Andreas Philippi verbindet Praxis und Politik“
Daniela Behrens führt also nun nach ihrem drei Tage währenden kommissarischen Einsatz das bedeutendste Ressort – das Innenministerium. Wie ihr Chef sagt, habe sie sich dafür aus verschiedenen Gründen qualifiziert. So habe Behrens das Sozial- und Gesundheitsministerium auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie übernommen und bei dieser schwierigen Aufgabe überzeugt, zudem, Schwachstellen erkannt und korrigiert. Dass, was man bei der Leitung des Innenministeriums benötige, bringe Daniela Behrens mit, eine klare Position, ein Ohr für die Mitarbeiter sowie Durchsetzungsstärke. Wie bedeutend das Amt ist, strich Weil heraus: Niedersachsen zeige beim Thema Sicherheit eine klare Kante. „Für uns ist Sicherheit wichtig.“
Es gelte, diese zu gewährleisten, das sei ein Schwerpunkt für ihre künftige Arbeit, sagte denn auch die neue Ressortchefin. Als sie auf weitere wichtige Aufgaben einging, konnte und wollte sie ihrer Herkunft als Sozialministerin nicht verbergen: Sie nannte die Integration und Begleitung von Geflüchteten.
Dass Sicherheits- und Sozialpolitik zusammenhängen, ist für die gebürtige Bremerhavnerin Behrens offensichtlich. So sieht die Ex-Sozialministerin sofort die Schnittmengen zum Ressort ihres Nachfolgers. Sie freue sich darauf, mit dem ausgewiesenen Gesundheitsexperten Andreas Philippi auch Themen wie das Notarzt- und Rettungswesen, in dem sich Philippi übrigens auch privat engagiert.
Der in Herzberg am Herz lebende Philippi und neben seinem Bundestagsabgeordnetenjob in einem Versorgungszentrum operierende Chirurg verbinde in beispielhafter Weise „Praxis und Politik“, sagte sein künftiger Chef Stephan Weil. Philippi wisse nicht nur um die Probleme in Gesundheitssystem, sondern kenne sich auch in der Wohlfahrtspflege aus, so Weil. Die Themen Gesundheit und Pflege würden in Zukunft in der Politik an Bedeutung gewinnen, ebenso die medizinische Versorgung im ländlichen Raum. Damit kennt sich Andreas Philippi bekanntlich aus. Und so präsentiert sich auf der großen Bühne der Landespressekonferenz so, wie er auch im privaten ist: offen, verbindlich und mit einer Prise Humor stellt er sich den Journalisten vor, von denen einige wenig über ihn wissen. „Bislang arbeite ich noch 30 Stunden im Monat als Chirurg am Patienten, ich weiß gar nicht, ob das als Minister möglich ist“, schmunzelte Philippi, der am kommenden Mittwoch die Ernennungskunde als Minister erhalten wird.
„Ich freue mich riesig auf die Arbeit, und ich übernehme das gut bestellte Feld Sozialministerium“, sagt er am Freitagnachmittag gegenüber unserer Zeitung. Auch die Verbindung nach Berlin werde bleiben. Das sei wichtig, weil „die in Niedersachsen hervorragend vorbereitete“ Krankenhausstrukturreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorangetrieben werde, ebenso die verstärkte ambulante Versorgung von Patienten.
So gehen beide neuen Minister optimistisch zum Arbeitsstart in der nächsten Woche in ihre Häuser. Daniela Behrens sagt denn auch selbstbewusst und augenzwinkernd: „Ich hoffe, dass das Innenministerium mit einer starken Frau umgehen kann.“ (Thomas Kopietz)
Zum Stühle rücken im niedersächsischen Landeskabinett kommentiert HNA Redaktionsleiter Thomas Kopietz
Der Ministerpräsident hatte angekündigt, nach dem Abgang von Innenminister Boris Pistorius ins Verteidigungsministerium Tempo beim Finden einer Nachfolge zu machen. Stephan Weil hielt Wort. Am Freitag präsentierte er in Daniela Behrens (SPD) eine Lösung, die nicht überraschend kam. Personell überraschend aber war der nun der notwendige Lückenschluss an der Spitze des Sozial-/Gesundheitsressorts: Andreas Philippi. Ihn holte Weil aus dem Bundestag, wo er den Wahlkreis Göttingen vertritt und in die großen Fußstapfen von Thomas Oppermann getreten war. Fachlich ging wenig vorbei an Philippi, dem auch weiter nebenbei praktizierenden Facharzt für Chirurgie und Notfallmedizin: Er ist ganz dicht dran am Gesundheitswesen mit all den Problemen. Philippi weiß, worum es geht – und er ist ein empathischer Mensch. Das lässt gleichzeitig die Frage nach eventuell fehlender Führungsstärke aufkommen. Andreas Philippi sagt, er habe Personal in Kliniken geleitet, möge aber flache Hierarchien – und das als Arzt, wo in der Medizin gerne strikte Hierarchien gepflegt werden. Daniela Behrens hat eben diese Führungsstärke bewiesen, das Gesundheitsministerium in rauher Pandemie-See übernommen, auf Kurs gebracht und dort gehalten. Auch sie ist den Menschen zugewandt, verfolgt eine klare Linie und zeigt Entschlussfreudigkeit. Das qualifiziert sie für die Steuerung des mächtigen Innenministeriums. Die Übernahme wird auch ihre Chancen auf die Nachfolge von Stephan Weil nicht mindern.
Südniedersachsen jedenfalls hat wieder einen Minister. Der letzte war der grüne Umweltminister Stefan Wenzel. Wermutstropfen: Der Region geht mit Philippi ein gut vernetzter Bundestagsabgeordneter verloren, denn Nachrücker ist Dirk-Ulrich Mende aus Celle. Immerhin studierte Mende in Göttingen und saß drei Jahre im Kasseler Magistrat. tko@hna.de
Erstmeldung von 9:30 Uhr: Hannover/Herzberg - Mit Andreas Philippi (SPD) zieht wieder ein Südniedersachse ins Landeskabinett nach Hannover ein. Der 57 Jahre alte Bundestagsabgeordnete ist Facharzt für Chirurgie und Notfallmedizin und kommt aus Herzberg. Sein Wahlkreis ist in Göttingen. Daniela Behrens (SPD) rückt vom Gesundheits-/Sozialministerium ins Innenministerium - ersetzt Boris Pistorius.
Hintergrund für den Wechsel aus dem Bundestag nach Hannover ist eine notwendige Kabinettsumbildung nach der Ernennung des bisherigen Innenministers Boris Pistorius zum Bundesverteidigungsminister. In Hannover soll diesen Posten die bisherige Gesundheits- und Sozialministerin Daniele Behrens (SPD) übernehmen. Das melden übereinstimmend mehrere Medien. Am Freitagvormittag ist eine Pressekonferenz mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zur künftigen Zusammensetzung des Kabinetts geplant.
Der neue Bundesverteidigungsminister Pistorius (SPD) bekam am Donnerstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde überreicht. Die zurückgetretene Ministerin Christine Lambrecht (SPD) bekam ihre Entlassungsurkunde. Anschließend leistete Pistorius am Donnerstag im Bundestag den Amtseid. Am Dienstag wurde bekannt, dass er dieses Amt übernehmen soll. Auf Landesebene ist die personelle Lücke somit nach wenigen Tagen wieder geschlossen.
Seit knapp zweieinhalb Monaten regieren SPD und Grüne in Niedersachsen zusammen, der 62 Jahre alte Pistorius begann wie Weil seine dritte Amtszeit. Pistorius gilt als enger Vertrauter des Ministerpräsidenten. Bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst gab es keinen Zweifel daran, dass Pistorius im Amt bleiben wird. In wenigen Wochen wäre er Niedersachsens dienstältester Innenminister geworden, dazu kommt es nun nicht mehr.
Dem früheren Osnabrücker Oberbürgermeister sind immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt worden. Diese konzentrierten sich allerdings meist auf das Innenressort. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, falls Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt und bei der Wahl im Herbst dann Erfolg haben sollte. (Bernd Schlegel, mit dpa)