Urteil wurde aufgehoben
Überfall auf Seniorin in Göttingen kommt erneut vor Gericht
Ein folgenschwerer Raubüberfall auf eine 83-jährige Frau aus Göttingen muss erneut vor Gericht verhandelt werden. Grund: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein im Februar verkündetes Urteil des Landgerichts Göttingen aufgehoben.
Göttingen – Das Gericht hatte einen bereits vielfach vorbestraften 24-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Kammer blieb damit deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten gefordert hatte. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Rechtsmittel ein – und hatte Erfolg: Nach Ansicht des BGH hat die Kammer wesentliche Umstände des Falles außer Betracht gelassen (Aktenzeichen 6 StR 241/20).
Der 6. Senat verwies die Sache zu neuer Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Diese muss nun in dem zweiten Prozess insbesondere darüber befinden, wie die Tat strafrechtlich zu bewerten ist und wie hoch die Strafe ausfallen soll. An den Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hatte der BGH dagegen nichts zu beanstanden.
Demzufolge hatte der wegen zweier Handtaschenraubtaten vorbestrafte Angeklagte Anfang September 2019 in einer Sparkassenfiliale nach einer älteren Person Ausschau gehalten, bei der er mit wenig Gegenwehr rechnen konnte. Dort fiel ihm die 83-jährige Rentnerin ins Auge, die einen Geldbetrag abhob. Als sie die Sparkasse verließ, entschloss er sich, sie zu überfallen. Er folgte ihr bis zu ihrem Wohnhaus, das er hinter ihr betrat. Die Seniorin verlor bei dem Überfall das Gleichgewicht und stürzte ungebremst die Stufen hinunter auf die linke Gesichts- und Körperhälfte. Der Angeklagte ließ die blutende und um Hilfe rufende Frau am Boden liegen und flüchtete.
Die 83-Jährige erlitt unter anderem einen Nasen- und einen Jochbeinbruch und musste sich zwei mehrstündigen Operationen unterziehen. Da hierdurch ihre Gesichtsnerven gereizt wurden, sind Teile der linken Gesichtshälfte taub. Ihr linkes Auge tränt ständig, ihre Nase läuft ununterbrochen. Sie hat Schmerzen in der Schulter, die teilweise bis in die Finger ausstrahlen. Der Überfall hat sie so traumatisiert, dass sie unter Alpträumen leidet und nicht mehr in der Lage ist, allein Geld bei der Bank zu holen.
Das Landgericht stufte die Tat – anders als die Staatsanwaltschaft - nicht als schweren Raub, sondern als einfachen Raub ein. Trotz der schweren gesundheitlichen Folgen für die 83-Jährige sahen die Richter auch den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung nicht als erfüllt an, weil der Vorsatz gefehlt habe. Dies sah der BGH anders. Die Beweiswürdigung halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, befand der Senat. (Heidi Niemann)