Landschulheim an der Ostsee
Pelzerhaken: Gebietsreform als Anfang vom Ende
Generationen haben Erinnerungen an Pelzerhaken, jenen Ostsee-Ort, an dem das Landschulheim des Landkreises Münden stand. Christian Mühlhausen hat zur Geschichte des Heims recherchiert. Von Christian Mühlhausen
Hann. Münden/Pelzerhaken - Das Interesse der Leser am ehemaligen Landschulheim Pelzerhaken an der Ostsee scheint ungebrochen. Das zeigen die Reaktionen und Erinnerungen, die unsere Leserinnen und Leser uns zukommen ließen. Doch wann und wie begann eigentlich das Kapitel des Landschulheims und wie endete es?
In den 1950er wurde der Grundstein gelegt
Umfangreich stellte 2006 der frühere Studienrat am Grotefend Gymnasium, der mittlerweile verstorbene Ulrich Kratz, die wechselvolle Geschichte des Landschulheims in der Mündener Allgemeinen vor. Kratz war selber etliche Male mit Klassen in Pelzerhaken und hat die Entstehung miterlebt.
So berichtete er, dass es die entbehrungsreichen Nachkriegsjahre waren, die zudem auch wirtschaftliche schwierige Situation der Familien, die den damaligen Mündener Oberkreisdirektor Rudi Ronge sowie den Amtsarzt Dr. Prüsener dazu motivierten, den Jugendlichen im Landkreis Münden Erholung und Abwechslung an frischer Meeresluft zu bieten. Ab 1950 herum wurden erste Zeltlager im Klosterdorf Cismar sowie Lenste eingerichtet, beide nahe Grömitz (Schleswig-Holstein) gelegen und 15 Kilometer von Pelzerhaken entfernt.
Dazu hatte der Landkreis Münden auch ein großes Küchenzelt mitsamt Köchin an die Ostsee verfrachtet.
Kritik an den Toiletten und Pelzerhaken als Standort
Doch die Kritik an den sanitären Umständen und der schlechten Trinkwasserversorgung ließ die Verantwortlichen auf die Suche nach einer besseren Lösung gehen, 1955 wurde man fündig. Es spielte ihnen in die Hände, dass die britische Besatzungsmacht in dieser Zeit ein bisher beschlagnahmtes U-Boot-Testgelände direkt am Strand in Pelzerhaken wieder freigab, allerdings war dies gerade frisch verpachtet.
Durch Verhandlungsgeschick konnten die Mündener das Grundstück pachten und ein Vorkaufsrecht erwirken, sodass im Mai 1956 das „Jugenderholungslager und Landschulheim des Landkreises Münden“ eingeweiht und künftig Sommerfrische in Pelzerhaken stattfinden konnte.
Urlaub in Pelzerhaken kostete am Anfang 53,50 Mark
Heute etwas gewöhnungsbedürftig heißt es im ersten Prospekt: „Die Lagerinsassen erhalten täglich vier Mahlzeiten.“ 53,50 Mark pro Kind kostete damals der 14-tägige Aufenthalt inklusive Fahrt. Geschlafen wurde in Zelten, es gab ein Sanitärhäuschen sowie das Haus an der Düne als Küchengebäude. Gäste und Gruppen kamen vor allem vom Mündener Gymnasium, aber auch von anderen Schulen und Vereinen.
Der Bedarf – auch nach mehr Komfort – war so groß, dass zusätzlich ein erstes festes Unterkunftsgebäude errichtet wurde, die Zelte aber zunächst beibehalten wurden. Als dann ein zweites festes Gebäude gebaut und dieses mit einem Mittelbau mit den ersten verbunden wurde, verzichtete man auf die Zelte, fortan gab es auch Lehrsäle und Klassenzimmer.
Anfang vom Ende: Die Gebietsreform
Der Anfang vom Ende kam bereits mit der Gebietsreform 1972, der Landkreis Münden brachte Pelzerhaken in den neuen Landkreis Göttingen als Mitgift ein. Der Ausbau Pelzerhakens begann, es wurden Sport- und Schwimmhalle, Sportplatz, neuer Küchentrakt sowie Verwaltungsräume gebaut, 1988/89 sogar noch ein weiterer Unterkunftsblock. „Der erreichte hohe Standard hatte freilich auch hohe Unterhaltungskosten zur Folge, die nur bei ganzjähriger nahezu voller Belegung aufgebracht werden konnten“, schreibt dazu Ulrich Kratz.
Vor allem das Schwimmbad war ein Groschengrab, es entstand ein jährlicher hoher Zuschussbedarf für Pelzerhaken, Verkaufsgerüchte machen die Runde. Den Verkehrswert der Anlage bezifferte der Landkreis 2004 noch auf 5,46 Mio. Euro. (Christian Mühlhausen)
Generationen von Menschen aus dem Landkreis Göttingen waren in Pelzerhaken. Wir sammeln ihre Geschichten. Von geklauten Mercedes-Sternen, über erste Lieben, Kohlrabi und Liebesromane, bis hin zu leckeren „Strand-Pommes“.