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Göttinger Max-Planck-Institut: Ein Mega-Teleskop an einem Ballon erforscht die Sonne

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Von: Thomas Kopietz

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Ein Teleskop an einem Heliumballon untersucht ab Juni von Schweden aus die Sonne. Die Mission ist eine Kooperation des Göttinger Max-Planck-Institut und der Johns Hopkins Universität.

Göttingen – Der Countdown für Sunrise III läuft: Das Sonnenteleskop in seiner extrem stabilen Kanzel wird im Juni vom nordschwedischen Kiruna an einem Heliumballon aufsteigen und die Sonne nicht mehr aus dem optischen Klammergriff lassen.

Während des Flugs wird es einzigartige Bilder von der Sonne liefern, besonders von den Prozessen in der Chromosphäre, der Schicht zwischen der sichtbaren Oberfläche und der äußeren Atmosphäre, wo mächtig etwas los ist, wie die Wissenschaftler am Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) berichten.

Max-Planck-Institut Göttingen: Ein Mega-Teleskop an einem Ballon soll die Sonne erforschen

Die MPS-Wissenschaftler haben die Mission von Sunrise III in Kooperation mit Kollegen von der Johns Hopkins Universität (USA) vorbereitet. Jetzt steht das ballongetragene Sonnenobservatorium am Esrange Space Center, der Ballon- und Raketenbasis der schwedischen Weltraumagentur SSC in Kiruna.

Das Sonnen-Observatorium Sunrise III.
Die Sonne erstmals fest im Blick. Noch steht das Sonnen-Observatorium Sunrise III im nordschwedischen Kiruna. Bald wird es an einem Helium-Ballon aufsteigen. © A. Gandorfer/MPS

Die Zeit bis zum Start nutzen die technischen und wissenschaftlichen Teams aus Deutschland, Spanien, Japan und den USA, um alle Systeme und die drei wissenschaftlichen Instrumente vorzubereiten. Zudem werden Abläufe und Betrieb des Observatoriums im Flug geübt.

Abläufe und Betrieb des Observatoriums werden im Flug über Göttingen geübt

Getestet wurden Gondel, Geräte und Teleskop auch schon am 28. Oktober bei blauem Himmel in Göttingen: Dort öffnete sich der 15 Meter hohe MPS-Hangar, das Teleskop wurde herausgeschwenkt und – das war das Ziel – es richtete sich an der Sonne aus.

So war es jetzt auch in Kiruna. Dorthin wurde das Observatorium- in Einzelteile zerlegt, per Lastwagen transportiert und wieder zusammengebaut.

Mission „Sunrise III“: Ballon fliegt in rund 35 Kilometer Höhe über Nordschweden

Das „First Light“, der erste Blick auf die Sonne, fand in Kiruna nun bei Temperaturen um den Nullpunkt statt. Auch dort funktionierte alles nach Plan, die Instrumente konnten kalibriert werden. Der beträchtliche Aufwand mit dem Transport nach Nordschweden lohnt sich für die Sonnenforscher, wie MPS-Sunrise-III-Projektmanager Dr. Andreas Korpi-Lagg sagt.

Denn im Sommer geht die Sonne jenseits des Polarkreises nicht unter. So kann Sunrise III während des Fluges rund um die Uhr Messdaten aufzeichnen. Am Erdboden herrschen die besten Bedingungen sonst auf Hawaii, den Kanaren oder im Südwesten der USA, wo Messungen aber meist auf wenige Stunden täglich begrenzt sind.

Weiterer Vorteil ist die Höhe: Der Ballon wird das sechs Meter hohe Observatorium bis in die Stratosphäre fast an den Rad des Weltraums hieven – in etwa 35 Kilometer.

Max-Planck-Institut Göttingen: Ausgeklügeltes System für die Bildstabilisierung

Dort oben ist die Atmosphäre so dünn, dass ungetrübt von Luftturbulenzen der glasklare Blick auf die Sonne möglich ist, zudem Zugang zur ultravioletten Strahlung der Sonne bietet, deren Großteil sonst von der Erdatmosphäre absorbiert wird. „Bessere Beobachtungsbedingungen bieten nur Raumsonden im Weltall“, sagt MPS-Projektleiter Prof. Sami Solanki.

Für den stets scharfen Sonnenblick sorgt ein ausgeklügeltes System der Bildstabilisierung. Selbst vom schwankenden Ballon aus sind so hochpräzise Aufzeichnungen möglicht.

„Sunrise III“, das Sonnenobservatorium soll im Juni 2022 mit einem Ballon in die Stratosphäre gezogen werden, aus 35 Kilometer Höhe die Sonne beobachten, Aufnahmen und Daten liefern, wie nie zuvor. Am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen wurde es am Donnerstag am Boden getestet.
„Sunrise III“, das Sonnenobservatorium soll im Juni 2022 mit einem Ballon in die Stratosphäre gezogen werden, aus 35 Kilometer Höhe die Sonne beobachten, Aufnahmen und Daten liefern, wie nie zuvor. Am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen wurde es am Donnerstag am Boden getestet. © Thomas Kopietz

Wollte ein Sportschütze ähnlich wackelfrei schießen, müsste er sein Gerät so ruhig halten, dass der Schuss auf sieben Kilometer Distanz um maximal Haardicke abgelenkt wird.

„Unsere Vorbereitungen laufen nach Plan. Anfang Juni sind wir startklar“, sagt Korpi-Lagg. Den Ausschlag aber geben die Wetterbedingungen. Landen wird „Sunrise III“ auf unbewohntem Gebiet in Nord-Kanada – nach fünf bis sieben Tag Flug. (Thomas Kopietz)

Das Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen hat seit Ende 2021 einen neuen Direktor. Göttinger Technik des MPS wird 2022 auch auf den Mars fliegen.

Die geheimnisvolle Chromosphäre der Sonne

Die Chromosphäre der Sonne liegt zwischen ihrer sichtbaren Oberfläche und ihrer äußeren Atmosphäre, der Korona. In dieser Verbindungsschicht vollzieht sich ein gewaltiger Temperatursprung: von den vergleichsweise mäßigen 6000 Grad Celsius an der Oberfläche bis zu 20 000 Grad Celsius. In den darüber gelegenen Schichten steigen die Temperaturen dann sogar auf ein Million Grad Celsius an. „Selbst nach Jahrzehnten moderner Sonnenforschung ist die Chromosphäre noch immer rätselhaft“, sagt Prof. Sami Solanki. „Dort spielt sich eine Vielzahl von Prozessen ab, die die Korona mit Energie versorgen und die wir noch nicht im Einzelnen verstehen.“ Im Zusammenspiel erzeugen diese Prozesse nicht nur die unfassbar hohen Temperaturen der Korona, sondern ermöglichen auch die heftigen Eruptionen, in denen die Sonne immer wieder Teilchen und Strahlung ins All schleudert. Die Messdaten von Sunrise III werden die bisher beste Höhenauflösung aus der Chromosphäre liefern: Präziser als je zuvor wird es möglich sein, einzelne Vorgänge einer genauen Höhe über der Oberfläche zuzuordnen. „Mit Sunrise III können wir die Vorgänge in der Chromosphäre besser als je zuvor verfolgen“, sagt Sunrise III-Projektwissenschaftler Dr. Achim Gandorfer vom MPS in Göttingen. (tko)

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