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Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine in Hann. Münden: „Viele sind traumatisiert“

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Von: Thomas Schlenz

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Sprachen über die Integration in Deutschland: Stephen McMahon (von links), Tatjana und Tatjana aus der Ukraine, Laura Wittenbeck, Ute Krach.
Sprachen über die Integration in Deutschland: Stephen McMahon (von links), Tatjana und Tatjana aus der Ukraine, Laura Wittenbeck, Ute Krach. © Thomas Schlenz

Seit Kriegsbeginn nehmen die Menschen hierzulande Anteil am Schicksal der Ukrainer. Die Hilfsbereitschaft ist nach wie vor groß.

Hann. Münden – Wie finde ich eine Wohnung? Wie kann ich Bürgergeld beantragen? Wer hilft mir beim Lernen der deutschen Sprache? Wo finde ich Gesprächspartner, mit denen ich mich austauschen kann?: Diese und weitere Fragen können Geflüchtete aus der Ukraine seit einem Jahr immer mittwochs zwischen 16 und 18 Uhr beim Willkommenstreff Ukraine im Geschwister-Scholl-Haus in Hann. Münden klären, der von Elke Steden und Martina Görtler ins Leben gerufen wurde.

Willkommentreff in Hann. Münden

Als Sprachmittlerin und Übersetzerin hilft Anna Perevertailo, die seit einigen Jahren in Hann. Münden lebt, dabei, die Sprachbarriere zu überwinden.

Ute Krach von der Flüchtlingsberatung der Diakonie und Luca Modde sind ebenfalls als Unterstützer dabei. Unterstützung gibt es auch von Marco Hepe, Zweiter Vorsitzender des Vereins Rock for Tolerance.

„Die Probleme der Geflüchteten sind spezieller geworden“, berichtet Elke Steden. Während es anfangs um die Knüpfung von Kontakten gegangen sei, wendete sich heute viele der Geflüchteten, bei denen es sich größtenteils um Frauen handelt, an den Treff, weil sie Hilfe beim Umgang mit Behörden und dem Ausfüllen von Formularen geht.

Das beginne bei der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt über die Beantragung von Bürgergeld beim Jobcenter bis hin zur Einrichtung eines Girokontos. Auch Fragen zur medizinischen Versorgung würden oft gestellt. Um die Vernetzung untereinander zusätzlich zu vernetzen, sei auch eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet worden. Etwa 20 bis 30 Menschen hätten im Sommer vergangenen Jahres noch jeden Mittwoch Rat gesucht. Diese Zahl habe sich mittlerweile etwas verringert, berichtet Flüchtlingsberaterin Ute Krach.

Geflüchtete seien von den Erlebnissen traumatisiert

Was genau die Menschen in der Ukraine erlebt haben und ob sie irgendwann nach dem Ende des Krieges wieder zurückkehren wollen? „Danach fragen wir nicht“, sagt Krach.

Viele der Geflüchteten seien von den Erlebnissen traumatisiert. Was Krieg und Zerstörung in den Köpfen der Menschen anrichteten, zeige sich zudem oft erst mit zeitlicher Verzögerung: „Da wird noch viel auf uns zukommen“, ist Krach überzeugt. Was die Hilfe konkret bewirken kann, zeigt das Beispiel von Stephen McMahon: Dieser war eigentlich aus Kalifornien in den USA nach Hann. Münden gekommen, um sich um seine hier lebende Mutter zu kümmern. In Münden fand er Arbeit als Schulbegleiter.

An einer Grundschule traf er auf ein Mädchen aus der Ukraine. „Sie war sehr schüchtern und hatte Probleme, weil sie die Sprache nicht verstand“, so McMahon. Per Zufall sei er dann auf den Treffpunkt im Mehrgenerationenhaus gestoßen und traf dort auf Tatjana aus der Ukraine. „Jetzt bringe ich ihr Deutsch bei und ich lerne Ukrainisch. Wie bei einem Sprachtandem.“ Mit den ersten Brocken Ukrainisch sprach er mit dem Mädchen an der Schule. „Seitdem hat sie weniger Angst, ist weniger schüchtern und kann dem Unterricht besser folgen“, freut sich McMahon.

McMahon: Beitrag leisten

Der Vater des Mädchens arbeite in der Ukraine als Polizist und könne daher nicht ausreisen. „Er hat seine Tochter aber kürzlich besucht und dann habe ich ihm gezeigt, dass ich in den USA auch Polizist war“, erklärt McMahon. So hätten beide schnell einen Draht zueinandergefunden. „Er weiß jetzt, dass ich auf seine Kleine aufpasse.“ Dieses Beispiel zeige, wie klein die Welt sei.

„Es ist Krieg in Europa und mir ist dadurch bewusst geworden, wie nah die Ukraine ist“, sagt McMahon. Er freue sich, dass er, auch dank es Austausches im Mehrgenerationenhaus, einen Beitrag leisten könne, um den Geflüchteten zu helfen.

Landkreis Göttingen: 3257 Ukrainer aufgenommen

Seit Kriegsbeginn haben sich 3257 Geflüchtete aus der Ukraine bei der Ausländerbehörde des Landkreises Göttingen registriert. Das teilte die Kreisverwaltung auf Anfrage unserer Zeitung mit. Die Zahl der im Kreis Göttingen angekommenen Menschen aus der Ukraine stagniere jedoch derzeit auf einem niedrigen Niveau.

Direkt nach Kriegsausbruch bis etwa zum Juli/August vergangenen Jahres seien die meisten Geflüchteten angekommen. Hierbei sei jedoch zu beachten, dass vom Land Niedersachsen derzeit keine Geflüchtete aus der Ukraine dem Landkreis Göttingen zugewiesen würden.

Grundsätzlich bereite sich das Kreisgebiet auf die Aufnahme weiterer Geflüchteter beziehungsweise Asylsuchender auch aus anderen Ländern vor. Jedoch sei derzeit nicht bekannt, wann weitere Schutzsuchende dem Landkreis Göttingen zugewiesen würden.

Landkreis Göttingen betreibt drei Notunterkünfte für Ukrainer

Darüber hinaus gebe es nach wie vor einen Zustrom durch Ukrainerinnen und Ukrainer, die gezielt den Landkreis Göttingen ansteuerten.
Derzeit betreibe der Landkreis Göttingen drei Notunterkünfte in Germershausen, Wollershausen und Osterode am Harz. Die Lage werde ständig beobachtet und an den Bedarf angepasst. So befinde sich eine weitere Liegenschaft in Bovenden-Lenglern im Stand-by-Betrieb. Nach wie vor sei es ein vorrangiges Ziel, die Menschen schnellstmöglich in dezentralem Wohnraum unterzubringen, sodass die Aufenthaltszeit in einer Notunterkunft von möglichst kurzer Dauer sei.

Die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration sei das Erlernen der deutschen Sprache, ist der Landkreis überzeugt. Ein flächendeckendes Angebot und die Teilnahme an Sprachkursen seien ein Schlüssel zum Erfolg.

Die Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) würden von den Integrationsfachkräften individuell beraten. Zur Unterstützung stünden Dolmetscher zur Verfügung. Etwa 600 Leistungsberechtigte nach dem SGB II nehmen bereits an einem Sprachkurs teil, etwa weitere 480 Personen werden in Kürze einen Kurs bekommen. Aktuell seien 13 Sprachförderklassen, unabhängig von der Unterrichtung im Fach Deutsch als Zweitsprache, an den weiterführenden, allgemeinbildendenden und berufsbildenden Schulen innerhalb des Landkreises Göttingen eingerichtet. (Thomas Schlenz)

Unterkünfte für Geflüchtete gesucht

Der Landkreis Göttingen sucht weiterhin nach passenden Wohnungen, um Vertriebene aus der Ukraine und andere Geflüchtete unterzubringen. Große Objekte, die sich als Notunterkunft eignen würden, stehen derzeit nicht im Fokus. Angebote können von interessierten Eigentümern beim Landkreis Göttingen unter 05 51/5 25 30 00 oder per E-Mail an

fluechtlingsunterbringung@landkreisgoettingen.de gemeldet werden.

Heute Abend und am Samstag finden zahlreiche Veranstaltungen zum Gedenken an den Kriegsbeginn vor einem Jahr in Hann. Münden statt.

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