Soziales Zentrum im Ex-Knast: Gegen möglichen Verkauf des Gebäudes

Was wird der früheren Justizvollzugsanstalt in der Göttinger Innenstadt? Um die Zukunft des Gebäudes ist nun eine heftige Diskussion entbrannt.
Göttingen – Die ehemalige Justizvollzugsanstalt am Waageplatz in Göttingen ist ein Filetstück. Seit Jahren gibt es Ideen, wie das Gebäude genutzt werden könnte. Jetzt will die Stadt das Gebäude aber offenbar verkaufen. Dagegen regt sich Widerstand.
Das Gebäude liegt in einem städtischen Sanierungsgebiet. Deshalb gibt es Pläne, das Gebäude zu einem sozialen Zentrum für die Bevölkerung zu machen.
Göttingen: Soziales Zentrum im Ex-Knast statt Verkauf des Gebäudes am Waageplatz
In einem Sanierungsplan für das Gebiet existierte laut Initiative bereits ein bewilligtet Posten über 5,6 Millionen Euro für das ehemalige Gefängnisgebäude. Davon müsste die Stadt etwa ein Drittel der Kosten tragen. Der Rest würde aus Zuschüssen von Land und Bund kommen, so die Pläne.
Jetzt ist aber bekannt geworden, dass bereits in der Bauausschusssitzung am 23. Juni über einen möglichen Verkauf des früheren Gefängnisses beraten werden soll. Die endgültige Entscheidung darüber könnte bereits im September während einer Ratssitzung fallen.
Die Initiative „Soziales Zentrum Göttingen“ kündigt Widerstand gegen die Verkaufspläne an. Die Initiative besteht zurzeit aus dem Waageplatz-Forum, der Jugendorganisation „Die Falken“ und dem solidarischen Gesundheitskollektiv.
Gebäude der ehemaligen JVA in der Göttinger Innenstadt ist gefragt
Das Waageplatz-Forum möchte dort nach dem Vorbild anderer Stadtteile einen Quartiers-Treff ins Leben rufen. „Andere Stadtteile haben eigene Treffpunkte. Den gibt es aber in der Innenstadt nicht“, sagt Paul Wächter vom Waageplatz-Forum Göttingen.
Zusätzliche Angebote für Kinder und Jugendliche wollen die „Falken“ dort realisieren. Bislang haben sie nur 50 Quadratmeter Platz in einem Anbau an Oberen Masch 10. Das „Solidarische Gesundheitskollektiv“ möchte an dieser Stelle ein neues und professionelles Angebot für die Gesundheitsversorgung in der Uni-Stadt schaffen.
Angestrebt wird eine „medizinische Grundversorgung“ für alle – egal ob mit Krankenkassenkarte oder ohne. Dazu sollen eine hausärztliche sowie eine kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung sowie eine Sozial- und Pflegeberatung. „Wir wollen Gesundheitsangebote unter einem Dach für alle machen, die dies benötigen“, sagt Stefanie Schiemann, eine der Initiatorinnen des Gesundheitskollektivs.
Waageplatz-Forum: Projekt Quartiers-Treff mit Gesundheitsangeboten für Bedürftige
Ähnliche Projekte gibt es bereits in Hamburg, Berlin und Leipzig. Ganz konkret arbeiten Spezialisten verschiedener Fachrichtungen, also Ärzte, Gesundheitsfachkräfte und Sozialarbeiter, unter einem Dach sowie Hand in Hand.
Ziel eines solchen Projektes ist es, individuelle Gesundheitsversorgung anzubieten. Gleichzeitig soll damit aber auch das Umfeld der Betroffenen verbessert werden.
Das ehemalige Gefängnis eignet sich wegen seiner zentralen Lage besonders gut und ist von der Größe her ideal, um mit allen anderen Initiativen eng zusammenarbeiten zu können.
„Das ehemalige Gefängnis eignet sich wegen seiner zentralen Lage besonders gut und ist von der Größe her ideal, um mit allen anderen Initiativen eng zusammenarbeiten zu können“, ergänzt Schiemann. Die Initiative „Soziales Zentrum Göttingen“ möchte das Gebäude am Waageplatz gern von der Stadt nach einer Sanierung mieten.
Investition rechnet sich nach 20 Jahren durch Miteinahmen
Nach 20 Jahren müsste sich die Investition durch die Mieteinnahmen gerechnet haben, so die Berechnung der Initiativ-Mitglieder. Der Investor, der aus Braunschweig und Berlin kommt, will nach eigenen Angaben, die er in einer nicht nicht öffentlicher Bauausschusssitzung machte, etwa zehn Millionen Euro investieren.
Entstehen sollen ein Gebäude für vorübergehendes Wohnen, also für Gäste, die ein vorübergehendes Zuhause mit Komfort benötigen, sowie Co-Working-Arbeitsplätze und ein Gastronomie-Angebot. Mitglieder der „Initiative Soziales Zentrum“ Göttingen befürchten, dass nur „Besserverdiener“ bei dem Investoren-Modell von dem Gebäude etwas haben könnten. (Bernd Schlegel)
Auf und rund um den Waageplatz finden immer wieder kulturelle Veranstaltungen statt. Ende Mai 2022 lud ein Winzer zum Weinfest auf den Waageplatz.
DAS SAGT DIE STADTVERWALTUNG: Politik muss am Ende entscheiden
Die Stadtverwaltung bestätigte auf Anfrage, dass nun über die Zukunft der ehemaligen Justizvollzugsanstalt am Waageplatz entschieden werden soll. Am Ende müsse der Rat darüber entscheiden. Deshalb werde die Verwaltung eine entsprechende Vorlage dafür erarbeiten, sagte Erster Stadtrat Christian Schmetz. Er bezweifelt allerdings, dass für das Projekt 5,7 Millionen Euro ausreichen. Zunächst müsse in den Ratsgremien diskutiert werden. (bsc)