In den Praxis-Prüfungen habe vor allem die Dauer der Prüfungen die Schwierigkeit erhöht. Seit ein paar Jahren sei eine Prüfungsdauer von 55 statt 45 Minuten der Standard. In einer längeren Prüfung gebe es natürlich mehr Möglichkeiten für Fehler.
Das Verhältnis der Fahrschüler zur Mobilität habe sich laut Quentin grundsätzlich geändert. Es sei nicht mehr jeder Schüler 17 oder 18 Jahre alt, sondern teils etwas älter, da ein Führerschein oft erst zum Ende der Berufsausbildung wichtig sei, wenn er für die Arbeitsstelle benötigt werde. Ist diese weiter weg, reichten die öffentlichen Verkehrsmittel oft nicht aus. Durch die Verkehrswende seien Alternativen wie das Fahrrad zumindest innerorts eine gute Alternative.
Fahrlehrer Alexander Torke, Inhaber der Fahrschule Budnik in Hann. Münden, hat die steigenden Durchfallquoten auch bei seinen Schülern bemerkt. Er meint, dass gerade die Praxis-Prüfung aber durch den immer komplexeren Straßenverkehr auch schwieriger geworden sei.
Zahlen des Statistischen Bundesamtes unterstützen diese Aussage: Die Zahl der Autos auf deutschen Straßen hat sich über die vergangenen zwölf Jahre stark erhöht. Während 2011 in Niedersachsen noch 527 PKWs auf 1000 Einwohner kamen, lag die Zahl 2021 bei 609. Das ist ein Anstieg von fast 16 Prozent. Damit liegt Niedersachsen hinter dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg auf Platz fünf der am dichtesten befahrenen Bundesländern.
Den Fahrschülern würde Torke zufolge das Leben durch angepasste Prüfungsverhältnisse in manchen Aspekten auch leichter gemacht: Schüler, die einen Automatik-Führerschein machen, dürften mittlerweile mit Extra-Stunden auch einen Schalt-Wagen fahren. Bis vor zwei Jahren durften sie damit ausschließlich Automatik-Fahrzeuge bedienen.
Sven Müller von der gleichnamigen Fahrschule in Dransfeld und Hann. Münden sieht die erhöhte Komplexität auch in den Fahrzeugen selbst. Obwohl Assistenzsysteme in modernen Autos das Fahren zwar erleichterten, muss das Wissen darüber erst einmal an die Schüler vermittelt werden. Er habe jedoch keine höheren Durchfallquoten bei seinen Prüflingen beobachten können.
Gundolf Kretschmann, Inhaber der Fahrschule Kretschmann in Dransfeld, Reinhardshagen und Hann. Münden, hat bemerkt, dass die Prüfer in den vergangenen Jahren den Prüfschwerpunkt verlagert haben. Da Landstraßen mitunter das größte Unfallrisiko darstellen, würden diese häufiger einen Großteil der Prüfungen ausmachen. Fahrten, in denen jede Gasse der Innenstadt abgegrast worden sei, kämen heute nicht mehr vor. Autobahnfahrten seien von Hann. Münden aus generell schwieriger, da die Anfahrt dorthin einen großen Teil der Prüfungszeit verschlingen würde. Deshalb seien sie seltener im Fokus der Prüfungen. Als Hauptgrund für den Führerscheinerwerb beobachten alle drei Fahrlehrer, dass es den Schülern in der ländlichen Gegend in und um Hann. Münden wichtig ist, mobil zu bleiben. Ähnlich wie Dieter Quentin vom Fahrlehrerverband Niedersachsen sind sie der Meinung, dass das öffentliche Verkehrsnetz in der Region den Schülern oft nicht ausreiche.
Torke merkt zusätzlich an, dass das Interesse am Führerschein teilweise abnimmt. Dadurch, dass Eltern eine große Bereitschaft zeigen, auch ältere Kinder überall hinzubringen und abzuholen, fehle eine Eigenmotivation. Oft sei die Voraussetzung des Arbeitgebers oder der Wille der Eltern der Grund für den Führerscheinerwerb. Dies könne auch zu einer Senkung der Fahrqualität der Schüler führen. Manche Eltern schauten Torke zufolge zu stark auf den finanziellen Aspekt und drängten die Schüler, in die Prüfung zu gehen, obwohl sie dafür eigentlich noch nicht bereit seien. Diese „Wunschprüfungen“, wie Torke sie nennt, würden zu den erhöhten Durchfallquoten beitragen.
Eine Vorerfahrung könne man heute nicht mehr von den Schülern verlangen. In vergangenen Jahrzehnten seien Jugendliche vom Dorf oft besser vorbereitet in den Unterricht gekommen. Müller führt das auf Erfahrung mit Traktoren in der Landwirtschaft zurück. Alle drei Fahrlehrer merken aber an, dass man das heute nicht mehr pauschal sagen könne. (fad)