Volltrunken auf dem E-Roller: Hohe Promillewerte vor allem bei jungen Nutzern

E-Scooter sind beliebt. Doch viele sind betrunken mit den kleinen Flitzern unterwegs. Doch dann droht unter anderem der Verlust des Führerscheins.
Göttingen – Sie können schnell per Handy-App ausgeliehen werden und stehen in Göttingen fast an jeder Straßenecke: Elektro-Roller, auch Scooter genannt, sind beliebt. Doch manche – vor allem junge – Nutzer sind damit betrunken unterwegs und haben die Folgen nicht im Blick.
Die Alkohol-Sünder waren im Durchschnitt 27 Jahre alt und meist männlich.
Die sogenannten „Trunkenheitsfahrten“ mit den kleinen Fahrzeugen haben laut Göttinger Polizei stark zugenommen. Waren im vergangenen Jahr 176 Alkohol-Sünder auf den E-Rollern ertappt worden, so stieg diese Zahl bis Ende November auf 231 Fahrten von Betrunkenen an.
Zwei negative Spitzenreiter mit 4,00 beziehungsweise 3,16 Promille
Die Polizei macht dabei die Erfahrung, dass bei den Fahrerinnen und Fahrern von E-Scootern auch höhere Promillewerte festgestellt werden mussten. In 15 Fällen waren Werte es mehr als zwei Promille (2021: neun Fälle). Negative Spitzenreiter waren eine 35-Jährige mit 4,00 Promille und ein 39-Jähriger mit 3,16 Promille.
Trotz dieser hohen Werte waren vergleichsweise viele Alkoholsünder noch in der Lage, den Elektroroller sicher durch den Straßenverkehr zu steuern, obwohl die kleinen Fahrzeuge aufgrund ihrer „fahrphysikalischen Eigenschaften“ als schwierig zu fahren gelten. Die Polizei geht daher davon aus, dass bei diesen Personen zweifelsohne eine gewisse „Gewöhnung an Alkohol“ vorliegt.

Aus Sicht von Jörg Arnecke, Verkehrssicherheitsberater bei der Polizeiinspektion Göttingen, sind viele Fahrerinnen und Fahrer der elektrisch angetriebenen „Flitzer“ – trotz verschiedenster Präventionsmaßen – nicht beziehungsweise kaum über die einschlägigen Verhaltensvorschriften und besonderen Gefahren im Straßenverkehr informiert.
Schneller Besuch der Party mit dem Scooter
Viele E-Scooter-Fahrer nutzen oft – trotz beeinträchtigter Fahruntüchtigkeit – den E-Scooter zum schnellen Besuch einer Party beziehungsweise für den Heimweg – mit ungeahnten Folgen. Dazu gehören Verkehrsunfälle mit Schwerstverletzten, die Gefahr ein Beschuldigter im Strafverfahren zu werden oder auch der Verlust des Führerscheins.
Der Verlust des Führerscheins droht
Laut Göttinger Polizei werden die E-Scooter von vielen Nutzern unzutreffend als „Sportgeräte“ – mit einem entsprechenden „Spaßfaktor“ – wahrgenommen. Es handelt sich aber rechtlich um versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge – vergleichbar mit einem Auto.
Damit gelten für die Elektroroller die gleichen Promillegrenzen wie beim Autofahren und die entsprechenden strafrechtlichen Folgen, wie der Verlust des Führerscheins. „Klingt im ersten Moment surreal, ist aber so. Dies dient der Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr. Der Unterschied zwischen einem E-Scooter und anderen Kraftfahrzeug besteht darin, dass die Elektro-Roller fahrerlaubnisfrei sind, sofern die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von maximal 20 km/h nicht überschritten wird“, erklärt Jörg Arnecke, Verkehrssicherheitsberater bei der Polizeiinspektion Göttingen. Er weist auf folgende rechtliche Hintergründe bei der E-Scooter-Nutzung hin:
- Absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger: Für Verkehrsteilnehmer unter 21 Jahren sowie während der Probezeit drohen bei Verstößen folgende Strafen: 250 Euro Geldbuße, ein Punkt in Flensburg sowie Aufbauseminar und Verlängerung der Führerschein-Probezeit von zwei auf vier Jahre.
- 0,5-Promille-Grenze: Bei einem Alkoholwert zwischen 0,50 und 1,09 Promille – ohne alkoholbedingte Ausfallerscheinungen – drohen beim ersten Verstoß 500 Euro Bußgeld und ein Monat Fahrverbot. Beim zweiten Verstoß sind es 1000 Euro Bußgeld sowie drei Monate Fahrverbot. Beim dritten Verstoß sind 1500 Euro Bußgeld, drei Monate Fahrverbot sowie zwei Punkte in Flensburg vorgesehen. Das gilt auch für Fahrten unter Einfluss von Betäubungsmitteln.
- Trunkenheit im Straßenverkehr: Das ist eine Straftat. Bei Werten zwischen 0,30 Promille und 1,09 Promille (relative Fahruntüchtigkeit) mit alkoholbedingten Ausfallerscheinungen (unsichere Fahrweise, zum Beispiel „Schlangenlinien“), bei Werten ab 1,10 Promille liegt eine absolute Fahruntüchtigkeit vor. In allen Fällen sind die Sicherstellung/Beschlagnahme des Führerscheins zur „Vorbereitung des Entzugs der Fahrerlaubnis“ im Strafverfahren durch ein Gericht, eine Geldstrafe oder bei Wiederholungstätern auch eine Freiheitsstrafe vorgesehen. Auch droht der Entzug der Fahrerlaubnis. Die Dauer liegt dabei im Ermessen des Gerichts – in der Regel mindestens sechs Monate. Außerdem wird ab einem Wert von 1,6 Promille eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), umgangssprachlich Idiotentest genannt, angeordnet.
Verkehrssicherheitsberater Arnecke macht deutlich: „E-Scooter sind Kraftfahrzeuge und keine Sportgeräte oder Spielzeug.“ Es sollten nur verkehrssichere E-Scooter mit Betriebserlaubnis und Versicherungskennzeichen genutzt werden. Und: „Die eigene Fahrtüchtigkeit ist wichtig.“
Hier weitere Tipps der Göttinger Polizei:
- Alkoholkonsum und Medikamenteneinnahme sollten stets kritisch beurteilt werden.
- Befahren Sie ausschließlich Radwege/-fahrstreifen beziehungsweise die rechte Fahrbahnseite.
- Benutzen Sie den E-Scooter ausschließlich allein.
- Fahren Sie vorausschauend und defensiv.
- Üben Sie den sicheren Umgang, das Anfahren, plötzliches Bremsen, Balance halten und insbesondere das Abbiegen!
- Tragen Sie einen Helm. Er schützt Ihr Leben und ihre Gesundheit! (Bernd Schlegel)
Erste E-Scooter waren im März 2020 am Start
Erste E-Scooter zum Leihen gibt es seit März 2020 in Göttingen. Damals startete „Yoio“ mit seinem Angebot. Inzwischen sind weitere Anbieter hinzugekommen. Zum Ausleihen wird in der Regel ein Smartphone, auf das eine App geladen wird, genutzt. Die Bezahlung erfolgt online – zum Beispiel per PayPal oder Kreditkarte. Die Verleiher legen für ihre Elektroroller die Regeln selbst fest: So liegt das Mindestalter in der Regel bei 18 Jahren. (bsc)