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Prozess gegen Uni-Professor in Göttingen: Nebenklage sieht „sexuelle Handlung“

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Von: Heidi Niemann

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Der Eingang zum Landgericht Göttingen: Hier wird gegen den Uni-Professor verhandelt.
Der Eingang zum Landgericht Göttingen: Hier wird gegen den Uni-Professor verhandelt. (Symbolbild) © Bernd Schlegel

Ein 58-jähriger Professor der Universität Göttingen soll wegen zahlreicher körperlicher Übergriffe auf zwei Doktorandinnen und eine Labormitarbeiterin eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten erhalten.

Göttingen – Das hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer vor der großen Strafkammer des Landgerichts Göttingen gefordert. Der Angeklagte habe sich unter anderem der mehrfachen Körperverletzung im Amt, der schweren Nötigung und der Freiheitsberaubung schuldig gemacht, sagte die Staatsanwältin. Die Freiheitsstrafe könne zur Bewährung ausgesetzt werden. Als Bewährungsauflage sollte der Professor, der seit viereinhalb Jahren beurlaubt ist und weiter volle Bezüge erhält, den betroffenen Frauen einen Geldbetrag in Höhe von 8000 Euro beziehungsweise 1500 Euro und 700 Euro zahlen, außerdem weitere 3000 Euro an das Frauenhaus Göttingen. Ferner sollte der Bambusstock, mit dem er eine Doktorandin geschlagen habe, als Tatwerkzeug eingezogen werden.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Wissenschaftler, der zeitweilig als Institutsleiter tätig war und auch leitende Positionen in universitären Gremien innehatte, wegen insgesamt 21 Straftaten angeklagt. Einige Anklagepunkte ließ sie zum Ende des seit zwei Monaten laufenden Prozesses fallen, in einigen Fällen nahm sie eine andere rechtliche Bewertung vor. So ließ sie den Vorwurf der mehrfachen sexuellen Nötigung und sexuellen Belästigung fallen.

Der Angeklagte habe zwar einer Doktorandin mehrfach jeweils etwa 20-mal mit der flachen Hand auf das unbekleidete Gesäß geschlagen. Dies seien „per se sexuelle Handlungen“, sagte die Staatsanwältin. Es sei aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen, dass sich der Angeklagte dessen bewusst gewesen sei. Dieser habe die Doktorandin bestrafen wollen, weil sie einen Fehler gemacht habe. Auch andere Zeugen hätten von angedrohten Schlägen auf den Po berichtet. Der Angeklagte habe somit Schläge auf den Po als „Mittel der Bestrafung“ eingesetzt.

Der Professor, der selbst kein Mediziner ist, hatte jegliche sexuelle Motivation bestritten.

Nach Ansicht von Nebenklagevertreter Steffen Hörning, der eine der Doktorandinnen vertritt, liegt dagegen objektiv eine sexuelle Handlung vor. Der Angeklagte habe von Beginn an seine Mandantin aufgefordert, das Gesäß frei zu machen. Er habe sie in mehreren Fällen in einer schutzlosen Lage sexuell genötigt. So habe er sie jeweils zur Abendstunde, wenn das Institut menschenleer war, in sein Büro bestellt und dann die Türen verschlossen. „Er wollte ungestört sein, um die Dinge ausführen zu können“, sagte der Anwalt.

Hörning beantragte eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Dies wäre bei einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren der Fall. Die Anwälte der beiden anderen Nebenklägerinnen verwiesen darauf, dass das interne Machtverhältnis ganz entscheidend dafür gewesen sei, dass die Frauen erniedrigende Übergriffe des Professors über sich hätten ergehen lassen. Sie plädierten ebenfalls auf Freiheitsstrafen.

Die Vertreterinnen der Verteidigung machten dagegen geltend, dass die Nebenklägerinnen nicht „nein“ gesagt hätten. Und wenn sie es gesagt hätten, „hat er nichts gemacht“, sagte Rechtsanwältin Susanne Frangenberg. Keine der Frauen habe zu fliehen versucht: „Keine wollte raus.“ Es habe auch keinen sexuellen Bezug gegeben, erst die Gleichstellungsbeauftragte der Universität habe dies zum Thema gemacht. Ab Ende 2017 habe es dann eine regelrechte „Hexenjagd“ gegen ihren Mandanten gegeben, sagte die Anwältin. Nach Ansicht der Verteidigung hat sich der Angeklagte lediglich in drei Fällen der fahrlässigen beziehungsweise vorsätzlichen Körperverletzung strafbar gemacht. Hierfür sei er zu einer Geldstrafe zu verurteilen.

Der Ausgang des Prozesses ist auch für das seit Ende 2017 anhängige Disziplinarverfahren von Bedeutung: Eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr hätte automatisch die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zur Folge. Das Urteil soll in dieser Woche fallen. (Heidi Niemann)

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