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Die Anfänge der öffentlichen Bücherei im Welfenschloss Hann. Münden

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Oberer Schlossplatz mit Eckturm um 1930: Unter der Schlosskapelle links befand sich der Eingang zur Volksbücherei, im Eckturm der Eingang zum Museum. Aufwendige Anpflanzungen, sogar mit einer Bananenstaude, verantwortete die Forstliche Hochschule, die das Schloss ebenfalls nutzte.
Oberer Schlossplatz mit Eckturm um 1930: Unter der Schlosskapelle links befand sich der Eingang zur Volksbücherei, im Eckturm der Eingang zum Museum. Aufwendige Anpflanzungen, sogar mit einer Bananenstaude, verantwortete die Forstliche Hochschule, die das Schloss ebenfalls nutzte. Der Fotograf ist unbekannt. © Stadtarchiv Hann. Münden./Repro: Stefan Schäfer

Bücher gab es damals für fünf Pfennig Lesegebühr - Die Anfänge der Stadtbücherei liegen schon einige Jahrzehnte zurück.

Hann. Münden – Im April 1983 eröffnete die Stadtbücherei ihre Pforten im Welfenschloss, nachdem sie viele Jahre im früheren Gewerkschaftshaus am Feuerteich ihre Heimat hatte. Die Anfänge liegen aber einige Jahrzehnte früher und diese sogar im Schloss.

Schon um die Jahrhundertwende wurde der Begriff der Volksbücherei als „Stätte der geistigen Wohlfahrtspflege“ geprägt. Hier sollte die „breite Masse“ auch den Zugang zur Welt des Buches erlangen. Lesen ist eine Schlüsselkompetenz zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Für weit über 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler endete die Schulpflicht nach einem siebenjährigen Volksschulbesuch.

Arbeiter konnten sich keine Bücher leisten

Arbeiter und Kleinverdiener konnten sich in der Regel weder eine Zeitung, geschweige denn Bücher leisten. Dennoch wurden Papier und Druckverfahren immer günstiger und Groschenromane fanden zunehmenden Absatz. Gerade damals gab es eine rege Diskussion zur Fernhaltung der sogenannten Schmutz- und Schundliteratur und politisch aufwiegelnder Schriften.

Im Ersten Weltkrieg sollten die Volksbüchereien neben der sittlichen und religiösen Kräfte auch den opferreichen Kampf für das Vaterland stärken. Zu dieser Zeit betrieb die Stadt Schulbibliotheken an den Schulen. Der lokale Buch- und Zeitschriftenhandel war in privater Hand.

Ziel: Bibliotheken an einem gemeinsamen Standort zusammenzufassen

Buchhandlungen boten Bücher auch zur Leihe an. 1912 bestand in der heutigen Ritterstraße 10 die unter Adolf Vockrodt geleitete Bücherei des Bundes Mündener Turn-Sport und Jugendvereine (Jugendbund). Im Jahre 1919 sind die Anfänge der Volksbibliothek in Münden zu suchen. Sie speiste sich aus mehreren Vorläufern.

Zum einem aus der Mündener Gewerkschaftsbewegung und der Sozialdemokratie, zum anderem aus dem 1919 in Münden gegründeten Verein der „Deutschen Volksgemeinschaft“ und dem Jugendbund. Auch der Arbeiterbildungsverein wollte seine Sammlung der Volksbücherei beisteuern.

Ziel war es, alle Bibliotheken an einem gemeinsamen Standort zusammenzufassen. Die Stadt verhandelte mit dem Land bezüglich der Zurverfügungstellung von Räumen im Welfenschloss, für deren Herrichtung die Stadt 25.000 Mark aufwendete. 1920, im Jahre der Einrichtung der Volksbücherei, stießen gleich zwei Nutzungsinteressen aufeinander.

1922 konnte Bücherei in den Untergeschossräumen des Welfenschloss eröffnen

Der Stuckateur Gustav Mehnert hatte hier seine Werkstatt für die Restaurierung der Bildwerke für Gustav Eberlein, dessen Sammlung den Grundstock für das 1898 eröffnete Heimat- und Eberleinmuseum bildete. Mehnert berief sich darauf, dass ihm die Räume unentgeltlich von Prof. Eberlein überlassen worden seien, die Stadt pochte auf Räumung. Monate vergingen, bis Anfang 1922 die Bücherei in den Untergeschossräumen des Welfenschlosses eröffnen konnte.

Für den Betrieb zeichneten sich für das Gewerkschaftskartell der Metallarbeiter Karl Rettig, für die Deutsche Volksgemeinschaft der Gymnasiallehrer Hermann Thümmel verantwortlich. Im Zuge der nun um sich greifenden Inflation war an die Anschaffung neuer Bücher kaum zu denken, denn für den in Aussicht genommenen Anschaffungsetat für das Jahr 1923 von 500 000 Mark bekam man zur Jahresmitte noch nicht einmal mehr eine Tageszeitung.

1924 wurde das erste Jahr mit einem gewissen Normalbetrieb. 3200 Bücher warteten auf die Leserschaft, die jeweils für fünf Pfennige pro Woche als Lesegebühr zu entleihen waren. Der Zuschuss der Stadt von zehn Mark wurde allein für die Anschaffung von zweieinhalb Zentner Koks und zwei Zentner Briketts zur Beheizung verausgabt. Die Bücherei war auf private und öffentliche Zuschüsse angewiesen und die Erträge reichten nur für die Klebung und Reparatur schadhafter Bücher.

Gerade im Winter 1923 sollten an den beiden Öffnungsstunden pro Woche etwa 200 Entleiher abgefertigt worden sein. In der Weimarer Republik entwickelte sich das Tätigkeitsfeld des Volksbibliothekars, so die damalige Berufsbeschreibung, zu einem verantwortungsvollen Kultur- und Bildungspfleger. Nach steten Verbesserungen sollte das Jahr 1933 diesem Anspruch ein Ende setzen, auch in Münden brannten Bücher. (Stefan Schäfer)

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