Problemfall Kritik an Israel: Nakba-Ausstellung und Gegenaktion am Mittwochabend in Göttingen

Göttingen. Am Mittwoch startet in der Galerie Alte Feuerwache statt in einem Uni-Gebäude die mehr als 130 Mal weltweit gezeigte, umstrittene Ausstellung des Vereins Flüchtlingskinder im Libanon „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948.“ Zeitgleich zur Eröffnung beginnt im Zentralen Hörsaalgebäude (ZHG) um 19 Uhr eine Gegenveranstaltung.
Altes Problem
Der Umgang und Streit, aber auch die Verlegung des Ausstellungsortes verdeutlichen, wie emotional besetzt eine kritische Betrachtung israelischer Politik ist – vor allem in Deutschland.
Start verschoben
Ursprünglich sollte die Schau im neuen, repräsentativen Gebäude des Kulturwissenschaftlichen Zentrums, dann im (ZHG) präsentiert werden, mit Vorträgen im Rahmenprogramm und vorbereitet von der Islamwissenschaftlerin der Uni Göttingen, Irene Schneider sowie dem Göttinger Juraprofessor und Richter am Landgericht Kai Ambos.
Protest der Studenten
Dann gab es massiven Protest aus Reihen der Studentenschaft, dem Fachschaftsrat Sozialwissenschaften und dem AStA – auch gegen die begleitende Vortragsreihe zur Ausstellung. Ein Vorwurf: Antisemitismus. Forderung: Absage.
Jewish Committee
Dem schloss sich eine Vereinigung an, die oft und massiv aktiv wird, wenn es um die Interessenvertretung Israels geht: American Jewish Committee (AJC). Deire Berger vom AJC Berlin Ramer Institute schrieb an Uni-Präsidentin Ulrike Beisiegel, dass die Ausstellung wesentliche Umstände des Themas Flucht und Vertreibung der Palästinenser ausblende. Die Darstellung sei einseitig. Der AJC kritisierte auch, dass die Uni die Professur des „deutschlandweit geschätzten Antisemitismus- und Rechtsextremismus-Experten“ Prof. Dr. Samuel Salzborn auslaufen lasse.
Uni knickt ein
Der öffentliche Druck auf den Veranstalter Uni wuchs, und das in Zeiten, da eine Uni-Präsidentin in Hildesheim just wegen antisemitischer Probleme an einem Seminar den Hut nehmen musste. AStA und Fachschaftsrat untermauerten derweil den Vorwurf die Ausstellung sei antisemitisch.
Die Uni-Leitung knickte ein: Zunächst wurde der Start wiederholt verschoben, dann erklärte das Präsidium, es müsse eine wissenschaftliche Analyse von Außen eingeholt und die Schau mit einem „adäquaten Raum für Gegenpositionen“ gezeigt werden – etwa in einem halben Jahr.
Macher beschweren sich
Eine Entscheidung mit der die Macher vor Ort, Schneider und Ambos, nicht einverstanden waren. Kai Ambos wertet das Vorgehen des Präsidiums, der Ausstellung keine Bühne zu geben, als fraglich. In einem Schreiben an Beisiegel kritisierte er die Entscheidung. Befürworter aus der politischen Szene beklagen, dass die Universität ein Ort für die kontroverse Auseinandersetzung mit geschichtlichen und politischen Themen sein und bleiben müsse.
Verhärtete Fronten
Die Fronten aber sind verhärtet: Die Befürworter führen an, dass nur Fakten gezeigt werden, ohne die Existenz des jüdischen Staates in Frage zu stellen. Gegner der Nakba-Schau beklagen, dass der Grund für die Vertreibung von Palästinensern 1948 der Angriffskrieg der arabischen Nachbarstaaten auf den jungen jüdischen Staat gewesen ist. Folge: Die Ausstellung zeige die Juden damals als kollektive Aggressoren.
Schmutzige Aktion
Welche Wellen der Streit geschlagen hat, zeigt ein Aufkleber der an die Tür einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Uni geklebt wurde, die an der Ausstellung mitgearbeitet hat. Aufschrift: „Halt Dein dummes Kotmaul, du Antisemitenschmutz....“
Ausstellung in der UNO
Die Ausstellung wurde bereits in der UNO, im Europäischen Parlament und zeigt – umstritten war sie immer und überall. An anderen Ausstellungsorten wurde darüber diskutiert. Die Uni Göttingen wollte das – noch nicht – zulassen.
Start und Protest
Der Streit aber wird am Mittwochabend weitergehen, wenn zeitgleich um 19 Uhr die Ausstellung in der Galerie Alte Feuerwache eröffnet und gleichzeitig – 500 Meter entfernt im ZHG – eine Gegenveranstaltung zur Vertreibung der Juden, stattfinden wird. Eingeladen haben: Deutsch-Israelische Gesellschaft, Fachschaftsrat Sozialwissenschaften und die Organisation Association Progres. (tko)