlass, bei einem Podiumsgespräch Bilanz zu ziehen und den Blick in die Zukunft zu richten.

Landrätin Christel Wemheuer, die den Abend gemeinsam mit dem Göttinger Ratsfraktionsvorsitzenden Rolf Becker moderierte, erinnerte sich an ihre erste Maßnahme, als sie 2003 Umweltdezernentin wurde: die Einführung von fairem Kaffee im Kreishaus.

Das entwicklungspolitische Engagement der Kommune Göttingen ist mittlerweile Aufgabe von Joachim Berchthold. Seine Stelle existiert seit 2017 und wird direkt vom Entwicklungsministerium in Berlin finanziert.

Aktuell arbeitet er daran, die Beschaffer der Kommune für die Fairtrade-Idee zu sensibilisieren: „Insbesondere bei Arbeitskleidung wird der Markt von kommunalen Großeinkäufern dominiert.“

Aus Freiburg angereist war Leo Pröstler, Gründer des Waschbär Umweltversands und heute Kopf des Projektverbundes „Futuroverde“. Er mahnte, fairer Handel dürfe nicht von Discountern zur Imagepflege instrumentalisiert werden: „Da werden Fairtrade-Produkte schnell wieder aus dem Angebot genommen.“

Stattdessen seien die Erzeuger der Südhalbkugel auf langfristige und verlässliche Partnerschaften angewiesen. Nur so könnten die Kleinbauern ihre Böden halten, die seit der Finanzkrise zu Anlageobjekten großer Firmen geworden seien.

Auch der Göttinger Fairtrade-Pionier und Contigo-Gründer Ingo Herbst stellte fest: „Das Wort ‘fair’ wird heutzutage inflationär gebraucht – auch in untypischen Kontexten, etwa von Discountern.“ Gleichzeitig forderte er, der faire Handel müsse weiter wachsen: „Es braucht Ziele, die messbar und dokumentierbar sind.“

Die Akteure müssten ihre Vertriebsstrukturen weiter professionalisieren. Durch größere Chargen könnten auch die Endpreise fair gehandelter Produkte gesenkt werden.

Eine Rentnerin aus dem Publikum hatte beklagt, dass faire Produkte nur für Besserverdienende erschwinglich seien. Dagegen betonte Regina Begander vom Entwicklungspolitischen Informationszentrum Göttingen (EPIZ): „Würden alle, die es sich leisten können, Fairtrade-Produkte kaufen, hätte der faire Handel ganz andere Marktanteile.“ Aktuell seien nur vier Prozent des in Deutschland konsumierten Kaffees aus fairem Anbau, so die Entwicklungspolitologin.

Am Ende herrschte Einigkeit: Die Fairtrade-Town Göttingen ist in puncto Nachhaltigkeit auf einem guten Weg. Beispielsweise hat die Stadt im vergangenen Jahr beschlossen, ihre Kapitalanlagen, etwa Pensionsanlagen, nur noch in ökologisch und ethisch verantwortbaren Branchen anzulegen.

Das Schlusswort gehörte dem Ur-Göttinger Herbst. Er gab den rund 60 Menschen mit auf den Weg, sich von der globalen Ungerechtigkeit nicht entmutigen zu lassen, sondern im Kleinen zu beginnen: „Anstatt die Probleme der Welt aus der Flughöhe von Adlern wahrzunehmen und an ihnen zu verzweifeln, sollten wir auf die Flughöhe von Schmetterlingen kommen.“

Von Jan Oliva

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