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Urteil nach Gewaltattacke auf 76-Jährigen: Angeklagter muss dauerhaft in die Psychiatrie

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Von: Heidi Niemann

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Tatort Kleingartenverein „Auf der Masch“ in Göttingen.
Tatort Kleingartenverein „Auf der Masch“ in Göttingen: Im Bereich des Pavillons wurde der 76-jährige Rentner und Mieter eines Kleingartens im April 2022 von dem 38-jährigen Angeklagten brutal angegriffen. © Thomas Kopietz

Urteil im Prozess um einen brutalen Angriff auf einen Rentner: Der Angeklagte bekommt eine mehrjährige Freiheitsstrafe und muss in die Psychiatrie.

Göttingen – Im Prozess um eine lebensbedrohliche Gewaltattacke gegen einen 76-jährigen Rentner an einem Kleingartengelände in Göttingen hat das Landgericht Göttingen am Dienstag das Urteil verkündet.

Die Kammer verurteilte den 38 Jahre alten Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, außerdem ordnete es seine dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Nach Gewaltattacke auf 76-jährigen Rentner: Haftstrafe und Psychiatrie für den 38-jährigen Angeklagten

Der Angeklagte habe im April 2022 völlig grundlos den Rentner angegriffen, zu Boden gebracht und mehrfach gegen den Kopf geschlagen. Anschließend habe er mehrere Polizisten beleidigt, beschimpft und bedroht.

Damit habe er sich der gefährlichen Körperverletzung sowie des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Bedrohung schuldig gemacht.

Der Angeklagte hatte zu Beginn des Prozesses eingeräumt, den 76-Jährigen angegriffen und mehrfach geschlagen zu haben. Er bedaure die Tat, allerdings habe er keine Erinnerung an das Geschehen. Der Angriff war völlig überraschend gekommen.

Landgericht Göttingen: Angeklagter muss dauerhaft in einer Psychiatrie untergebracht werden

Der Angeklagte war plötzlich auf den Rentner zugerannt, als dieser eine Tüte mit Hundekot im Mülleimer entsorgen wollte. Der 76-Jährige war nach der Gewaltattacke in die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) gekommen und noch am gleichen Tag wieder nach Hause entlassen worden. Rund zwei Monate später kam er erneut in die Uni-Klinik.

Dort stellten die Ärzte fest, dass er eine beidseitige Hirnblutung hatte, die eine sofortige Operation in der Neurochirurgie erforderte. Nach Angaben des Rechtsmediziners Professor Wolfgang Grellner war die Hirnblutung auf die Schläge gegen den Kopf zurückzuführen, diese seien potenziell lebensbedrohlich gewesen.

Nach Gewaltattacke: 76-jähriger Rentner aus Göttingen erleidet beidseitige Hinrblutung

Der 38-Jährige war zur Tatzeit erheblich alkoholisiert gewesen, eine Untersuchung ergab einen Wert von 2,76 Promille. Auch bei früheren Gewaltdelikten hatte der bereits mehrfach vorbestrafte Angeklagte unter Alkoholeinfluss gestanden.

Nach Angaben einer Gutachterin liegt bei ihm eine exogene Psychose vor. Diese beruht auf einer organischen Veränderung des Gehirns, die auf Komplikationen bei seiner Geburt zurückzuführen sind.

Das Gehirn war dabei zeitweise mit Sauerstoff unterversorgt. Die frühkindliche Schädigung hatte eine dauerhafte Persönlichkeits- und Verhaltensstörung zur Folge. Die Schädigung mache zudem das Gehirn für Alkohol empfindlicher, sagte die Gutachterin.

Frühkindliche Schädigung: Angeklagter leidet unter einer Verhaltensstörung

Die vorhandene organische Störung werde durch den Alkohol potenziert, auch bei geringer Alkoholmenge zeigten sich deutliche Auffälligkeiten. „Die aggressiven Übergriffe hängen eng mit dem Hang zum Alkohol zusammen.“

Der Vorsitzende Richter Tobias Jakubetz verwies darauf, dass der 38-Jährige bereits lange Zeit im Maßregelvollzug untergebracht gewesen sei, darunter mehrere Jahre im Maßregelvollzugszentrum in Moringen. Am Tattag sei er mal wieder in Freiheit gewesen.

Er habe „ausgiebig gepichelt“ und dann völlig grundlos den Rentner angegriffen. Aufgrund seiner Alkoholisierung sei der Angeklagte zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen, nicht aber schuldunfähig.

Angeklagter 38-Jähriger: Alkoholsucht und organische Störung sind Faktoren für Gewaltattacke

Die Gewaltattacke sei auf das Zusammenwirken zweier Faktoren zurückzuführen, die Alkoholabhängigkeit und die organische Störung. „Beides ist untrennbar miteinander verbunden“, sagte Jakubetz.

Aufgrund früherer Erfahrungen sei klar, dass eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keine Option sei. Das Landgericht Osnabrück habe 2020 eine solche Maßnahme angeordnet, dieser Versuch sei aber „sofort krachend gescheitert“.

Da der Angeklagte nicht motiviert sei, etwas gegen seinen Hang zum Alkohol zu tun, bestehe weiterhin die Gefahr, dass es auch in Zukunft zu aggressiven Vorfällen komme.

Urteil im Prozess um Gewaltattacke: Richter ist sich sicher, dass Situation sich wiederholen kann

„Es ist klar, dass sich so eine Situation wiederholen kann“, sagte der Richter. Um die Allgemeinheit davor zu schützen, müsse der Angeklagte dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden.

Mit ihrem Urteil blieben die Richter unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie eine dauerhafte Unterbringung gefordert hatte.

Landgericht Göttingen: Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert

Der Verteidiger hatte dagegen auf Freispruch plädiert, weil nicht auszuschließen sei, dass sein Mandant aufgrund seiner krankhaften seelischen Störung sowie seiner erheblichen Alkoholisierung zur Tatzeit schuldunfähig gewesen sei.

Für eine Unterbringung in der Psychiatrie lägen nicht die notwendigen Voraussetzungen vor. Dies sah die Kammer anders. „Es geht nicht nur um die Heilung, sondern auch um die Sicherung“, so der Vorsitzende Richter.

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