Extrembergsteiger besucht Göttingen
Interview mit Reinhold Messner: "Altern ist ganz normal"
Göttingen. Er hat die höchsten Berge der Welt bestiegen, die größte Wüste der Welt durchschritten, er ist Politiker, Buchautor und Geschäftsmann. Mit bald 70 Jahren blickt Reinhold Messner auf ein bewegtes Leben zurück und spricht darüber im Interview.
Anekdoten und Geschichten aus seinem Leben erzählt Messner bei seinem Vortrag „Leben am Limit“, mit dem er am Dienstag, 21. Januar, in der Stadthalle Göttingen zu Gast ist. Im Interview lässt gibt er jetzt schon Einblicke.
Reinhold Messner: Tatsächlich war ich nicht oben, sondern nur am Fuße des Berges. Aber es ist wahr: Ich habe immer noch einen Haufen Ideen und einen Haufen Energie – denn die Ideen wollen ja auch umgesetzt werden. Ich bin immer noch in der Lage, dem, was ich tue, Sinn zu geben. Auch wenn ich heute nicht mehr auf die größten Berge steige oder die größten Wüsten durchschreite.
Messner: Nein. Ich brauche mich nicht zu beweisen. Erfahrungen kann ich auch an kleineren Bergen machen. Indem ich älter werde, werden die Berge ja größer. Ein 6000-Meter-Berg hat heute für mich eine Schwierigkeit wie ein 7000er Berg, weil ich einfach langsamer und ungeschickter werde. Das ist ganz normal. Das Altern ist ganz normal. Es ist ein Prozess, mit dem jeder Mensch zurechtkommen muss. Ich suche mir heute eben Aufgaben, die in anderen Bereichen liegen. Ich bin ja nicht nur Bergsteiger, sondern auch Naturschützer, Politiker und Museumsgründer.
Messner: Ohne extreme Herausforderungen ist es jetzt schon. Beim Mount-Everest-Alleingang hätte ich umkommen können. Bei meinem aktuellen Museumsprojekt hätte ich nur pleite gehen können. Das ist ein großer Unterschied.
Messner: Wenn Sie sich im Vorfeld keine Ängste und Schwächen eingestehn, dann leben Sie nicht lange. Ich kann meine Schwächen ja nur überwinden, indem ich ihnen etwas entgegensetze. Wenn ich glaube, ich habe zu wenig Ausdauer, muss ich diese trainieren. Die Ängste müssen sich im Vorfeld auflösen, weil ich alles, was ich als mögliches Problem erkannt habe, gelöst habe.
Messner: Nein. Es ist eher eine Begegnung mit den Schwächen und Zweifeln. Angst hat etwas mit fehlendem Selbstvertrauen zu tun. Und das kann ich aufbauen, indem ich besser werde.
Messner: Ich dürfte keine Vorträge machen, wenn ich nicht bereit wäre, etwas von mir preiszugeben. Das ist mein Schlüssel zum Vortrag. Ich erzähle nicht irgendwelche sterilen, handwerklichen Bergsteigergeschichten, sondern ich erzähle, was mit mir passiert, wenn ich mich diesen archaischen Welten ausliefere, mit den Gefahren, mit den Anstrengeungen, mit der Einsamkeit. Viele Leute waren schon mal einsam und fragen sich: Wie macht der das so ganz allein da oben? Und ich erzähle ihnen, dass das eigentlich gar nicht so schlimm ist.
Zur Person
Reinhold Messner kam 1944 in Brixen in Südtirol als eines von acht Kindern zur Welt. Schon mit fünf Jahren bestieg er seinen ersten 3000-Meter-Berg. Nach einem Technik-Studium arbeitete er kurze Zeit als Mittelschullehrer, bevor er die Gipfel der Welt stürmte. 1978 war Messner der erste, der den Mount Everest ohne Sauerstoff bestieg. Er schaffte es zu den Gipfeln aller 8000er, teils im Alleingang. Er durchquerte die Arktis, Grönland und die Wüste Gobi. Er saß als Abgeordneter im EU-Parlament, ist Buchautor, Redner und Museumsgründer. Zwischen seinen Reisen lebt der 69-jährige Messner mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Meran in Südtirol.
Von Verena Schulz
Dienstag, 21. Januar, 20 Uhr, Stadthalle Göttingen, Karten zwischen 28,35 und 35,85 Euro an allen bekannten Vorverkaufsstellen und auf www.reisefibel.de