Säureangriff: 18 Monate Haft auf Bewährung für "Reichsbürgerin"

Herzberg. Das Amtsgericht Herzberg hat die Tochter einer bekennenden „Reichsbürgerin“ aus Barbis im Südharz wegen eines Angriffs auf einen Polizisten zu einer Freiheitsstrafeverurteilt.
Aktualisiert um 17.50 Uhr - Das Gericht setzte die Strafe von eineinhalb Jahren am Dienstag zur Bewährung aus. Nach Ansicht des Gerichts hat sich die 30-jährige Angeklagte der Körperverletzung in drei Fällen sowie des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht. Sie habe im Juni 2015 im Wohnhaus der Mutter dem Polizisten, der gemeinsam mit einem Kollegen und einem Mitarbeiter des Landkreises Osterode dem Bezirksschornsteinfeger Amtshilfe geleistet hatte, Sanitärreiniger ins Gesicht gespritzt, so dass dieser schwere Verätzungen an den Augen erlitt.
Außerdem hatte sie den Beamten gebissen, geschlagen und getreten. Zu dem Vorfall war es gekommen, nachdem die 68-jährige mehrfach eine Überprüfung ihrer Heizungsanlage verweigert hatte. Der Bezirksschornsteinfeger und ein Vertreter des Landkreises hatten die Polizei um Amtshilfe gebeten, um die vorgeschriebene Feuerstättenschau vornehmen zu können.
Kurz nachdem sie das Haus betraten, spritzte die 30-jährige Tochter von einem Treppenabsatz aus dem Polizisten den Sanitärreiniger zwischen Brille und Gesicht. Neben dem Polizisten habe sie auch den Landkreis-Mitarbeiter, der ebenfalls einige Spritzer ins Auge bekommen hatte, sowie den zweiten Polizisten verletzt, sagte die Vorsitzende Richterin Annett Crohn.
Die mitangeklagte 68-jährige Mutter, die bereits seit Jahren die Behörden mit Klagen überzieht, wurde dagegen freigesprochen. Die Beweisaufnahme hatte ergeben, dass sie einem Polizisten lediglich zweimal am Ärmel gezupft, aber keine Gewalt angewendet hatte. Nicht geklärt sei, ob die 68-Jährige sich als Anstifterin betätigt und ihre Tochter instrumentalisiert habe, sagte die Richterin.

Das Gericht blieb mit seinem Urteil unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten gefordert hatte. Die Verteidiger hatten dagegen beide auf Freispruch plädiert.
Mutter und Tochter waren auch am zweiten Verhandlungstag die ganze Zeit über stehen geblieben. Beide erklärten in ihrem Schlusswort: „Kein Schuldanerkenntnis“. Die 30-Jährige hatte bis zuletzt kein Wort des Bedauerns oder der Reue geäußert und auf alle Fragen betont schnippisch und pampig reagiert. Die Richterin wertete es als strafverschärfend, dass sie nichts unversucht gelassen habe, das Opfer durch Gelächter und abfällige Handbewegungen zu verhöhnen.
Polizeigewerkschaft hatte härtere Strafe erwartet
Zu dem Urteil äußerte sich auch Dietmar, Schilff, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Wir hatten erwartet, dass die Strafe härter ausfällt und somit ein deutlicheres Zeichen gegen Gewalt gegen Polizisten gesetzt wird.“

Schilff betonte, dass die Verletzungen, die der Polizist bei dem Einsatz im Haus der beiden Frauen im Juni 2015 erlitten hatte, durchaus als schwere Gesundheitsschädigung hätten bewertet werden können. Dann hätte die 30-jährige Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verurteilt werden können. „Der Staat hätte hier deutlich machen können, dass er sich die Ablehnung der sogenannten Reichsbürger nicht gefallen lässt. So aber wurden die gefährliche Körperverletzung und der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mit einer relativ milden Bewährungsstrafe belegt“, so Schilff weiter. Der GdP-Landesvorsitzende wies erneut auf die Gefährlichkeit der „Reichsbürger“ hin, denen jeglicher Respekt vor Polizistinnen und Polizisten fehle.
„Straftaten von Reichsbürgern müssen weiterhin mit aller Konsequenz verfolgt werden und die Täter hart bestraft werden“, forderte Schilff. „Unsere Kolleginnen und Kollegen müssen mit allen Mitteln geschützt werden.“ Dazu gehöre auch, den „Reichsbürgern“ weiterhin konsequent die waffenrechtliche Erlaubnis wegen fehlender Zuverlässigkeit zu entziehen. (bsc)
Stichwort: Das sind Reichsbürger
Die sogenannten Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Sie behaupten stattdessen, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder zahlen wollen sie nicht. „Reichsbürger“ bilden keine einheitliche Bewegung, im Gegenteil: Manche von ihnen sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches, mit eigenen Ausweisen und Nummernschildern.
Der Verfassungsschutz geht von etwa 12 600 Reichsbürgern in Deutschland aus. Bei einigen von ihnen sieht er eine „erhebliche Gewaltbereitschaft“. (dpa)
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