Klinikum: Trotz Corona auch auf andere Erkrankungen achten

Trotz der aktuellen Corona-Pandemie sollten Patienten die Behandlung von verbreiteten Zivilisationskrankheiten, wie beispielsweise Bluthochdruck, nicht vernachlässigen, mahnt Dr. Dr. Alexander Nabokow, Leitender Oberarzt der Abteilung Innere Medizin / Nephrologie am Klinikum Hann. Münden, anlässlich des Welt-Hypertonie-Tages am 17.Mai.
Die Folgeschäden von zu hohem Blutdruck, darunter kardio-vaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, seien nach wie vor die häufigste Todesursache weltweit, betont der Mediziner. Etwa ein Drittel aller Erwachsenen in Deutschland habe einen zu hohen Blutdruck, bei den über 60-Jährigen betreffe das sogar mehr als jeden Zweiten. Das Problem: Mindestens jeder Fünfte wisse gar nicht, dass er oder sie einen zu hohen Blutdruck habe. „Hoher Blutdruck ist ein stiller Killer, da Betroffene anfangs keine Symptome spüren. Sie bemerken ihn oft erst, wenn Folgeschäden eingetreten sind“, erklärt Dr. Nabokow. Hinzu komme, dass rund ein Drittel aller Hypertoniker (Menschen, die an zu hohem Blutdruck leiden) medikamentös nicht gut eingestellt seien.
Jeder Zehnte lasse sich auch überhaupt nicht ärztlich behandeln. Dabei könnten viele Menschenleben gerettet werden, wenn auf die richtige Einstellung des Blutdrucks geachtet werde: „Wir schätzen, dass in Deutschland etwa 90 000 Todesfälle pro Jahr vermeidbar wären“, sagt der Mediziner. Auch die Folgeschäden von zu hohem Blutdruck sollten nicht vernachlässigt werden: Er könne viele Organe schädigen, wie z.B. die Nieren. Generell spiele die Niere sowohl als Auslöser als auch als leidtragendes Organ von hohem Blutdruck eine zentrale Rolle.
Sie regelt den Salz- und Wasserhaushalt und produziert Hormone, die für die Regulation des Blutdrucks entscheidend sind. Auf der anderen Seite könne zu hoher Blutdruck die Nierengefäße schädigen und zur abnehmenden Nierenfunktion führen. Bei etwa 20 Prozent aller Dialysepatienten in Deutschland ist die arterielle Hypertonie Ursache ihrer Nierenerkrankung, betont Dr. Nabokow.
Regelmäßige Kontrolle rettet Leben
Am 17. Mai wird der Welt-Hypertonie-Tag begangen. An diesem Tag soll über die riskante, aber oft unterschätzte Erkrankung Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) informiert und aufgeklärt werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Hypertonie als größte Gesundheitsgefahr ein. Das Nephrologische Zentrum Niedersachsen am Klinikum Hann. Münden ist neben der Göttinger Uniklinik die einzige als Zentrum für Hypertonie zertifizierte Klinik in Südniedersachsen.
Interview: Kontrolle sehr wichtig
Bluthochdruck ist eine gefährliche Zivilisationskrankheit. Wir haben mit Dr. Dr. Alexander Nabokow, Leitender Oberarzt der Abteilung Innere Medizin /Nephrologie am Klinikum Hann. Münden, über das Problem gesprochen.
Dr. Dr. Alexander Nabokow, Abteilung Innere Medizin/Nephrologie

Herr Dr. Nabokow, was sind die Risikofaktoren für Bluthochdruck?
Als Risikofaktoren gelten chronischer Stress, Übergewicht und hier insbesondere das Bauchfett, Bewegungsmangel, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und zu hoher Kochsalz-Konsum.
Kann man den Blutdruck durch eine Verringerung der Risikofaktoren senken?
Ja, eine Senkung um bis zu 20 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) ist möglich, vor allem über eine gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Seefisch, Beschränkung der Kochsalzzufuhr – maximal sollten Erwachsene fünf bis sechs Gramm Kochsalz pro Tag zu sich nehmen – und regelmäßige sportliche Aktivität.
Die Verringerung der Risikofaktoren steigert auch die Effektivität der medikamentösen blutdrucksenkenden Therapie. Welche Rolle spielt die Kontrolle des Blutdrucks?
Eine sehr wichtige. Alle Menschen sollten ihren Blutdruck kennen und bei erhöhten Werten regelmäßig kontrollieren. Der Blutdruck ist leicht messbar. Er kann mit Geräten am Oberarm oder am Handgelenk kontrolliert werden. Gerade für ältere Menschen hat die Oberarmmessung manchmal Vorteile, da die korrekte Messstelle in Herzhöhe (s. unten) immer gewährleistet ist. Moderne Methoden wie beispielsweise per Smartwatch müssen noch validiert werden und sind noch nicht in gleicher Weise zuverlässig. Die Forschung arbeitet auch an neuen Geräten, die den Blutdruck z.B. im Ohr messen können.
So wird zu Hause richtig geprüft
- Vor der Messung ca. 30 Minuten keine körperlichen oder seelischen Belastungen, kein Kaffee, Schwarztee, Alkohol oder Rauchen, Harnblase sollte entleert sein.
- 5 min. vor der Messung ruhig sitzen bleiben, angenehme Raumtemperatur.
- Messung in Sitzposition mit Rückenlehne, beide Beine auf dem Boden stehend, nicht überkreuzt.
- Bei Oberarmmessung soll der Oberarm frei von Kleidung und nicht abgeschnürt durch den hochgeschobenen Ärmel sein, entspannt und auf fester Unterlage gelegt; die Größe der Blutdruckmanschette sollte dem Oberarmumfang angepasst sein, nicht zu locker oder zu fest angelegt (ein Finger Platz), Manschetten-Unterrand zwei Querfinger oberhalb der Ellenbeuge.
- Bei Handgelenkmessung soll das Handgelenk auf Herzhöhe liegen (Ellenbogen auf Tisch aufstützen und z.B. ein Kissen als Stütze für den Unterarm auf den Tisch legen).
- 2 bis 3 Messungen im Abstand von einer Minute durchführen, dabei nicht reden, den Arm nicht bewegen; relevant ist dann der 2. Messwert (oder der Mittelwert aus der 2. und 3. Messung).
- Bei Blutdruckdifferenz zwischen den Armen immer am Arm mit höchstem Wert messen.
- Messungen immer zur gleichen Tageszeit; falls blutdrucksenkende Medikamente eingenommen werden, dann vor der Tabletteneinnahme messen.