Die Kleinste ist gerade mal vier Zentimeter groß, wenn sie sich streckt, doch Hans-Joachim Haberstock in Varlosen ist optimistisch, alle seine Zöglinge durchzukriegen.
Der Nabu-Schutzgebietsbetreuer (Bührener Schedetal) und Fledermausexperte hat zurzeit sieben Fledermäuse in Pflege. Zwei waren kräftig genug, sie wieder in Freiheit zu entlassen, berichtet er. Doch prompt kamen zwei Neue hinzu.
Eine Frau aus Dohrenbach (Witzenhausen) hatte sich über den Fledermaus-Notruf an den Naturschützer gewandt und um Hilfe gebeten: An ihrer Hauswand und auf dem Boden hatte sie junge Fledermäuse gefunden. Sie habe ganz richtig reagiert und zunächst versucht, die Tierchen wieder zurück in ihr Quartier zu setzen, sagt Haberstock.
Das Muttertier war offenbar nicht zurückgekehrt
Zurzeit passiere es schon mal, dass Jungtiere, noch nicht ganz flügge, ihr Quartier verlassen – sei es, weil die Sonne draufscheint und es ihnen zu warm wird, sei es, dass die Milben darin sie zu sehr ärgern. Anrufe dieser Art erreichen Haberstock zurzeit öfter.
Doch in Dohrenbach kamen die Fledermäuse immer wieder raus: Offenbar war das Muttertier nicht zurückgekehrt, die Jungen hatten Hunger und wurden immer schwächer. Schätzungsweise zwei Tage hätten sie nichts zu fressen gehabt. So fuhr Haberstock los, um sie abzuholen. Mit Welpen-Milch und Mehlwürmern päppelt er die Flatterkinder auf.
Chancen stehen gut, dass die Pflegekinder sich erholen
Zum Glück seien diese schon drei bis fünf Wochen alt, schätzt er, sodass sie gute Chancen haben, sich vollständig zu erholen. Die Aufzucht von Hand durch den Menschen sei allerdings immer problematisch, weil einfach der Kontakt zur Mutter fehle und natürlich auch die Mutter als Lebens-Lehrerin nicht durch den Menschen ersetzt werden kann.
Für ganz junge Waisen habe er sich schon mal einen Brustbeutel zugelegt, in dem er sie unterbrachte, damit sie Körperkontakt hatten. Seit gut 30 Jahren befasst sich Haberstock mit Fledermäusen und hat diverse Kurse absolviert, wie mit den streng geschützten Tieren umzugehen ist.
Nicht jeder Hausbesitzer will eine Fledermausfamilie
Dennoch sei es immer am besten, wenn der Mensch nicht einzugreifen brauche. Manchmal müsse er da auch Überzeugungsarbeit leisten. Nicht jeder Hausbesitzer wolle eine Fledermausfamilie in seinem Haus haben und würde die einmal herausgekommenen Tierchen lieber loswerden als sie wieder in ihre Spalte hinter die Fassadenverkleidung zu setzen.
Meistens ließen sich die Menschen aber überzeugen, sagt der Naturschützer.
Bei ihm haben die Fledermäuse eine Voliere auf dem Dachboden, wo das Fliegen trainiert wird. Wenn sie sich einige Minuten in der Luft halten können, entlässt er sie in den Garten. Dort jagt eine Kolonie Zwergfledermäuse.
Er könne immer wieder beobachten, wie sich die Fundtiere denen im Garten anschließen. „Wer Blühstreifen für Insekten anlegt, hilft übrigens auch den Fledermäusen“, wirft er ein.
Fledermäuse müssen alle paar Stunden gefüttert werden
Bis es so weit ist, brauche man Fingerspitzengefühl: Alle zwei bis drei Stunden müssen die Jungtiere gefüttert werden. Die Mehlwürmer tunkt Haberstock in die Welpen-Milch, sodass die Fledermäuse sie ablecken und irgendwann auch auf die Idee kommen, in den Wurm zu beißen.
Dabei haben die Tierchen erst einmal Angst vor dem menschlichen Betreuer und stellen sich tot – „bis sie merken, dass ich ihnen doch nur etwas zu fressen geben will“.
Spenden helfen für die Fledermaus-Arbeit
Benzinkosten für die Fahrten, Futter, Tierarzt zahlt der Varloser Hans-Joachim Haberstock aus eigener Tasche. Mit zweckgebundenen Spenden kann man seine Arbeit aber unterstützen: Überwiesen auf das Konto der Nabu-Stiftung Berlin, Bank für Sozialwirtschaft, IBAN DE88 3702 0500 0008 1578 00, unbedingt mit dem Vermerk „Fledermausschutz Bührener Schedetal“ versehen, kommt die Spende an.
Auch über persönliche Unterstützung freut sich der Fledermaus-Schützer, denn Arbeit hat er mehr als genug. Erreichbar ist Haberstock unter den Telefonnummern 0 55 02/35 49 und 01 51/54 83 89 52.